Osterfeuer in Bad Oeynhausen: Warum ein Mann zu unrecht verhaftet, aber zurecht bestraft wird

Bad Oeynhausen. In der Rückschau aufs Werster Osterfeuer sind sich Verteidiger, Staatsanwalt und Richter in einem Punkt überraschend einig: Der 28-jährige Angeklagte ist mehr oder weniger aus Versehen von der Polizei verhaftet worden, weil er wild fuchtelnd auf eine Gruppe Jugendlicher zulief. Dabei hatte sich der Mann nur umständlich aus dem Klammergriff einer Freundin gelöst, die den Betrunkenen fürsorglich vom Festplatz geleitete. Die Polizei war aber wegen mehrerer Schlägereien gerufen worden und erkannte in dem Fuchtelnden einen möglichen Schläger. Das war ein Irrtum. Das Verhalten des Angeklagten gegenüber der Polizei dagegen war eine Straftat. Der Richter hält in seiner mündlichen Urteilsbegründung fest, dass die Polizisten eigentlich keinen Grund hatten, den Angeklagten zu verhaften. Den Angeklagten aus Petershagen verurteilt er aber, weil der später auf der Rückbank des Streifenwagens randalierte. Der Angeklagte versuchte demnach, einen Polizisten zu treten und ihm einen Kopfstoß zu geben. Der Richter wertet das als tätlichen Angriff auf Beamte. Während der Verhandlung wird zudem bekannt, dass der Angeklagte erst in seine Zelle urinierte, dann eine Ohnmacht vortäuschte, im Rettungswagen aber wieder bei bester Gesundheit war und so vorzeitig in Freiheit kam. Das juristische Nachspiel des Werster Osterfeuers hat am Montag mit der Vernehmung des womöglich wichtigsten Zeugen in diesem Verfahren ein vorläufiges Ende gefunden. Der 24-jährige Polizeibeamte, der den Angeklagten ins Gewahrsam führte, erzählt dem Gericht, was auf der Rückbank des Streifenwagens am Ostersonntag geschah. Demnach war der Angeklagte zum Start der Fahrt noch friedlich, wurde dann aber kurz vorm Weserauentunnel aggressiv. "Er beschwerte sich über die Fesselung", sagt der Polizist. Also prüfte der Beamte die Handschellen, indem er den kleinen Finger zwischen Metall und Handgelenk schob, fand aber keinen Fehler in der Fesselung und sagte seiner Kollegin, sie könne die Fahrt nach Minden fortsetzen. Der Angeklagte fand das nicht in Ordnung. Wie erst am Montag öffentlich wurde, hat der Petershagener in seiner Vernehmung bereits erklärt, dass er bei jeder Bremsung "starke Schmerzen" verspürte und gefragt, ob die Handschellen gelockert werden könnten. Der Polizist soll dann laut Angeklagtem geantwortet haben: "Die sind nicht aus Plüsch." Wenig später sei der Angeklagte mit dem Kopf an die Fensterscheibe "gedrückt oder geschlagen" worden. Darauf habe er sich beschwert: "Was sind das für Nazi-Praktiken?" Polizist irrt: Fliehkräfte in der Linkskurve Nach Darstellung des Polizisten war der Nazi-Spruch dagegen eine gegen ihn gerichtete Beleidigung des Angeklagten. Und zu dem Satz mit dem Plüsch sagt der Beamte auf Nachfrage des Verteidigers: "Das ist unprofessionell." So etwas würde er "100-prozentig" nicht sagen. Der Angeklagte habe während der Fahrt mehrfach versucht, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. In einer Linkskurve kurz vor der Wache sei ihm das auch gelungen. Da sei er nach links gefallen, der Angeklagte habe mit dem Kopf nach ihm gestoßen und mit dem Fuß getreten. Beide Male habe der Angeklagte ihn jedoch verfehlt. Er sei nicht verletzt worden. Der Verteidiger hört die Schilderung von der Linkskurve, malt eine Strichzeichnung auf ein Blatt Papier und hält es hoch. Was der Polizist da erzählt, sagt der Rechtsanwalt, dafür bekomme er "in Physik nur ganz wenige Punkte". In einer Linkskurve werde man schließlich nach rechts gedrückt. Der Polizist erkennt seinen Fehler und korrigiert sich. Bei dem Fahrmanöver sei er sich aber sicher. Der Verteidiger hakt nach. Angesichts der "ziemlich heißen Fahrweise" seiner Kollegin könne es doch sein, dass der Kopfstoß nicht gezielt versucht worden sei. Doch das schließt der Polizist aus. "Wir saßen unmittelbar nebeneinander. Das war nicht unabsichtlich." Der Verteidiger kommentiert das mit den Worten: "Dann hoffen wir mal, dass das alles so stimmt!" Der Staatsanwalt allerdings sieht den Vorwurf des tätlichen Angriffs auf Beamte bestätigt. Die Vorwürfe zu den Geschehnissen, bevor der Angeklagte von vier Polizisten in den Streifenwagen verfrachtet wurde, lässt er jedoch fallen. Grund dafür ist die Zeugenaussage einer Freundin des Angeklagten, die ihn vom Osterfeuer-Festplatz nach draußen geleitete und vorübergehend beruhigend auf ihn einwirkte. Staatsanwalt und Verteidiger loben die Zeugin über den grünen Klee: Die Frau habe plastisch geschildert, was geschehen sei, ohne zu übertreiben oder Einzelheiten wegzulassen. Das Gericht stellt diesen Teil der Anklage mit Blick auf die zu erwartende Gesamtstrafe ein. Der Angeklagte ist der Polizei schon einmal aufgefallen Im Vorstrafenregister findet sich dann kurz vor Schluss noch ein wichtiges Detail: Der Angeklagte ist 2019 zu einer Geldstrafe wegen Nötigung verurteilt worden, weil er auf der Autobahn hinter einem Streifenwagen mit Lichthupe und Blinker gedrängelt hat. Für den Staatsanwalt ist das kein Grund, die Strafforderung zu erhöhen. Der Ankläger verweist auf die Mindeststrafe für tätliche Angriffe auf Polizeibeamte: drei Monate Haft, die normalerweise als Geldstrafe ausgeurteilt werden. Der 28-jährige Petershagener habe den Polizisten nicht verletzt, argumentiert der Staatsanwalt fordert deshalb 90 Tagessätze. Der Verteidiger stellt keinen Antrag. Für jemanden, der von Polizisten "von hinten überrollt wird", sei das eine "ziemlich unschöne Situation" gewesen, so der Verteidiger. Der Richter wertet die Vorstrafe allerdings strafverschärfend, weil der Angeklagte ebenfalls die Konfrontation mit der Polizei gesucht habe. Der Petershagener habe zwar keinen Streit auf dem Osterfeuer angefangen und es habe auch keinen Grund gegeben, ihn zu fesseln. Doch nachdem er Gelegenheit hatte, sich zu beruhigen, sei der Angeklagte im Auto gegenüber dem Polizisten aggressiv geworden, der ihn nicht provoziert habe. Er sei überzeugt, dass die Kopfnuss gezielt versucht wurde: "Das reicht aus." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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