Bad Oeynhausen

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Chefarzt spricht über Organspenden in Corona-Zeiten

Im Herz- und Diabeteszentrum wurden in diesem Jahr 60 Herzen verpflanzt – etwa so viel wie in den Vorjahren. Zu Beginn der Corona-Pandemie aber hatte Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des HDZ, Schlimmes befürchtet.

Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des Herz- und Diabeteszentrums NRW in Bad Oeynhausen, hatte zu Beginn der Corona-Pandemie befürchtet, dass das Transplantationsgeschehen gänzlich zum Erliegen kommen könnte. | © Jörg Stuke

Jörg Stuke
15.10.2020 | 15.10.2020, 07:00

Bad Oeynhausen. Corona hat in diesem Jahr alles verändert. Jan Gummert, Ärztlicher Direktor des Herz- und Diabeteszentrum NRW (HDZ) in Bad Oeynhausen, hatte so auch mit gravierenden Auswirkungen auf die Transplantationsmedizin gerechnet. „Wir hatten schon die Befürchtung, dass die Organspende nahezu vollständig zum Erliegen kommen würde." Zum Glück, so berichtet der leitende Herzchirurg, sei es anders gekommen.

60 Herzen wurden bislang in diesem Jahr am HDZ verpflanzt, dazu kommen fünf Lungen- und eine Herz-Lungen-Transplantation. „Damit bewegen wir uns auf dem Niveau der Vorjahre", sagt Gummert. Im ganzen Jahr 2019 wurden im HDZ 89 Herztransplantationen durchgeführt.

Für die Erwartung, dass durch Corona die Spenderzahl deutlich zurückgehen würde, gab es mehrere Gründe, wie Gummert erläutert. „Wir müssen ja das Spenderorgan selbst entnehmen. Dafür fahren oder fliegen unsere Teams auch ins Ausland. Das aber war in der Anfangsphase des Lockdowns nicht möglich", so der Ärztliche Direktor des HDZ.

Im Juni, Juli entspannte sich die Lage

Zum anderen gab es die Befürchtung, dass die Intensivbetten so schnell belegt wären, dass gar keine Kapazitäten zur Betreuung der Organspender auf den Intensivstationen bleiben würden. „Das ist so nicht eingetreten", sagt der Chirurg. Auch die Sorge, dass durch das Besuchsverbot selbst für sterbende Patienten eine Einverständniserklärung der Angehörigen zur Organspende nicht mehr funktionieren würde, hat sich so nicht erfüllt. „Glücklicherweise hat sich das alles ganz gut eingependelt", sagt Gummert. So im Juni, Juli sei dann auch bei ihm persönlich eine deutliche Entspannung eingekehrt, berichtet er.

Weniger entspannt stellt sich die Lage für die Empfänger eines Organs dar. „Wenn Sie als Empfänger eines Spenderherzens Covid 19 bekommen, dann haben Sie ein deutlich höheres Risiko zu versterben", weiß Gummert. „Deshalb muss man alles dafür tun, diese Patienten zu beschützen. Diese Patienten müssen noch viel vorsichtiger sein als alle anderen Risikogruppen." Auch ein Patient, der im HDZ vor einigen Jahren ein neues Herz bekommen hat, sei an Covid 19 verstorben, berichtet der Ärztliche Direktor.

In der Lockdownzeit wurden deutlich weniger Patienten behandelt

Zur Ursache gibt es zwar sehr begründete Vermutungen, aber letztlich keine Gewissheit. „Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit liegt das erhöhte Risiko daran, dass das Immunsystem der Patienten nach einer Transplantation ja bewusst geschwächt wird, damit sie das Spenderorgan nicht abstoßen", erläutert Gummert.

Dadurch werden diese Patienten für fast alle Infektionskrankheiten viel empfänglicher. Welcher exakte Mechanismus dafür aber verantwortlich sei, wisse man nicht. „In der Anfangsphase von Corona war durchaus noch unklar, ob Transplantationspatienten nicht auch davon profitieren, dass ihre körpereigene Abwehr geschwächt ist und sie damit keine Überreaktion des Immunsystems erleiden."

Die Corona-Pandemie hatte jenseits der Transplantationsmedizin durchaus spürbare Folgen für das HDZ. „In der Lockdownzeit haben wir deutlich weniger Patienten behandelt. Einfach, weil wir ja auch Kapazitäten vorhalten wollten, um bei Bedarf Covid-19-Erkrankte hier intensivmedizinisch betreuen zu können", berichtet Gummert. So habe das HDZ zu den rund 100 Intensivpflegeplätzen in diesem Jahr weitere 20 Intensivplätze aufgebaut.

Bei zunehmendem Bedarf könne das HDZ innerhalb von 48 Stunden weitere 10 Prozent der Intensivkapazitäten für die Behandlung von Covid-19-Patienten in Betrieb nehmen. 14 Patienten mit Covid-19-Erkrankung sind, beziehungsweise waren bislang im HDZ in Behandlung.

"Wir haben genügend Intensivbetten"

„Wir haben auch das OP-Programm deutlich reduziert und nur die ganz dringlichen Patienten behandelt, um die Intensiv-Kapazitäten frei zu halten", erklärt Gummert. „Es war toll, wie sehr wir uns auf unsere Mitarbeiter verlassen konnten: Pflegende und Ärzte haben sich mit großem Engagement vorbereitet, die intensivmedizinische Betreuung von Covid-Patienten zu übernehmen."

So habe das HDZ zwei Normalstationen geschlossen und das Personal von dort in den Intensivbereich versetzt. „Als absehbar war, dass die intensivmedizinische Kapazität in Deutschland mehr als ausreichend war und keine Covid-Patienten mehr kamen, haben wir peu a peu in Abstimmung mit den Vorgaben des Ministeriums die Kapazitäten wieder auf unser normales Programm umgestellt. Da konnten wir dann relativ schnell wieder auf unserem normalen Niveau arbeiten."

Gummerts Blick in die Zukunft ist durchaus optimistisch. „Meine Hoffnung ist, dass wir jetzt gelernt haben, mit der Corona-Pandemie umzugehen. Wir haben genügend Intensivbetten und entsprechende Hygienekonzepte." Da sei Deutschland wirklich auf einem hohen Niveau unterwegs. „Deshalb habe ich auch nicht die Sorge, dass die Transplantationsmedizin durch Corona nachhaltig beschädigt wird", sagt Gummert.