Helmpflicht trotz steigender Unfallzahlen problematisch

Bad Oeynhausen. E-Bikes und Pedelecs haben viele Vorteile: Vor allem aber lässt sich damit jede Steigung und jede beliebige Strecke, unabhängig von der eigenen Fitness und des Alters erklimmen. Denn die Motoren unterstützen die eigene Beinkraft. Doch die motorisierten Fahrräder bergen auch Gefahren, das zeigt die kürzlich vorgestellte Verkehrsunfallstatistik. Denn die Zahl der verunglückten E-Bike-Fahrer steigt kontinuierlich. Nicht nur in NRW, sondern auch im Mühlenkreis. Waren es 2016 lediglich 23 Unfälle, waren es 2020 schon 75. 21 Radfahrer wurden dabei sogar schwer verletzt. Da liegt es nah, eine Helmpflicht einzuführen. Doch das ist schwieriger, als gedacht. Pedelecs und E-Bikes machen das Verkehrsgeschehen komplexer, beschreibt Polizeihauptkommissar Klaus Torno. Er ist für die Verkehrsunfallprävention im Kreis Minden-Lübbecke zuständig. Ließ sich für andere Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit eines Radfahrers meist durch das Alter des Fahrers relativ gut abschätzen, ist es heute ungleich schwieriger. Denn nicht mehr das Alter und die Fitness entscheidet über die Schnelligkeit, sondern das Vorhandensein des Motors. "War vorher eine ältere Dame meist nicht schneller als 14 km/h, können es dank eines Pedelecs auch 25 km/h sein", erklärt Torno. Pläne für die Prävention von Fahrradunfällen Doch nicht falsche Geschwindigkeitseinschätzungen würden vermehrt zu Unfällen führen. "Viele machen auch Fehler im Umgang mit dem Pedelec oder E-Bike", so der Polizeihauptkommissar. Beispielsweise würde man bei einem unmotorisierten Fahrrad mit dem Pedal beim Anfahren Schwung holen und sich dann in den Sattel schwingen - das könne beim Pedelec fatale Konsequenzen haben. Durch die Motor-Unterstützung würde das Fahrrad möglicherweise unkontrolliert beschleunigen, Stürze seien teils die Folge. Um derartigen Unfällen vorzubeugen, wollte die Polizei zusammen mit der Verkehrswacht bereits im vergangenen Jahr ein Fahrsicherheitstraining anbieten, doch die Pandemie machte die Pläne zunichte. "Sobald das Coronavirus uns Möglichkeiten lässt, wollen wir dieses Training aber an den Start bringen", betont Torno. Konkrete Termine seien im Moment aber noch nicht planbar. Vorerst müsse sich die Polizei auf Infostände und mündliche Prävention beschränken. Diskussion um die Helmpflicht Doch auch unabhängig vom Sicherheitstraining ploppt das Für und Wider einer Helmpflicht wieder auf. "Das Gehirn ist zugleich das wichtigste, aber auch empfindlichste Organ", verdeutlicht Torno. Und das könne nur durch einen Fahrradhelm sicher geschützt werden. &bdquo;Bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/h hat er eine gute Schutzwirkung. Und wenn man weiß, dass zwei Drittel aller Radfahrunfälle innerorts an Kreuzungen und Einmündungen passieren, wo Fahrzeuge tendenziell langsam unterwegs sind, ist ein Helm in den meisten Fällen ein sinnvoller Schutz", betont auch Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDVGDVGDV). Doch lediglich ein Fünftler aller Radfahrer trägt überhaupt einen Helm, das ermittelte die Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) in einer Studie. Die Studie zeigt, dass vor allem viele junge Fahrer zwischen 17 und 30 Jahren auf den Helm verzichten. Dass das schlimme Folgen haben kann, zeigte eine Studie der Hannelore-Kohl-Stiftung. Unfälle hätten vor allem bei jungen Menschen fatale Folgen und würden soziales Elend bewirken. Trauriges Beispiel für genau so einen Fall ist Beate Bosse aus Enger, die die Folgen eines Fahrradunfalls nicht überlebte und mit 23 Jahren verstarb. Das spricht gegen eine Helmpflicht Warum also gibt es keine Helmpflicht, wo doch der Schutz des Kopfes so wichtig ist? Über genau dieses Thema diskutierte im Januar dieses Jahres der Deutsche Verkehrsgerichtstag. Viele Experten, die sich im Kontext dessen zu Wort meldeten, sprachen sich gegen eine gesetzliche Pflicht aus. Die Begründung: Rechtlich müsste dann auch den Radfahrern, die ohne Helm in einen Unfall verwickelt seien, eine Teilschuld zugesprochen werden, auch, wenn sie nicht der Verursacher des Unfalls gewesen seien. Zudem müsse eine solche Pflicht auch kontrolliert und geahndet werden. Auch Polizeihauptkommissar Klaus Torno glaubt nicht, dass die Helmpflicht eingeführt wird. "Die Gefahr wäre, dass dann viele das Rad nicht mehr benutzen. Das wäre im Sinne der Verkehrswende kontraproduktiv." Zudem könne der Helm zu einer trügerischen Sicherheit führen, die riskantere Fahrstile unter Radfahrer fördern würden. Er setzt deshalb auf Prävention und Aufklärung.

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