Überraschung in Nazi-Zeitkapsel: Das war mit dem Hitlerjugendheim geplant

Bad Oeynhausen. Das Hitlerjugendheim war offenbar deutlich größer geplant als es gebaut wurde. Das geht aus einem Entwurf des Bad Oeynhausener Architekten Ernst Spilker hervor, dessen Plan Stadtarchivarin Stefanie Hillebrand am Dienstag aus einer Zeitkapsel geborgen hat. Im Beisein von Bürgermeister Lars Bökenkröger zersägte Hausmeister Steffen Beyer die Kupferröhre. Die Zeichnung befand sich im Innern der Metallröhre, die nach der Grundsteinlegung ins Gebäude eingemauert wurde und 83 Jahre später von einem Abrissarbeiter entdeckt wurde. Die Bauträger-Zeichnung ist mit "Heim der Hitlerjugend in Bad Oeynhausen" überschrieben und zeigt einen kasernenartigen Gebäudekomplex, der sich von der Eidinghausener Straße bis zum heutigen Stadion erstreckt. Gebaut worden ist dann aber nur eine Gebäude-Ecke. "Eine Erziehungsstätte der Jugend" Eigentlich hat die Stadtarchivarin damit gerechnet, dass zwei Urkunden aus der Zeitkapsel purzeln, deren Inhalt längst bekannt ist, weil Fotos davon im Stadtarchiv lagern. Diese Erwartung wurde auch nicht enttäuscht. Die Urkunden bestehen aus festem Pergament und sind mit schwarzen und roten Buchstaben bedruckt. Die Bad Oeynhausener Nazis um Bürgermeister Rudolf Stoßberg und den NSDAP-Ortsgruppenführer und Beigeordneten Adolf Bürhaus erläutern darin ihrer Nachwelt ausführlich Sinn und Zweck des Hitlerjugendheims: "Erfüllt vom Glauben an ein neues Jahrtausend deutscher Geschichte", ist dort zu lesen, "wurde dieser Bau von der Stadt Bad Oeynhausen erstellt als eine Erziehungsstätte der Jugend in nationalsozialistischer Weltanschauung, echter Kameradschaft und wahrer Volksgemeinschaft." "Ein bombastisches Gebäude" Die zweite Urkunde listet "im sechsten Jahre der nationalsozialistischen Regierung" die am Bau beteiligten Handwerker und ihre Wünsche auf: "Wir wollen mit Liebe arbeiten an einem Werk, das einmal Zeugnis ablegen soll von einer großen Zeit in einem geeinigten Reich unter einem Führer", steht in der Urkunde. Das dritte Pergament ist mit einem Zitat von Adolf Hitler über die Hitlerjugend beschriftet. Außerdem steckten zwei Bauzeichnungen in der Röhre. Eine Südansicht und ein Grundriss. "Das ist eine Überraschung", sagte Stefanie Hillebrand und bezeichnet den Architekten-Entwurf als "bombastisches Gebäude". Die Zeichnung stammt vom 26. August 1937 und ist nach der öffentlichen Feier zur Grundsteinlegung am Sonntag, 12. Juni 1938, im Beisein von 287 HJ-Angehörigen und den örtlichen Nazi-Größen in die Zeitkapsel versenkt und später in den Grundstein eingemauert worden. Der Grundstein mit der Jahreszahl 1938 befand sich außen im Erdgeschoss. Halle geplant Der Grundriss zeigt einen eingeschossigen, länglichen Bau mit zahlreichen Zimmern, Umkleiden, Waschräumen, einer integrierten Turnhalle und getrennten Räumen für die Hitlerjugend (HJ) und den Bund Deutscher Mädel (BDM). Neben dem Stadion sind eine Hausmeisterwohnung samt Aufenthaltsräumen für Wettkämpfer eingezeichnet. Ungefähr auf Höhe des heutigen Stadioneingangs war eine größere Halle geplant, die im Entwurf als "Feierstätte" bezeichnet wird. Auf der anderen Seite der Stadion-Zufahrt war ein "Ehrenmal" eingezeichnet. Zu wessen Ehren, geht aus der Zeichnung nicht hervor. Die Zufahrt zur "Tschammer-Kampfbahn", die nach dem NS-Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten benannt wurde, sollte "Straße der Hitlerjugend" heißen. Eine Ecke für 33.000 Reichsmark Verwirklicht wurde von den großen Plänen nur eine winzige Gebäudeecke. Das spätere "Haus der Jugend" bestand aus einem zweigeschossigen Bau, der noch im Herbst 1938 fertiggestellt wurde. Die meiste Zeit seines Bestehens wurde das Gebäude unter demokratischen Vorzeichen genutzt. Es war Schule, Ratssaal, Vereinshaus und Jugendraum und wurde 1971 als erstes autonomes Jugendzentrum in der Region genutzt. Die letzten Jahrzehnte war in dem Gebäude das größte städtische Jugendzentrum untergebracht. Ende Mai ist das Haus für den Bau eines Parkhauses für das dort entstehende Medical-City-Plaza abgerissen worden. Über den Ersatz für das Jugendzentrum wird derzeit im Rathaus nachgedacht. Bürgermeister Lars Bökenkröger und Beigeordneter Stefan Tödtmann verfolgten die Öffnung der Zeitkapsel mit großen Augen. Bökenkröger zeigte sich erschrocken von den Dimensionen der Nazi-Pläne und nannte die Sprache der Urkunden "befremdlich". Warum von den großen Plänen nur ein Bruchteil verwirklicht wurde, dafür haben die beiden heutigen Hauptverwaltungsbeamten der Stadt keine Erklärung. Der Bau soll Bad Oeynhausen damals rund 33.000 Reichsmark gekostet haben. Einen besonderen Platz bekommen die Hinterlassenschaften der Nazis nicht. "Ab in die Kiste", sagte Stadtarchivarin Stefanie Hillebrand und legte alles in einen grauen, säurefreien Archiv-Karton. Urkunden, Hitler-Zitat, Bauträger-Zeichnung und die zersägte Kupferröhre werden ihre Zeitreise in den nächsten Jahre also absehbar in einem dunklen Raum im Stadtarchiv fortsetzen.

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