Wenn der Hochwasserschutz an Grenzen stößt

Bad Oeynhausen. Vor seiner Haustür schwamm ein Polizeiwagen vorbei. Das in den Keller eingedrungene Niederschlagswasser drückte den Heizöltank unter die Kellerdecke. Die Erinnerung an das Pfingsthochwasser von 1997 ist Wilhelm Flottmann kaum verblasst. Nach den Aufräumarbeiten damals hat der Rehmer angefangen, für einen besseren Hochwasserschutz am Borstenbach zu kämpfen. Und ist seitdem auf viel Entgegenkommen seitens der Stadt und des Kreises getroffen, aber auch auf uneinsichtige Grundstückseigentümer und die Grenzen der gesetzlichen Möglichkeiten. Das Beispiel zeigt auch, dass Hochwasserschutz eine sehr langwierige Angelegenheit ist. Heute - 24 Jahre nach dem Pfingsthochwasser und zahlreiche Starkregenereignisse später - sagt Flottmann: "Wir haben hier viel erreicht. Der Borstenbach kann heute fast die Wassermassen eines "hundertjährigen Hochwassers" bewältigen." Für ein noch besseres Ergebnis fehlt unter anderem ein 38 Quadratmeter großes Teilstück, das wie ein störender Keil in der Retentionsfläche für den Borstenbach zwischen der Hüffe und der Königstraße wirkt. Doch Wilhelm Flottmann hat gemeinsam mit dem städtischen Gewässerexperten Eckhard Nolting und dem Kreisumweltamt eine alternative Lösung gefunden, die dem Borstenbach mehr Raum und damit mehr Zeit gibt, um geordnet abzufließen, ohne Schäden anzurichten oder gar zur Gefahr zu werden. 1997 hatte der Borstenbach einen Teil der Weserstraße weggerissen Zum Zeitpunkt des 97er Pfingsthochwassers war der Borstenbach bereits mit der Wassermenge eines 25-jährigen Hochwassers überfordert. Also einem Ereignis, das statistisch gesehen nur alle 25 Jahre vorkommt. Aber eben nur rein statistisch. Denn in der Realität häufen sich seit mehr als 20 Jahren die Starkregenereignisse - mit Niederschlagsmengen von mehr als 50 Litern pro Quadratmeter. Tendenz weiter steigend. Grund ist der menschengemachte Klimawandel. 1997 hatten die Wassermassen aus dem Borstenbach einen Teil der Weserstraße weggerissen. Innerhalb kürzester Zeit fielen 130 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Der Starkregen hinterließ eine Schneise der Verwüstung in der Stadt. Vor allem der stark eingeengte und an vielen Stellen verrohrte und überbaute Borstenbach konnte die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. Das Wasser lief bis in den Rehmer Ortskern "Damals war das Bett des Borstenbachs eingepfercht und nur 80 bis 100 Zentimeter breit, heute hat der Bach hier eine Ausdehnungsbreite von bis zu acht Metern", erklärt Wilfried Flottmann. Der Bach war keilförmig ausgeschachtet und hatte keinen Platz sich schadlos auszuweiten. An Engpässen wie Unterführungen staute sich das Wasser bei Starkregen rasch und suchte sich seinen eigenen Weg - auf Grundstücke, in Garagen und Keller, auf die Königstraße. "Von hier aus lief das Wasser die Königstraße runter bis zur Unterführung Hermann-Löns-Straße bis in den Rehmer Ortskern", schildert Flottmann den Verlauf. Das Pfingsthochwasser war in Bad Oeynhausen der Auslöser, beim lokalen Hochwasserschutz nicht nur die Werre und die Weser ins Visier zu nehmen, sondern auch die zuführenden Bachsysteme von Borstenbach, Kaarbach, Wulferdingsener Bach, Hambkebach, Osterbach. Zudem schreibt die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die im Jahr 2000 in Kraft trat, vor, Fließgewässer zu renaturieren. In Folge der EU-Richtlinie entstand das Weser-Werre-Else-Projekt. Gerichtsurteil ist nur zum Teil umgesetzt 2002 begannen die ersten Maßnahmen. Allein am 7,8 Kilometer langen Borstenbach, der im Bonneberg (Vlotho) entspringt und über Oberbecksen und Rehme in die Weser fließt, waren es bisher 20 Renaturierungs- und Umbaumaßnahmen. Mit seiner Bilanz setzt Wilhelm Flottmann nach heftigen Niederschlägen im Jahr 2013 an, die wieder für Überschwemmungen sorgten. "Es ist viel geschehen im Verlauf des Borstenbachs", sagt Wilhelm Flottmann, "was fehlt, ist an entscheidenden Stellen die Aufweitung der Uferrandstreifen und da sind der Stadt, dem Kreis und auch der Politik die Hände gebunden." Zwar gebe es ein Verwaltungsgerichtsurteil, das die entsprechenden Randstreifen vom Unrat zu befreien sind, doch sei dies bis heute nur unvollständig geschehen. Warum die Maßnahmen immer noch nicht ausreichten, zeigte ein Starkregen im Juni 2016. "Wieder war die Straße überschwemmt, Keller liefen voll", berichtet Flottmann. Flottmann suchte gemeinsam mit Eckhard Nolting nach einer Lösung. Der westliche Uferbereich entlang seines Grundstücks wurde aufgeweitet und ein Stück des Gartens wurde zur Flutmulde. Außerdem wurde der Gehweg an der Königstraße abgesenkt, damit das Wasser abfließen kann und eine Mulde begradigt. Für weitere Problemzonen - etwa eine Betonwand am Bach vor der Unterführung Königstraße - gibt es noch keine Lösung. Auch der Strömungslenker südlich des Keilstücks stört nach wie vor, denn der lenkt das Niederschlagswasser bei extremen Verhältnissen in Richtung der Mehrfamilienhäuser, die Königstraße hinunter die zur Bahnunterführung. Unterm Strich ist Wilhelm Flottmann dennoch mehr als zufrieden. Denn: "Früher hatten wir ein paar Mal im Jahr das Wasser auf dem Grundstück stehen. Vor den meisten Ereignissen sind wir nun geschützt."

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