Neue Studie am HDZ NRW in Bad Oeynhausen: Herzuntersuchung mit Entspannungshilfe

Bad Oeynhausen. Wenige Wochen nach seiner Herztransplantation ist Reinhard Klein abgetaucht. Ins Korallenriff. Er fühlte sich, als schwämme er im azurblauen Meer mit den Fischen um die Wette. "Das war total entspannend", sagt er. Tatsächlich aber wurden ihm zu diesem Zeitpunkt im Herzkatheterlabor des Herz- und Diabeteszentrums NRW Gewebeproben aus seinen neuen Herzen entnommen. Dass Reinhard Klein während dieser Operation, die mit einer lokalen Betäubung durchgeführt wird, so entspannt war, liegt an der neuen Videobrille, die seit Anfang März im HDZ getestet wird. Eingesetzt werden die Videobrillen mit dem klangvollen Namen "Happymed" bei Eingriffen und Untersuchungen in der Chirurgie und der Kardiologie. Patienten können zwischen Konzerten und Filmen auswählen Der Einsatz dieser Videobrillen wird nun Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie unter der Leitung der Psychologin Katharina Tigges-Limmer, die die Abteilung für Medizinpsychologie am HDZ leitet. In dieser Studie wollen die beiden Psychologen Tülin Filiz und Felix Smoletz nun herausfinden, wie sich die Ablenkung durch die Videobrille auf das Angst- und Schmerzempfinden der Patienten während der Untersuchung oder des operativen Eingriffs auswirkt. Die Patienten können aus verschiedenen Genres auswählen, was sie schauen und hören möchten. Das Angebot hat der Hersteller der Videobrille vorgegeben. Naturfilme, Reisereportagen, Mitschnitte von Konzerten, Kinderfilme sind ebenso möglich wie Hollywoodblockbuster und Komödien. Ob allerdings spannende Hollywood-Blockbuster wie "Mission Impossible" oder lustige Filme während einer Katheteruntersuchung, die vom Hals ausgeht, zielführend sind, bleibt abzuwarten. Transplantierter Patient auf Tauchgang Die ersten Erfahrungen mit der Videobrille aber zeigen bereits: "Die Patienten wissen, was ihnen guttut", sagt die Psychologin Katharina Tigges-Limmer. Reinhard Klein jedenfalls hat sich bewusst für das Korallenriff entschieden. "Das war Entspannung pur. Ich war zu etwa 95 Prozent abgelenkt", sagt Klein. Am Ende seines virtuellen Tauchgangs war er sogar überrascht, dass die Biopsie schon vorbei war. Denn für den transplantierten Patienten war es nicht der erste Eingriff dieser Art: "Ich war ja schon 13 oder 14 Mal hier im HDZ", sagt Klein. Und so möchte er nun auch bei seiner nächsten Untersuchung in den Genuss der Videobrille kommen. Auch vom Tragekomfort, der Bild- und Tonqualität zeigte sich Klein, der selbst Musiker ist, beeindruckt. "Die Brille ist sehr leicht und sie lässt sich auf die eigene Sehstärke einstellen", fügt Tigges-Limmer hinzu. Auch die Intensität der Abschirmung können die Patienten selbst bestimmen. Und: Sowohl die Patienten wie auch die Ärzte können den Film jederzeit problemlos stoppen, sollte es die Situation erfordern. Eingriffe sind mit Angst und Schmerz besetzt In den ersten drei Wochen konnten nach Aussage von Felix Smoletz bereits zehn Patienten die Brille ausprobieren - auf freiwilliger Basis versteht sich. Die Eingriffe - wie etwa die Biopsie eines neuen Herzens seien trotz lokaler Betäubung mit Schmerzen verbunden und in doppelter Hinsicht mit Angst besetzt. "Die Patienten müssen von ihrem neuen Herzen gleich etwas abgeben und sie haben Angst vor dem Eingriff und dem Ergebnis der Gewebeentnahme", fügt Tigges-Limmer hinzu. Denn die Biopsie diene auch dazu, herauszufinden, ob eine Abstoßungsreaktion des neuen Organs vorliegt. Hilft die Brille, die Angst und Schmerzen zu mindern, dann können auch weniger Beruhigungsmittel eingesetzt werden. "Die Patienten, die die Brille bisher genutzt haben, sind allesamt sehr zufrieden", sagt der Psychologe Felix Smoletz. Und die Behandler im Katheterlabor sind es auch, fügt Katharina Tigges-Limmer hinzu. Alle medizinischen Mitarbeiter, die in den Kliniken Chirurgie und Kardiologie mit der Videobrille zu tun haben, sind speziell geschult worden. Mithilfe eines standardisierten Fragebogens ermitteln die Wissenschaftler schließlich, wie viel Angst die Patienten vor und während des Eingriffs hatten. Für die wissenschaftliche Studie werden in der ersten Phase nun die Erfahrungen von etwa 90 Patientinnen und Patienten erfasst. Insgesamt soll die untersuchte Gruppe letztlich 400 Patienten umfassen. "Ausgesucht werden die Patienten dann per Zufallsprinzip", so Katharina Tigges-Limmer. Somit wird es einen Querschnitt geben aus Frauen und Männern unterschiedlichen Alters. Die Erfahrungen von Patienten, die die Untersuchung erstmals durchmachen und von denen, die dies bereits mehrfach tun mussten. Berichte und Untersuchungen zu dem Einsatz der Videobrille gibt es zwar bereits von anderen Kliniken. "Es gibt Studien zum Einsatz der Brille in der Anästhesie und zur Ablenkung im MRT, aber noch wenig im Bereich der Kardiologie und der Chirurgie", sagt Tigges-Limmer. Das soll sich nun ändern.

Meistgelesen