Bad Oeynhausener stiehlt Rentner (75) Ersparnisse aus Bankschließfach

Bad Oeynhausen. Die Atemschutzmaske hat sich hinterm Ohr verheddert. Zeugen dürfen vor Gericht ihre Masken absetzen. "Dann versteht man Sie besser", sagt der Richter aufmunternd zu dem 75 Jahre alten Zeugen. Doch als der an seiner Maske zieht, rutscht die Brille weg. Viel schlimmer aber ist: Auch sein Hörgerät purzelt herunter. Das macht die Verständigung nicht leichter. Der Zeuge rückt mit seinem Stuhl ganz dicht an den Richtertisch. Aus Sicht des ehemaligen Gastarbeiters, der aus Italien nach Deutschland gekommen ist und jetzt als Rentner allein in Vlotho lebt, ist eigentlich alles klar: Der Mann auf der Anklagebank hat ihm sein gesamtes Erspartes gestohlen. Es geht um 19.800 Euro aus dem Bankschließfach. Das Geld war für den Pflegefall gedacht. Und für seine Beerdigung. "Jetzt ist alles weg!" Der alte Mann zeigt auf den Angeklagten und trommelt mit den Fäusten auf den Zeugentisch. Dann kullern Tränen. Der Dieb sitzt nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Bielefeld auf der Anklagebank. Es ist ein 42-jähriger Familienvater aus Bad Oeynhausen. Auch er ist nach Deutschland eingewandert, aus Rumänien. 2013 hat sich der Mann mit seiner Frau in der Kurstadt niedergelassen. Die beiden haben drei Kinder und bezahlen einen Bankkredit ab. "Wir arbeiten hart", sagt der Angeklagte und zählt auf, was er und seine Frau alles tun, um die Familie zu ernähren. "Warum sollte ich einen alten Mann bestehlen?" Geld vor der Polizei versteckt? Der Angeklagte ist ohne Rechtsanwalt gekommen, "weil ich unschuldig bin", sagt er. Das Geld, erklärt er, habe er tatsächlich aus dem Schließfach genommen, doch im festen Glauben daran, dass das im Sinne des 75-jährigen Rentners war. "Das ist kein Diebstahl", sagt er. Die beiden hätten lange vorher darüber gesprochen. Der alte Herr sei mit seiner Mutter in Italien zusammen gewesen. Er habe jedoch keine Nachkommen und ihn "wie seinen Sohn" behandelt, deshalb habe er auch eine Vollmacht für das Bankschließfach bekommen. Dann jedoch bietet der Angeklagte zwei verschiedene Erklärungen dafür an, warum er das Geld aus dem Tresor genommen hat. Und beide passen nicht zusammen. Erst erzählt der 42-Jährige, der Rentner habe das Geld vor der italienischen Polizei in Deutschland versteckt und ihm geschenkt. "Ich konnte damit machen, was ich wollte." Im Gegenzug habe er dem Vlothoer ein Zimmer mit Bad im neuen Haus in Bad Oeynhausen eingerichtet, den Rest habe er ausgegeben. Die zweite Erklärung jedoch kommt der Darstellung des Rentners schon deutlich näher: Die Vollmacht für das Bankschließfach habe er bekommen, damit er darauf zugreifen kann, "wenn ihm etwas passiert". Das Geld sollte nicht an den Staat fallen. Die Staatsanwältin hält ihm später genau diesen Satz vor. Der Zeuge sei "quicklebendig" und das Geld trotzdem weg. Warum hätte der 75-Jährige sein gesamtes Vermögen dem Angeklagten schenken sollen? "Das macht überhaupt keinen Sinn!" Bank protokolliert Zugriffe Die Sparkasse protokollierte die Zugriffe auf das Bankschließfach. Demnach hat der Angeklagte am 30. April um 9.04 Uhr das Schließfach geöffnet. Der 75-Jährige war jedoch erst im Juli wieder selbst in der Bank. Einen Tag später erstattete er Anzeige bei der Polizei. Der Richter hat ihn über seine deutsche Meldeadresse als Zeuge geladen. Das passt nicht zu der Geschichte, die der Angeklagte erzählt. Der Zeuge ist offensichtlich kein Rentner, der Geld vor der Polizei versteckt. Allerdings sucht der Mann Hilfe bei einem Freund, den er seit 40 Jahren kennt. Auch der hat einen Migrationshintergrund. Die beiden alten Bekannten laden den Rumänen also zu einem Abend zu dritt ein und konfrontieren den 42-jährigen Familienvater mit ihrem Verdacht. Vor Gericht erzählt der Angeklagte von dem Abend und behauptet, der Bekannte habe ihn mit einem Messer bedroht und das Gespräch aufgezeichnet. Der Bekannte widerspricht. Die Aufzeichnung streitet er jedoch nicht ab. Die Polizei hat ein Wortprotokoll davon verschriftlicht. Es sind nur Wortfetzen. Das vermeintliche Geständnis ist unbrauchbar. Trotzdem ist der Strafrichter von der Schuld des Angeklagten überzeugt. "Die Darstellung mit der Polizei ist eine wilde Geschichte", sagt der Richter und verurteilt den Familienvater wegen Diebstahls zu acht Monaten Haft, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. Der nicht vorbestrafte Bad Oeynhausener muss die 19.800 Euro zurückgeben. Und außerdem 2.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

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