Verkehrswende Ampelschaltung: Wenn Autofahrer in Bad Oeynhausen am ZOB um Grün betteln müssten

Bad Oeynhausen. Die Machtverhältnisse an dieser Ampel sind eindeutig: Die Räder der Autos sollen rollen. Fußgänger dagegen haben am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) Rot. Sie müssen an der Bahnhofstraße gefälligst warten, bis sie dran sind, dürfen sich aber Grün wünschen und auf einen Knopf drücken. Blöd ist bloß: Der Wunsch geht nicht unbedingt in Erfüllung. Ampeln wie diese am ZOB nennen Fachleute auch "Bettel-Ampeln". Doch warum müssen eigentlich bloß Fußgänger um Grün betteln? Auf einer vielgenutzten Kreuzung in Hamburg sind die Machtverhältnisse jetzt umgekehrt. Der Senat der Hansestadt hat Anfang Dezember erstmals der Mehrheit von etwa 7.000 Fußgängern täglich Priorität eingeräumt und der Minderheit von 6.000 Autofahrern Rot verordnet. Das ist im Autofahrerland eine gewagte politische Entscheidung. Nun sind sie es die Motorisierten, die um Grün betteln. Busse haben weiter Vorfahrt. Autofahrer müssen allerdings nicht aus ihren fahrbaren Untersätzen aussteigen, um an der Ampel Knöpfe zu drücken. Sie können im Warmen sitzen bleiben. Eine Wärmebildkamera übernimmt die Funktion des Drückerschalters. Ein Vorbild für Bad Oeynhausen? Das Beispiel intelligenter Verkehrssteuerung könnte deutschlandweit Schule machen. Wäre das nicht auch etwas für die Kurstadt Bad Oeynhausen, besonders mit Blick auf Fußgänger und Menschen, die sich mit Einschränkungen in der Innenstadt bewegen? Die NW hat in der Vergangenheit bereits mehrfach auf die multiplen Gebrechen der ZOB-Ampel und ihre groteske Schaltung verwiesen. Jetzt ist der Moment günstig für Verbesserungen: Die Stadtverwaltung überplant den ZOB, will die Bushaltestellen neu sortieren und die Omnibusse künftig gegen den Uhrzeigersinn übers Dach der Tiefgarage lenken. Die Verkehrsbehörde der Stadt hat sich auf Anfrage mit den Bettel-Ampeln beschäftigt und lehnt sie auch nicht rundheraus ab. "Anforderungsampeln für den Kfz-Verkehr", schreibt Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich auf Anfrage, "sind da durchaus eine Alternative, wo es die Verkehrsmengen zulassen und wo der Schwerpunkt des querenden Verkehrs bei Fußgängern und Radfahrern liegt oder die Verkehrsmengen wie am Hamburger Beispiel in etwa gleichwertig sind." Der ZOB bietet sich aus Sicht der Behörde jedoch nicht für solche Veränderungen an. Zunächst solle aber die endgültige Straßenführung abgewartet werden, so Müller-Ulrich. Die Fußgängerampel regele nicht nur das Vorrecht zwischen Fahrzeugen und Fußgängern, sondern ermögliche vor allem "den Abfluss der Busse" vom ZOB: "Eine Umsteuerung wie beim Hamburger Modell dürfte daher in den bestehenden Knotenpunkten nicht ohne weiteres möglich sein." Die Stadtverwaltung befürchtet stockenden Verkehr Hat die Verkehrsbehörde eigene Vorschläge für Bettel-Ampeln? "Konkrete Überlegungen dazu hat es bisher nicht gegeben", so der Stadtpressesprecher. Überhaupt sei die Behörde nur im Innenstadtbereich für die Regelungen der Fußgängerampeln alleine zuständig. Bei Ampeln in den Stadtteilen müssen andere Behörden angehört werden. Bei den bekannten Innenstadt-Ampeln gebe es aber "keinen Überhang an Fußgängern und Radfahrern gegenüber Autofahrern". Außerdem sei "der Grundsatz der Leichtigkeit der Verkehre zu beachten", so Müller-Ulrich. Stockender Verkehr und lange Schlangen vor den Bettel-Ampeln könnten "Fußgänger dazu verleiten, die Straße zwischen wartenden Fahrzeugen zu überqueren". Die Stadtverwaltung befürchtet außerdem eine womöglich größere Abgasbelastung durch haltende und anfahrende Autos in der Innenstadt. Auf den Kreuzungen der Kurstadt sind nach Ansicht der Behörde Autofahrer stets in der Mehrheit. Womöglich gibt es noch ein weiteres Argument für eine Neuregelung: Machen Bettel-Ampeln die Überwege für Fußgänger nicht auch sicherer? "Nein", so Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich: "Die Sicherheit eines ampelgeregelten Übergangs verändert sich nicht durch die Umkehr des Grün-Vorrechts." Thomas Dippert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschlands (VCD) argumentiert anders und lenkt den Blick auf eine Ampel in Eidinghausen: den Fußgängerüberweg auf der Eidinghausener Straße, auf Höhe des Gemeindezentrums und der Kita Eidinghausen. Dort gilt tagsüber Tempo 30. Technisch wäre es dort machbar, die Ampel so zu schalten, dass Autofahrer, die wirklich Tempo 30 fahren, Grün bekommen. Dippert: "Ohnehin ist die Parkplatzausfahrt in die Eidinghausener Straße kurz vor der Ampel ein Unfallschwerpunkt." Das sagt die Polizei Minden-Lübbecke Die Polizei Minden-Lübbecke hat an dieser Stelle in den letzten zwei Jahren fünf Unfälle registriert: zwei Unfälle mit Sachschaden sowie drei Bagatellunfälle. Allesamt ohne Fußgänger. Ein Unfallschwerpunkt ist das für die Polizei nicht. Die Eidinghausener Straße ist zudem eine Landesstraße. Straßen NRW müsste vor einer Änderung der Verkehrsprioritäten durch die städtische Verkehrsbehörde angehört werden, erklärt Stadtpressesprecher Müller-Ulrich: "Eine Zustimmung von dort erscheint hier unwahrscheinlich." Auch der Busbahnhof ist aus Sicht der Polizei kein Unfallschwerpunkt. Auf allen Straßen ringsherum gab es im gleichen Zeitraum sechs Verkehrsunfälle, fünf Bagatellunfälle und einen Blechschaden unter Alkoholeinfluss. Die Argumente für eine Veränderung der Ampelschaltung sind jedoch noch nicht ausgeschöpft. Verkehrspolitisch würde ein Dauergrün den ZOB enger an die Innenstadt und den Bahnhof binden. Das Umsteigen von Bus auf Bahn und umgekehrt würde erheblich leichter. Pendler könnten endlich darauf vertrauen, ihre Anschlüsse zu erreichen. Der öffentliche Nahverkehr würde attraktiver. Für die hat Polizei dagegen "die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs oberste Priorität", so ihr Sprecher Nils Schröder. Vor der Einführung von Bettel-Ampeln sollten zunächst wichtige Verkehrsparameter für jeden Einzelfall untersucht werden: die durchschnittliche tägliche Verkehrsbelastung aller Verkehrsteilnehmer, sowie Unfallschwerpunkte und ihre Ursachen. Die Entscheidung über die Bettel-Ampel, betont der Polizeisprecher, liege jedoch bei der jeweiligen Straßenverkehrsbehörde. Schröder: "Die Polizei fungiert hierbei nur als Ratgeber und ist vor jeder Umsetzung anzuhören." https://www.hamburg.de/bvm/medien/16737424/2022-12-01-bvm-ampel-priorisierung/

Verkehrswende Ampelschaltung: Wenn Autofahrer in Bad Oeynhausen am ZOB um Grün betteln müssten

Mehr zum Thema

Newsletter Bad Oeynhausen

Wunderbar. Fast geschafft!