Gewaltfantasien gegen Bürgermeister: Ermittlungen in Querdenker-Szene

Bad Oeynhausen. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt nach Angaben von Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) wegen der Gewaltfantasien in Telegram-Chatgruppen der sogenannten Quer- und Freidenkerszene "Freie Nordrhein-Westfalen". Das geht aus einer Antwort des Ministers an den Innenausschuss des Landtages hervor. Ein bisher unbekannter Chat-Teilnehmer hat am ersten Weihnachtstag unter einem Zeitungsausschnitt der NW mit Bezug auf Bürgermeister Lars Bökenkröger (CDU) geschrieben: "Auf Hochverrat droht der Strick". Der Bürgermeister hatte nach wiederholten Wander-Demos von Coronakritikern in Bad Oeynhausen zur Coronaschutzimpfung aufgerufen. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob die Äußerung in der Telegram-Chatgruppe als öffentliche Aufforderung zu Straftaten gewertet werden muss. "Die Ermittlungen zum Tatverdächtigen dauern an", schreibt Reul in seinem neunseitigen Bericht über die "Gefährdungslage durch das Spektrum der Gegner von Corona-Schutzmaßnahmen" an den Innenausschuss. Die Landtagsfraktion der Grünen hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. "Fortlaufendes Monitoring" Darin bestätigt Reul, dass der Staatsschutz der Polizei Bielefeld "in öffentlich zugänglichen, relevanten Medien und Social-Media-Kanälen" ein "fortlaufendes Monitoring" betreibt. Der Schwerpunkt liege derzeit bei coronaskeptischen Inhalten, insbesondere der Ankündigung von Versammlungen, Radikalisierungserkenntnissen und Bedrohungssachverhalten. Wegen der "unübersichtlichen Vielzahl" von Chatgruppen und "der Masse an Einzelbeiträgen" sei "eine lückenlose Erkenntnisgewinnung" jedoch unmöglich. Auf eine Anfrage der NW im Januar erklärte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Bielefeld, dass die Gewaltfantasien mit Bezug auf den Bürgermeister dem Staatsschutz nicht bekannt und womöglich bereits gelöscht worden seien. Inzwischen haben die Beamten jedoch offensichtlich die Hass-Kommentare in der Telegram-Chatgruppe gefunden und 31 Kommentare unter dem dort geposteten Zeitungsausschnitt gezählt. Direkt unter der Impfaufforderung hat ein Telegram-Nutzer einen Sensenmann gepostet, der an eine Tür klopft. Bürgermeister Lars Bökenkröger zeigte sich am Mittwochabend überrascht von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. "Ich selbst habe keine Anzeige erstattet", sagte Bökenkröger, "weil ich nach vorsichtiger Einschätzung nicht davon ausgegangen bin, dass die Sache Aussicht auf Erfolg hat." Dass die Ermittlungsbehörden sich nun selbst der Sache annehmen, findet der Bürgermeister aber "gut und richtig". Er begrüße es, wenn eine Möglichkeit gefunden werde, dieser Hass-Kommentare Herr zu werden und ihnen "mit aller Härte des Gesetzes" nachzugehen. Aggressive Stimmung Laut Polizeibericht über den letzten Lichterspaziergang der Coronakritiker-Szene am Montag in Bad Oeynhausen war die Stimmung unter den Teilnehmern der nicht angemeldeten Demonstration aggressiver als bisher. Vier Frauen widersetzten sich Polizeibeamten, als die ihre Personalien feststellen wollten. Eine musste mit zur Wache. "Wenn das so ist, ist das keine gute Entwicklung. Das besorgt mich", sagte Bökenkröger. Wie auch in anderen Städten steige die Zahl der Neuinfizierten derzeit weiter an, zugleich erhöhe sich der Druck auf Menschen, die bisher ungeimpft sind. "Eine Folge kann sein, dass die Aggressivität steigt", sagte Bökenkröger: "Die Nerven liegen blank." In Bad Oeynhausen finden mittlerweile an drei Wochentagen Lichterspaziergänge statt. Polizei und Ordnungsamt sind dabei regelmäßig im Einsatz und stellen immer wieder Verstöße gegen die Coronaschutzregeln fest und schreiben Anzeigen. Bökenkröger hält jedoch nichts davon, die nicht angemeldeten Wander-Demonstrationen mit Blick auf steigende Infektionsgefahr zu untersagen und aufzulösen. Abgesehen vom vergangenen Montag liefen nur wenige Coronakritiker durch die Stadt, auch wenn darunter womöglich ein harter Kern von Verschwörungstheoretikern sei: "Muss man das wegen 17 Lichterspaziergängern auflösen?", fragte Bökenkröger und argumentierte, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung dagegen schwerer wiege.

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