Bad Oeynhausen Anwohner irritiert über Bagger im Naturschutzgebiet

Bad Oeynhausen. Wüst sieht es aus. Dicke Rillen im Boden, hochgeschichtete Haufen mit ganzen Bäumen und kaum noch Grün. Drei Tage war ein Bagger im Auftrag des Nabu-Kreisverbandes Minden-Lübbecke und der unteren Naturschutzbehörde des Kreises in der ehemaligen Tongrube "Fuchsloch" am Wiehengebirge im Einsatz. Nun ist die Entbuschungsaktion beendet - und die Anwohner sind entsetzt. "Wenn das Naturschutz ist, dann habe ich bisher alles falsch verstanden", sagt Petra Boberg-Soldato Kopf schüttelnd. Denn von der einstigen grünen Aue sei nichts mehr übrig. Stattdessen Schlamm, Lehm und Mergel. Das aber, so sagt Naturschutzwart Erwin Mattegiet, Mitglied im Nabu (Naturschutzbund Deutschland), habe alles seine Richtigkeit: "Diese Aktion war längst überfällig." Das etwa vier Hektar große Feuchtgebiet am Südhang des Wiehengebirges in Dehme ist das größte Amphibienlaichgebiet in Bad Oeynhausen. Die Fläche ist im Besitz des Nabu und wurde vor zirka zehn Jahren von der Naturschutzbehörde des Kreises zum Naturschutzgebiet erklärt. Seitdem ist die Behörde auch für Pflegemaßnahmen zuständig. "Diese sollten schon im letzten Herbst stattfinden, mussten aber witterungsbedingt verschoben werden", erklärt Mattegiet. Von Montag bis Mittwoch war nun Baggerfahrer Michael Rojahn von der Firma Stohlmann vor Ort mit dem Bagger im Einsatz. Mattegiet: "Die extremen Dürresommer hatten die Laichgewässer austrocknen lassen. Noch schlimmer war die Verbuschung durch den Wildwuchs von Erlen, Weiden, Birken und anderen Gehölzen, die dem Biotop viel Wasser entzogen haben. Die Aufgabe vom Baggerführer war es, die Gehölze samt Wurzelwerk mit seinem 23 Tonnen Caterpiller aus dem Boden zu reißen." "Hier ist alles platt" Und das ist aus Sicht der Anwohner mehr als gelungen. "Hier ist alles platt", sagt Florian Reitmeier und zeigt in die Runde. "Und im hinteren Bereich reißt es schon, da ist gar kein Halt mehr drin." Es sei nur eine Frage der Zeit, wann das vom nächsten Starkregen weggespült werde. "Beim Pfingsthochwasser ist das Wasser von hier oben durchs Mühlensiek geschossen. Da war es nur Wasser. Dieses Mal wäre es Schlamm." Seit Jahren kennen und lieben die Anwohner ihr "Fuchsloch". Sind damit groß geworden. Und erklären dem Nachwuchs dort auch gern mal die Natur. Das Betreten aber ist verboten. Und so wurden die Kinder einmal mittels Polizei im Auftrag des Nabu dort hinausgeleitet. "Weil sie mit ihren Füßen wertvolle Insekten kaputt machen, lautete die Begründung", wie sich Fritz Reitmeier erinnert. "Zu Fuß darf hier niemand rein - aber ein Bagger schon? Wie passt das zusammen?", fragen sich die Nachbarn. Aber nicht nur die Regensituation bereitet den Anwohnern Sorge, auch das Naturschutzgebiet selbst ist aus ihrer Sicht zerstört. "Vor gut fünf Jahren gab es schon einmal eine solche Aktion. Danach hat es Jahre gedauert, bis wieder Frösche, Eidechsen und Molche dagewesen sind", erinnert sich Dagmar Prüßmeier. "Erst in den letzten zwei Sommern waren mal wieder Frösche zu hören." Die anspruchslosen Wildblumen, das Moos, der grüne Teppich hinein ins Naturschutzgebiet - alles weg. "Der Blütenteppich war wunderschön", erinnert sich auch Tobias Varlemann. Der lässt sich derzeit allerdings nur erahnen - ein kleiner Kamillenbusch steht noch. "Das hat doch mit Naturschutz nichts zu tun, wenn der Bagger alles platt macht", urteilt Petra Boberg-Soldato. "Vielleicht gibt es ja ein tolles Konzept - aber das hat niemand kommuniziert", ergänzt Florian Reitmeier. Für ihn als Imker sei es jedes Jahr eine Wonne gewesen, reinzuhorchen - alles habe gesummt. "Als Laie würde ich sagen, das war hier einigermaßen intakt." Derzeit kaum vorstellbar. "Das war wirklich echt schön hier", bekräftigt Tobias Varlemann. "War. Jetzt ist es eher eine Nachbildung von Helgoland im Krieg." Nur Absägen bringt nichts "Durch das Entfernen der Büsche bleibt die offene Tongrubenlandschaft erhalten - sie bietet einen wichtigen Sekundärlebensraum für Amphibien, die ein solches Lebensumfeld benötigen, und für viele weitere Arten, die dort leben", erklärt Kreissprecherin Sabine Ohnesorge auf NW-Anfrage. Daher sei es wichtig, dass das Gebiet regelmäßig und vor allem fachgerecht gepflegt werde, um den notwendigen Lebensraum zu bieten. "Solche Arbeiten können schlicht nicht mehr in Handarbeit ausgeführt werden, so dass auch Bagger eingesetzt werden müssen." Von dieser kurzfristigen Beeinträchtigung, so die Kreissprecherin, erhole sich das Umfeld erfahrungsgemäß aber schnell. Auch Erwin Mattegiet beruhigt. Früher seien durch Mitglieder des Nabu oder durch Ehrenamtliche der AG Natur die Bäume und Sträucher über dem Erdboden abgesägt worden. "Was im Folgejahr zum erneuten Austrieb der Wurzeln führte", erklärt er. Diese Wurzeln aber hätten zu viel Wasser aus dem Biotop gezogen. "Die Biotope waren verbuscht und hatten kaum noch Wasser. Deshalb mussten auch die Wurzeln raus." Und auch die aufgeschichteten Haufen hätten ihre Richtigkeit. "Das Grün bleibt liegen, um den Tieren Unterschlupf zu bieten." Ein Argument, dass die Anwohner bereits von der letzten Aktion kennen. "Welche Tiere?", fragt Linda Reitmeier. "Hier ist doch alles platt." Der Nabu aber hat die Hoffnung, dass sich die Natur im "Fuchsloch" so besser erholt. "Früher gab es hier laute Froschkonzerte - das ist längst vorbei", weiß auch Erwin Mattegiet, der das "Fuchsloch" von Anfang an begleitet hat und die dreitägige Aktion zusammen mit Peter Hofschild vom Kreis, dem Vorsitzenden der AG Natur, Werner Trettin, und Josef Brinker vom städtischen Grünflächenamt begleitet hat. "Wir haben neue kleine Teiche gebuddelt und die vorhandenen Kleingewässer vergrößern lassen - und hoffen nun, dass sich die Amphibienwelt erholt", sagt er. Denn das Wiehengebirge dringe vor und erobere Stück für Stück die alte Tongrube. "Dann ist das hier kein Biotop mehr", warnt Mattegiet. Mit dieser Aktion aber könne sieben bis zehn Jahre Ruhe einkehren ins Naturschutzgebiet. "Auch wenn es wirklich heftig dort aussieht."

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