Kontaktverfolgung: Kommt nach Ostern das QR-Code-Durcheinander?

Kreis Minden-Lübbecke/Kreis Herford. Wenn der Lockdown endet, kehrt auch die Zettelwirtschaft zur Kontaktverfolgung zurück – allerdings anders als bisher. Biergartenwirte, Eiskonditoren, Klamottenladenbesitzer oder Kulturveranstalter haben längst digitale Alternativen zu Stift und Papier im Angebot. Besucher können im Internet ihre Kontaktdaten fürs Gesundheitsamt hinterlegen. Inzwischen gibt es zahlreiche Check-In-Systeme, die allesamt eigene QR-Codes erstellen, die dann auf Eingänge, Zimmertüren, Tische und Sitzplätze geklebt werden. Das könnte unübersichtlich werden. Marktführer ist nach Darstellung des Kommunalen Rechenzentrums (KRZ) Lemgo der eigene Kooperationspartner namens &bdquo;Darfichrein", der im Juni 2020 veröffentlicht wurde und bundesweit an 3.500 Standorten im Einsatz ist. Elf Kommunen in OWL nutzen dieses System. Der Vorteil: Darfichrein läuft im Internetbrowser, dafür muss keine App heruntergeladen werden. Die Landrätin des Kreises Minden-Lübbecke, Anna Bölling (CDU), wirbt dagegen seit Wochen für die Luca-App, eine Entwicklung der Firma Nexenio, für die sich auch der Deutsch-Hip-Hopper Smudo im Fernsehen eingesetzt hat. Der Kreis Minden-Lübbecke lässt damit das KRZ, den eigenen Dienstleister der Kommunen in Computerfragen, links liegen. Der Vorteil von Luca: Den QR-Code gibt’s auch als Schlüsselanhänger. Das System funktioniert damit auch bei Menschen, die weder Internet noch Smartphone nutzen. Der Schlüsselanhänger muss allerdings dem Besitzer zugeordnet werden, wofür eine Registrierung nötig ist. Und die Schlüsselanhänger kosten zusätzlich Geld. Biergarten-App gibt's längst Uwe Pape wundert sich über den Luca-Hype. Der Kreisgeschäftsführer für Herford und Minden vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), verweist auf Lösungen der Gastronomen: Wirte nutzen demnach &bdquo;eGuest" und &bdquo;Track your Guest". Der Vorteil: Diese Apps haben sich bereits im Biergarten bewährt. Und jetzt noch eine App? &bdquo;Track your Guest", sagt Pape, könne &bdquo;sehr fein" eingestellt werden. Die Kontaktnachverfolgung könne auf einzelne Tische begrenzt werden. Wenn es also unter 100 Biergartenbesuchern einen Coronafall gibt, müsse das Gesundheitsamt nicht gleich 99 Menschen als Risikokontakte anrufen, die alle am Eingang den gleichen QR-Code gescannt haben. Pape: &bdquo;Wenn da 100 Leute rumstromern, haben die Kontaktverfolger ein richtiges Problem." Die App-Anbieter haben längst auf solche Kritik reagiert. Meist gibt es einen Sammel-QR-Code, dem mehrere Zusatzschlüssel zugeordnet werden können. Oder Veranstalter können bei der Registrierung vor Ort angeben, wo ihre Gäste gesessen haben – wenn die das nicht selbst angeben. "Der Kunde entscheidet" Pape ist im Grunde egal, welche App zum Einsatz kommt. Hauptsache, sie funktioniert und die Gastronomie kann wieder öffnen. Wirte könnten auch mehrere Systeme gleichzeitig anbieten, genauso wie fürs Begleichen der Zeche, argumentiert er: &bdquo;Der Kunde entscheidet." Deshalb werden wohl nicht nur QR-Codes, sondern weiterhin auch Zettel und Stifte auf den Tischen der Gastronomen liegen. Für die Gesundheitsämter ist bei allen Checkin-Varianten vor allem eins wichtig: Die Daten müssen sicher, aber möglichst simpel ans Amt übertragen werden. Am besten wäre es, wenn die Daten direkt ins Kontaktverfolgungssystem fließen. Landrätin Anna Bölling nennt das &bdquo;medienbruchfrei". Bei Luca ist das angeblich der Fall, versichern die Anbieter. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal. Warum also wirbt die Landrätin für die Fernseh-App? Auf Nachfrage stellt Kreissprecher Florian Hemann klar, dass sich der Kreis nicht auf ein System festlege. Das Gesundheitsamt Minden nutzt nicht die vom Bund entwickelte elektronische Datenverarbeitung Sormas, sondern ein Programm namens Gumax. Man habe sich zuvor auch mit &bdquo;Darfichrein" auseinandergesetzt, so Hemann: &bdquo;Luca zeichnete sich dadurch aus, dass die App schnell mit dem Gumax-System des Kreises zu verbinden war." Luca und Gumax vertragen sich also offenbar gut. Die Anbieter von Darfichrein sehen da ebenfalls keine Schwierigkeiten. Kreissprecher Hemann argumentiert aber auch, die Luca-App habe eine &bdquo;breitere Bekanntheit", was ihren Nutzen für die Kontaktnachverfolgung verbessere. Sollte die Nachfrage nach &bdquo;Darfichrein" größer werden, werde der Kreis sich damit &bdquo;noch einmal stärker auseinandersetzen". Bad Oeynhausen setzt auf Luca Die Stadt Bad Oeynhausen hat die Signale aus dem Kreishaus allerdings nicht als Angebot gedeutet, sondern als Ansage: &bdquo;Wir nehmen Luca, weil uns das der Kreis empfohlen hat", sagt Stadtpressesprecher Volker Müller-Ulrich. Am Rathaus, dem Standesamt und dem Bürgerbüro seien künftig drei QR-Codes für Luca geplant. Im Nachbarkreis Herford ist das Rennen noch offen. Dort will neben Luca, Darfichrein und den Gastronomen-Apps auch ein Start-up aus Vlotho namens &bdquo;Vireless" die Schnittstelle zum Gesundheitsamt nutzen. Nach Auskunft von Kreissprecherin Petra Scholz wird Luca zwar vorbereitet, aber auch andere Systeme würden unterstützt. Die Kreisverwaltung Herford arbeite an einem datenschutzkonformen Übermittlungsweg &bdquo;für die Apps, die das (im Moment) noch nicht abbilden können". Die Nicht-Luca-Apps haben sich bundesweit in der Initiative "Wir für Digitalisierung" zusammengeschlossen und werben für eine offene, gemeinsame Schnittstelle. Löhne setzt auf Darfichrein Bad Oeynhausens direkter Nachbar, die Stadt Löhne, setzt auf &bdquo;Darfichrein". Im Rathaus und der Stadtbücherei kleben seit Anfang März die QR-Codes. Die Stadt zahlt dafür 7,50 Euro im Monat. Die Gemeinde Kirchlengern spendiert sogar bis zu 50 Friseuren, Gastwirten, Podologen, Optikern und lokalen Veranstaltern den &bdquo;Darfichrein"-Zugang. Die Stadtlizenz kostet monatlich 225 Euro, erklärt Stadtsprecherin Martina Stallmann. Die Luca-App ist dagegen für Nutzer und Veranstalter bisher kostenlos. Allerdings haben die Steuerzahler in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bereits für Landeslizenzen bezahlt. Und dem Vernehmen nach sollen weitere neun Bundesländer ebenfalls den Erwerb von Landeslizenzen planen. NRW ist offenbar nicht dabei.

Meistgelesen