Drei Winterstürme in Folge: Dachdecker in Bad Oeynhausen führen Wartelisten

Bad Oeynhausen. Das Telefon klingelt, während Friedrich Wilhelm Stein noch am anderen Apparat davon erzählt, dass sein Telefon ständig klingelt. Der Dachdeckermeister mit dem Werbespruch "Regnet's rein, ruf den Stein!" ist zur Zeit vor allem Telefonist. Nach den drei Winterstürmen Ylenia, Zeynep und Antonia hat der Familienbetrieb alle Hände voll damit zu tun, die zahlreichen Schadensmeldungen aus der ganzen Stadt aufzunehmen - und die Einsätze seiner angestellten Dachdecker zu koordinieren. "Hier brennt die Bude", sagt Stein. Genauso geht es seinen Kollegen in der Kurstadt. Die Dachdecker führen derzeit Wartelisten für den Notfalleinsatz. Das ist bei Stein nicht anders als bei Ralf Barthel oder Harun Yilmaz-Hönerhoff. Alle drei können sich vor Aufträgen kaum retten. Manche Kunden rufen dreimal an und wenn die Dachdecker dann aufbrechen, treffen sie auf einmal die Kollegen vom Mitbewerber. Der Sturm sorgt ausgerechnet in einer Phase des Baubooms für zusätzliche Arbeit. Die drei Sturmtiefs sind ein Booster fürs Handwerk, den der eigentlich nicht bräuchte. "Wir haben keine Langeweile geschoben", sagt Ralf Barthel: "Das kommt jetzt obendrauf." Ganz nach vorn auf der Notfall-Warteliste kommen die Kunden mit dem größten Sturmschaden. Das ist aber nicht unbedingt das größte Loch im Dach. In Bad Oeynhausen sind die Schäden glücklicherweise eher kleiner ausgefallen, dafür aber zahlreich. Auch bei der LVM-Versicherung stand das Telefon am Montag nicht still, etwas über 100 Meldungen bearbeitet Dirk Reineke. Die ganz großen Schäden sind aber offenbar ausgeblieben. Das ist auch der Eindruck von Thorsten Brante von der Provinzial-Versicherung: "Viele hatten noch nicht alle Pfannen wieder auf dem Dach, da hat der Wind sich die schon wieder gepackt." Kaputter Dachfirst muss warten Etwa 250 Schadensmeldungen hat der Geschäftsführer der Bad Oeynhausener Provinzial-Niederlassung bis Sonntag erfasst. "Das meiste sind kaputte Dachpfannen, Schäden durch Bäume, Zäune und kaputte Fenster", sagt Brante. Die Anzahl kann mit Sturmtiefs wie Friederike oder Kyrill mithalten. Eine Schadenssumme für die ganze Stadt aber kann Brante noch nicht absehen. "Das wäre Glaskugellesen." Die Schäden an kommunalen Gebäuden sind noch gar nicht erfasst. Der größte in Bad Oeynhausen wäre vermutlich die kaputte Lichtkuppel an der Realschule Nord. Aus Sicht der Dachdecker ist Dachschaden nicht gleich Dachschaden. Ein kaputter First muss erst mal warten. "Das ist nicht so tragisch", erklärt Zimmerermeister und Dachdeckermeister Harun Yilmaz-Hönerhoff von der Firma Profloc Bedachungen. Durch den Spalt ganz oben regnet es nur ein bisschen rein. Was anderes sind kaputte Pfannen mitten im Dach, durch die das ganze Regenwasser, auch das von weiter oben, in Richtung Dachrinne fließt. Wenn da ein Ziegel fehlt, kann Wasser schnell ins Haus eindringen. Welcher Schaden wie dringend behoben werden muss, weiß der Dachdecker aber erst, wenn er draufgeschaut hat. Und das macht zum Beispiel Tim Stein. Der 21-jährige Dachdecker ist der jüngste Spross und vierte Generation des Familienbetriebs. An diesem Montagmorgen ist er mit seinem Kollegen und Freund Leon Distelmeier im Sturmeinsatz unterwegs in Werste. Auf dem Laufzettel der beiden stehen am Mittag drei Termine: Pfarrhaus, Mietshaus, Bauernhof. Die ersten beiden Einsätze sind schnell erledigt. Auch beim Bauernhof ist auf den ersten Blick nicht viel kaputt, allerdings klaffen Lücken auf gleich drei verschiedenen Dächern auf dem Hof. Tim Stein schaut sich die Schäden an und klingelt bei der Eigentümerin. Bei dem jüngsten Hausdach fehlen bloß ein paar Ziegel an der Seite. Das lassen sie erst mal unbearbeitet. In den nächsten Tagen wollen sie mit einem Steigerwagen wiederkommen, erklärt Stein der Eigentümerin. Das Loch auf dem Dach des Haupthauses ist dagegen deutlich größer, das reparieren sie sofort. Elf Ziegel liegen am Boden, fünf davon sind kaputt. Und jetzt? "Mal schauen", sagt Stein. Der Betrieb hat im Lauf der Jahre ein kleines Notlager für Dachziegel aufgebaut. Die Fahrt dahin, können sie die beiden aber sparen. Die Eigentümerin erzählt, ihr Mann habe noch einige Ziegel auf dem Dachboden gebunkert. Für den Fall der Fälle. "Arbeit für Monate" Während Stein die Reserve-Ziegel holt, macht sich Distelmeier an die Reparatur. Die Lücke im Dach halb so groß wie der Dachdecker, aber in Windeseile kleiner geworden. Zweimal läuft Distelmeier die Leiter rauf, dann liegen sechs alte Ziegel wieder da, wo sie liegen sollen. Leider stellt sich jedoch heraus, dass die Reserve-Ziegel nicht passen. Sie sind etwas schmaler als die alten Ziegel. Das bedeutet Puzzlearbeit. Tim Stein verteilt die Lücke auf dem Dach und muss dafür mehrere Meter Ziegel neu sortieren, während der Wind immer wieder neuen Regen ins Gesicht peitscht. Stein macht das nichts aus. Sagt er. Aber er ist auch gut erholt. Noch am Samstag war der 21-Jährige im Urlaub in Österreich. Skifahren. Die ersten Sturmeinsätze nach Ylenia und Zeynep hat er also verpasst. "Da war ich allein unterwegs", sagt Leon Distelmeier. Die Arbeit, so viel ist klar, wird den Dachdeckern aber so schnell nicht ausgehen. Dachdeckermeister Ralf Barthel erzählt in einer Atempause am Telefon, dass er allein am Montag 163 Schadensmeldungen auf sechs Din-A4-Seiten aufgeschrieben hat: "Wir haben Arbeit für Monate."

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