Dieser Lkw-Fahrer steckt an Heiligabend im Megastau in Großbritannien fest

Bad Oeynhausen/Manston. Wenn Peter Grieve sich umschaut, sieht er Blech und Planen. "Und ein Stückchen Himmel, vielleicht", berichtet der 63-Jährige. Grieve ist umzingelt von Lastwagen auf dem ehemaligen Flugplatz Manston bei Dover. "Hier stehen 20 Reihen Lkw, jede Reihe zweieinhalb Kilometer lang. Und ich mittendrin", berichtet Grieve, der Fahrer bei der Bad Oeynhausener Spedition Kottmeyer ist. Und zu den tausenden Lastwagenfahrern gehört, die sich vor der Einfahrt zum Eurotunnel stauen. Am Sonntagabend hatte Frankreich seine Grenzen zu Großbritannien gesperrt. Der Eurotunnel ist seither dicht. Grund war eine Mutation des Corona-Virus, die in England aufgetaucht war und als sehr ansteckend gilt. Seitdem geht nichts mehr runter von der Insel. Zwischen 8.000 und 10.000 Lastwagen, so schätzen Beobachter, warten inzwischen im Umfeld von Dover darauf, dass der Eurotunnel wieder öffnet. 32 Kottmeyer-Lastwagen sind noch auf der Insel 32 Lastwagen der Spedition Kottmeyer aus Bad Oeynhausen stehen mit in diesem Mega-Inselstau. Am Montag waren es noch 28, doch vier seiner Fahrzeuge sind am Montag noch auf die Insel gefahren, wie Geschäftsführer Horst Kottmeyer berichtet. Peter Grieve ist schon seit vergangenen Freitag unterwegs. Auch auf dem Hinweg nach Großbritannien gab es schon einen Stau vor dem Kanaltunnel, allerdings eher im üblichen Rahmen. "Ich musste sieben Stunden vor dem Tunnel warten", erzählt der Bielefelder. Mit der Folge, dass er - kaum auf der Insel angekommen - erstmal eine ausgiebige Lenkpause einlegen musste. "Dadurch konnte ich meine Tour nicht noch am Freitag zu Ende bringen", berichtet Grieve. Dann wäre ihm das Verkehrschaos wohl erspart geblieben. So aber konnte er am Montag die Teile für ein Automobilwerk südlich von Manchester abliefern. Und sich dann auf den Rückweg zu machen - um im Stau zu landen. "Ich hab genug zu essen dabei" Als sich Grieve dem Eurotunnel näherte, war die Zubringer-Autobahn M 20 schon dicht, zugeparkt mit Brummis. "Ich wurde dann umgeleitet auf den stillgelegten Flugplatz Manston", berichtet Grieve. Hier stehen am Mittwoch rund 3.000 Fahrzeuge eingeparkt - Lastwagen, so weit das Auge reicht. Seit über 24 Stunden ist auch Grieve dabei. Und erstaunlich gelassen. "Aufregen nützt ja nichts", sagt er im Telefongespräch mit der NW. Not muss er nicht leiden, immerhin. In seiner Fahrerkabine gibt es einen Kühlschrank und eine Standheizung. "Die haben hier auf dem Platz inzwischen auch ein paar Dixie-Klos und Container mit Waschräumen aufgestellt", berichtet Grieve. Und drei Burger-Imbisswagen hat der Bielefelder auf dem Brummi-Parkplatz inzwischen auch ausgemacht. Gekauft hat er da aber noch nichts. "Ich hab genug zu essen dabei", sagt er. Und wenn er sich eine warme Suppe oder ein Heißgetränk machen kann, dann ist er schon einigermaßen zufrieden. Also: Abwarten und Teetrinken? "Ganz genau", sagt Grieve lachend. Soldaten sollen den Schnelltest mit den Brummifahrern machen Der gebürtige Engländer war schon in jungen Jahren beim Militär in einer Transporteinheit. So kam er auch nach Bielefeld, wo er seit 44 Jahren zuhause ist. Und seit über vier Jahrzehnten ist er auch schon Lastwagenfahrer. Der Staus wie jetzt den vor Dover kennt. Vor Jahren, so erzählt er, habe ein Streik in Frankreich alles lahmgelegt. "Da stand ich auch länger im Stau. Zwei Wochen", berichtet Grieve. So lange wird es jetzt hoffentlich nicht dauern. Frankreich erklärte am Mittwoch, die Grenze wieder zu öffnen - allerdings nur für Fahrer mit negativem Corona-Test. "Das Militär will nun Soldaten hier zu uns schicken, um die Schnelltests mit uns zu machen", sagt Grieve. Den haben 19 andere Kottmeyer-Fahrer am Mittwoch schon hinter sich. Sie hatten Bentley mit Autoteilen beliefert. "Und Bentley hat unsere Fahrer mit testen lassen", berichtet Horst Kottmeyer. Ergebnis: alle negativ. Zuhause warten nicht nur Frau und Sohn Auf ein solches Resultat setzt auch Peter Grieve. Damit er endlich wieder den 470-PS-Diesel seines MAN anschmeißen und losfahren kann. Doch die Hoffnung, Heiligabend daheim zu sein, hat er nicht mehr. "Heute bewegt sich hier wahrscheinlich nichts mehr", fürchtet er am Mittwoch. Und wenn am Heiligabend Bewegung in den Stau kommt, wird es dauern, bis der sich abgebaut hat. Aber am ersten Weihnachtstag hofft er, wieder bei seiner Familie zu sein. Dort warten nicht nur Frau und Sohn auf ihn, sondern auch der jüngste Familienzuwachs: ein zehn Wochen alter Jack-Russell-Welpe. Wenn es gut läuft, könnte er von Calais in sieben Stunden in Bad Oeynhausen sein. "Hauptsache, wir werden dann nicht noch vom Feiertags-Fahrverbot für Lkw in Deutschland gebremst", sagt Grieve. Dann müsste er seine Fahrt in Holland unterbrechen - und käme erst nach Weihnachten nach Haus. Als Fahrer im internationalen Fernverkehr sei er es gewohnt, auch an Feiertagen unterwegs zu sein, sagt Peter Grieve. "Aber Weihnachten, da war ich bisher immer daheim."

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