Urteil nach Angriff mit Schneeschaufel auf Polizisten

Bad Oeynhausen. Das Video der Überwachungskameras ist etwa eine halbe Stunde lang. Es zeigt die Szene im Tiefschnee an der Mindener Straße aus mehreren Perspektiven. Der Film ist zwar ohne Ton, doch das Gericht hat sich die Bilder vom Angeklagten erklären lassen. Auch ohne seinen Kommentar ist zu sehen, wie ein kleiner Mann an der Mindener Straße zunächst friedlich Schnee schippt, dann aber wie von der Tarantel gestochen die Schaufel drohend gegen zwei Polizisten erhebt und über seinem Kopf herum wedelt. Die Polizeibeamten, ein Mann und eine Frau, stehen ein gutes Stück entfernt. Trotzdem ist klar: Die Schaufel hat ihre Wirkung nicht verfehlt, weil die Polizisten zurückweichen. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat den 51-jährigen Geschäftsmann aus Bad Oeynhausen wegen Beleidigung, tätlichem Angriff und Widerstand gegen Polizeibeamte angeklagt. In der Fortsetzung des Strafprozesses vorm Amtsgericht beharrte der Angeklagte jedoch auf seiner Unschuld. Der Polizist habe ihm, wie auf den Bildern ebenfalls zu sehen ist, die Brille vom Kopf gewischt. Er habe sich jedoch nichts vorzuwerfen, erklärte der Geschäftsmann, wiederholte das in Variationen und steigerte sich geradezu in eine Wutrede hinein, bei er sich auch vom Richter nicht stören lassen wollte. Erst als der Richter den Prozess unterbrach, um einen Ordnungsgeldbeschluss zu verfassen, zügelte der Angeklagte sein Temperament. Der Angriff mit der Schneeschaufel war zudem nicht die einzige Anklage gegen den 51-jährigen Geschäftsmann. Er soll sich bereits im August 2020 bei einem Verkehrsunfall in die Arbeit der Polizei eingemischt haben. Auch hier eskalierte die Sache. Ein Polizist soll halb durchs Seitenfenster des Geländewagens gekrochen sein, um den Angeklagten am Wegfahren zu hindern. Der Polizeibeamte erschien jedoch am Mittwoch nicht als Zeuge. Die Staatsanwältin regte deshalb ein Ordnungsgeld gegen den Polizisten an. Der Richter verzichtete jedoch vorerst darauf, den Angeklagten und den Zeugen zu maßregeln. Stattdessen stellte das Gericht dieses Teilverfahren mit Blick auf das zu erwartende Urteil über den Schneeschaufelangriff vorläufig ein. Video ist Teilgeständnis Die Staatsanwältin wertete das Video der Überwachungskamera als Teilgeständnis des Angeklagten. Der Angeklagte habe keine Vorstrafen und die Beamten seien nicht verletzt worden. Allerdings sei der Angeklagte aggressiv aufgetreten und habe eine Situation heraufbeschworen, die gar nicht nötig gewesen sei. Der Geschäftsmann stand schließlich in Handschellen gefesselt auf seinem eigenen Hof. Allein das Wegschieben der Polizeibeamtin vom Hof stelle schon einen tätlichen Angriff dar, so die Staatsanwältin. Das Wedeln mit der Schneeschaufel sei Widerstand. Sie forderte acht Monate Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten sowie eine Geldauflage von 10.000 Euro. Der Verteidiger forderte, das Verhalten seines Mandanten nicht überzubewerten, zugleich aber das Verhalten der Polizisten zu bewerten. Er plädierte für eine Geldstrafe wegen Beleidigung. "Es ist alles ein Zusammenspiel", sagte der Rechtsanwalt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beamten trotz des "sehr lebhaften Temperaments" des Angeklagten nicht deeskaliert hätten. Einen Angriff könne er nicht erkennen. Die Polizisten seien auch nicht in einer Diensthandlung unterbrochen worden, weshalb es keinen Widerstand gegen Polizisten gegeben habe. Der Angeklagte habe zwar mit der Schneeschaufel gewedelt. Die Polizisten seien dabei aber weit weg gewesen. Angst habe eigentlich sein Mandant haben müssen. Das habe der Zeugenauftritt des Polizisten vor Gericht deutlich gemacht, als er die Jacke ausgezogen und seinen muskulösen Oberkörper gezeigt habe. Ein gefährliches Werkzeug Der Strafrichter hatte jedoch keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten und verurteilte den Geschäftsmann zu zehn Monaten Haft, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Angeklagte muss außerdem 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Die Schaufel, so der Richter, sei in dieser Situation ein gefährliches Werkzeug gewesen. Die Polizisten hätten nur zwei Schritte auf dem Hof des Angeklagten gestanden, deswegen fange man keinen Streit mit der Polizei an. Der Richter rügte zudem sein "fehlendes Unrechtsbewusstsein". Polizisten müssten sich abfällige Äußerungen nicht gefallen lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger kündigte bereits im Gerichtssaal Widerspruch an.

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