Bad Oeynhausens Bürgermeister im Interview: "Die fetten Jahre sind vorbei"

Herr Bökenkröger, zu Beginn Ihrer Amtszeit sprachen Sie von Prioritäten, die Sie setzen wollten. Haben Sie das schon gemacht? Mein Vorgänger und das ihn stützende Fünferbündnis hat sehr viele Projekte in die Welt gebracht. Das Kulturzentrum “Dritter Ort”, die Verlegung des Zentralen Omnibusbahnhofs, ein Bundesleistungszentrum am Standort Schulzentrum Süd für fast zwölf Millionen Euro und diverse Verkehrs- und Schulprojekte. Wenig davon wurde umgesetzt, weil man es schlicht versäumt hat, die Strukturen anzupassen. Deshalb habe ich früh gesagt, wir müssen jetzt Licht in dieses Dickicht bringen und sagen, welche Projekte wollen wir wirklich umsetzen. Diese Notwendigkeit verschärft sich massiv durch drastisch steigende Energie- und Baukosten. Was heißt das konkret? Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich gegen die Verlegung des Zentralen Omnibusbahnhofes an die Mindener Straße bin. Deshalb legen wir im nächsten Ausschuss für Stadtentwicklung eine Machbarkeitsstudie zum Umbau des altes ZOB vor. Das kostet deutlich weniger als der Umzug. Auch das Kulturzentrum neben der Druckerei, der sogenannte “Dritte Ort”, werden wir wohl nicht umsetzten, wenn die Politik dabei mitspielt. Das Bundesleistungszentrum wurde deutlich abgespeckt. Dort reden wir nicht mehr über 11,6 Millionen Euro, sondern über die vernünftige Investition der drei Millionen Euro, mit denen der Bund das Projekt fördert. Auch hinter den Solegarten und die Liegehalle setze ich ein Fragezeichen. Können wir uns das überhaupt noch leisten? Das ist der Anfang. Wir haben natürlich Projekte, die wir nicht zurückholen können und wollen – den Rückbau der Mindener Straße zum Beispiel. Sie vermissen die passenden Strukturen. Was meinen Sie damit? Wir haben es uns einfach zu kompliziert gemacht. So ist zum Beispiel die Doppelstruktur aus Staatsbad GmbH und Eigenbetrieb Staatsbad sicher nicht zukunftsfähig. In Bad Oeynhausen ist für einen Außenstehenden nicht erkenntlich, wer für was verantwortlich zeichnet. Da müssen wir ran, um als Stadt und Verwaltung wesentlich schneller und effizienter zu werden. Das ist eine der drängendsten Aufgaben. Es fällt auf, dass die Stadt ihre Planungskompetenz im Zuge der Haushaltssicherung nahezu verloren hat. Jedes auch noch so kleine Projekt wird an externe Büros vergeben. Rächt es sich nun, dass ihre Vorgänger das Technische Rathaus abgerüstet haben? Ich habe es gesagt: Wir haben die Strukturen nicht mitgedacht und nicht die personellen Kapazitäten aufgebaut, die wir für die Umsetzung unserer Projekte bräuchten. Man hat den Bürgerinnen und Bürgern viel versprochen, aber nichts umgesetzt. Das erzeugt Frust und Unverständnis. Und so einfach sind die Projekte auch nicht zu stoppen, denn da sind Fördermittel geflossen. Für den “Dritten Ort” haben wir das Haus an der Portastraße gekauft. Wenn wir jetzt zu der Entscheidung kommen, dass wir uns den nicht mehr leisten können, dann muss mit dem Fördermittelgeber gesprochen werden. Welche Kompetenzen hat die Stadt noch selber? Der Arbeitsmarkt für Planer und Bauingenieure ist schwierig für kommunale Verwaltungen. Das beschäftigt uns schon seit Jahren. Noch sind wir zufriedenstellend aufgestellt, doch jede Vakanz, jeder Mitarbeiter, der uns verlässt, bedeutet auch Verzögerungen bei Projekten. Das stellt alle Kommunen vor Probleme und wird sich auch auf andere Bereiche ausdehnen. Das merken wir jetzt schon. Wir haben viele vakante Stellen, die wir nicht besetzen können. Die Stadt unterhält eine Abteilung für Stadtplanung. Das unterstellt, die Stadt hat einen Plan, dem sie in ihrer Entwicklung folgt. Wie sieht der aus? Stadtentwicklung konzentriert sich für mich nicht auf die Innenstadt. Insbesondere die Stadtteile sind mir wichtig. Durch das Dorferneuerungsprogramm werden viele kleine Projekte umgesetzt. Das haben wir angestoßen. Ich bin mir sicher, dass die Zeit der großen Leuchtturmprojekte vorbei ist. Die funktionieren nicht, weil sie viel zu lange dauern. Das erzeugt Unmut, weil die Bürgerinnen und Bürger nicht sehen, dass konkret vor Ort was passiert, das ihre Lebensqualität verbessert. Deshalb will ich die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes sehr schnell umsetzen. Weil über Jahre oder Jahrzehnte zu wenig in Bad Oeynhausen passiert ist, müssen wir nun auch die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen, um ihren Wünschen zu entsprechen. Sie müssen aber nicht nur die Bürgerschaft mitnehmen, sondern auch den Rat, der in großen Teilen aus den Mandatsträgern besteht, die seit Jahren oder Jahrzehnten die Entscheidungen treffen. Glauben Sie wirklich, dass diese Kommunalpolitiker ihre eigenen Beschlüsse revidieren werden? Die Politik in Bad Oeynhausen muss schnellere Entscheidungen treffen in einem Umfeld, das sich rasend wandelt. Das heißt auch, keine Besitzstände zu verteidigen, sondern unangenehme Entscheidungen zu treffen. Ratsmitglieder sind gewählt, um – wenn es nötig ist – auch unpopuläre Entscheidungen zu fällen und zu vertreten. Allen muss klar sein, dass die fetten Jahre vorbei sind und wir schauen müssen, was wir uns zukünftig überhaupt noch werden leisten können. Dafür müssen alle Fraktionen ihre Verantwortung übernehmen und bereit sein, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken. In Bad Oeynhausen ist es Tradition, dass die Mitglieder des Rates die Schuld für gescheiterte oder verzögerte Projekte in der Verwaltung suchen. Sie sind nun Chef dieser Verwaltung. Wie reagieren Sie darauf? Auch der Rat ist nicht fehlerfrei und ich wünsche mir, dass der Rat mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Stadtverwaltung hätte. Wir haben auch gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hervorragende Arbeit leisten, die dieses Vertrauen auch rechtfertigen. Dieses Vertrauen könnte auch helfen, die Debattenlängen zu straffen und dafür sorgen, dass der Rat nicht meint, sich immer wieder desselben Themas annehmen zu müssen. In Bad Oeynhausen werden zur Stadtentwicklung unkoordiniert viele Projekte parallel nebeneinander auf die Schienen gestellt. Fehlt der Stadt nicht eine Vision davon, was sie in zehn oder 20 Jahren sein will? Es ist der Gesundheitsstandort und der Tourismus, die im Fokus stehen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass das Leben in den Ortsteilen stattfindet. Da gilt es anzusetzen, um für die Bürgerinnen und Bürger die Lebensqualität zu erhöhen. Wir haben viele Baustellen in Bad Oeynhausen, aber es entsteht auch was. Hinzu kommen die Verkehrsprojekte, die für Unmut sorgen. Aber: Das ist jetzt notwendig, weil wir viele Jahre lang nicht investiert haben – auch nicht in die Infrastruktur. Wir müssen diese Projekte jetzt umsetzen. Denken Sie nur an die Schulen, die wir sanieren und neu bauen. Da würde ich nie sparen, auch nicht an den Kitas oder den Feuerwehrgerätehäusern. Jahr für Jahr bucht die Stadt immer mehr Investitionsmittel ins nächste Haushaltsjahr. Das ist doch ein Indiz dafür, dass die Verwaltung die PS nicht auf die Straße bekommt. Das liegt an den fehlenden Strukturen und personellen Kapazitäten. Das ist der Flaschenhals, durch den das alles durchmuss. Der ist eng und bremst uns aus. Die fünf wichtigsten Projekte auf Ihrer Agenda? Das ist ganz klar der Rückbau der Mindener Straße, der schon seit Jahren in Planung ist. Das wird das Gesicht der Stadt nachhaltig verändern und verbessern. Natürlich arbeiten wir am Krankenhaus, wobei die Entscheidungen dafür in Minden und Düsseldorf getroffen werden. Auch das ist für uns ein ganz wichtiges Projekt, weil es Einfluss auf mehrere Generationen haben wird. Es geht um den Kern des Selbstverständnisses der Stadt als Gesundheitsstandort. Schnell werden wir den Weserradweg und den Bahnhofsvorplatz umsetzten - noch in diesem Jahr. Priorisieren heißt für mich auch umsetzen. Den Stadtverantwortlichen in Rat und Verwaltung eilt der Ruf voraus, sie betrieben Stadtentwicklung nach Fördertöpfen. Ein Vorurteil? Nein, das passiert in der Tat zu häufig. Die Stadt bewirbt sich um fast jeden Fördertopf, der aufgemacht wird. Da trete ich nun auf die Bremse. Wenn wir jedem Fördertopf hinterherhecheln, ist das noch keine Stadtentwicklung. Das darf so nicht mehr sein. Wir müssen gucken, wohin wir wollen. Und jede Fördersumme bedingt auch einen Eigenanteil und den können wir uns nicht mehr in dieser Breite leisten. Ihr Vorgänger Achim Wilmsmeier hat die gesamte Verwaltung umgebaut und angeblich effizientere Strukturen geschaffen. Und nun sagen Sie, die Strukturen passen nicht. Es hat keine Strukturveränderungen gegeben und wenn, dann hat die Politik Doppelstrukturen aufgebaut wie die von Stadtverkehrsgesellschaft bei den Stadtwerken und Infrastrukturmanagement in der Stadtverwaltung. Mein Vorgänger hat sich ausrechnen lassen, dass diese Organisation unter steuerlichen Gesichtspunkten perfekt ist; sie schafft aber durch die immensen Reibungsverluste Kosten, die wir kaum beziffern können. Da hat sich niemand ran gewagt, weil das zäh ist. Da muss die Politik sich der Verantwortung stellen. Auch den Stadtwerken hat man immer mehr Aufgaben zugeschustert, ohne die Struktur anzupassen. Das sind Anfängerfehler der Kommunalpolitik. Und Sie glauben ernsthaft, dass auch der Rat einsehen wird, dass die fetten Jahre vorüber sind? Ich hoffe es. Wie sind in einer sehr schwierigen Situation. Es wird sehr unpopuläre und schwierige Entscheidungen geben müssen. Trifft man die nicht, dann fallen der Kommunalpolitik wieder nur Steuererhöhungen ein. Das darf nicht sein. Nur beim Haushaltsansatz für Energie könnten zusätzliche Millionensummen auf uns zu kommen. Wir können nicht für 20 Millionen Euro ein neues Sielbad bauen, und dann nicht bereit sein, die Lehrschwimmbecken zu schließen. Solche Entscheidungen gehören dazu, wenn man Politik verantwortlich betreiben will. Wir können uns nicht ständig im Kreis drehen und getroffene Entscheidungen relativieren, wenn sie unbequem werden. Das erinnert mich an die Debatte um das Sielbad, dessen Bau beschlossen wurde und dann helle Aufregung herrschte, als die Bagger anrückten und manifest wurde, dass dafür Bäume gefällt werden müssen. So geht das nicht.

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