Sehenswerte Premiere im Kleinen Theater Rehme

Bad Oeynhausen. Genauso muss Theater sein: Kraftvoll, unterhaltsam und anspruchsvoll zugleich. So wie die Inszenierung von Thomas Bernhards Stück &bdquo;Ritter, Dene, Voss", die jetzt im Kleinen Theater Rehme Premiere hatte. Die selten gespielte Untergangs-Komödie über drei sich hassliebende Geschwister in der Regie von Theaterchef Johannes Kindler fesselte das Premierenpublikum von der ersten bis zur letzten Minute. Und das sehr zu Recht. In dem Stück über die berühmt-berüchtigte Familie Wittgenstein geht es um den manisch-depressiven Philosophen Ludwig, der es sich in einem Wiener Sanatorium eingerichtet hat. Seine ältere Schwester holt ihn gegen seinen Willen zurück ins Elternhaus, das weder sie noch ihre jüngere Schwester je verlassen haben. Im Speisezimmer der Herrschaftsvilla treffen die Geschwister aufeinander und jeder der drei Höllendarsteller verarbeitet auf seine Art die gemeinsame Kindheit, die von einer bösartigen Mutter und einem strengen Vater geprägt wurde. Bei dem rätselhaften Titel handelt es sich um die drei Schauspieler der Uraufführung: Ilse Ritter, Kirsten Dene und Gert Voss. Philosoph beschimpft jeden Johannes Kindler, der in der Inszenierung nicht nur den Hauptdarsteller spielt und die Regie führt, hat für das Bühnenbild ein Wohlstand signalisierendes Mobiliar für ein Speisezimmer auf die Bühne gestellt. Dort entfaltet sich die inzestuös aufgeladene Familienhölle mit voller Wucht: Ludwig wurde gerade von seinen beiden Schwestern aus der Psychiatrie abgeholt und die abgründige Schicksalsgemeinschaft gerät, sediert von der Macht der Gewohnheit, in das altbekannte Fahrwasser. Der Philosoph beschimpft alles und jeden: Die Kunst die Philosophie und seine schauspielernden Schwestern sowieso. &bdquo;Diesen Augenblick habe ich immer gefürchtet, meinem Vater gegenübersitzen zu müssen. Von dort aus sind nur Todesurteile gefällt worden", sagt Ludwig von seinem angestammten Platz aus. Und steht auf um das ebenso naiv wie geschmacklos angefertigte Porträt seines Vaters in die Hand zu nehmen. Das ist einfach ganz große Schauspielkunst, wie Kindler dann verloren in die Ferne stiert. Einen Moment später den Rand eines Wasserglases aufmerksam fixiert. Den von ihm früher so geliebten Dessert herunterwürgt und angeekelt sagt: &bdquo;Was für ein widerlicher Brandteigkrapfen". Zwei weitere Vorstellungen im Oktober Und im nächsten Moment zu Beethovens voll tönender &bdquo;Eroica" in einem Tobsuchtsanfall mit der Faust auf den Tisch schlägt, dass die Speisen darauf nur so in die Höhe springen. Das gesamte Tischtuch mit Geschirr herunter reißt und schreit: &bdquo;Das ist nur eine Etüde. Damit ich nicht aus der Übung komme". Für den Hauptdarsteller ist das absolute Präzisionsarbeit, den schmalen Grat zwischen diesen Erregungszuständen hinzubekommen ohne die Balance zu verlieren. Eine schauspielerische Leistung, die Kindler mit Bravour nimmt. Genauso wie Mandy Fuchs als älter und Janet Schmeken als jüngere Schwester, die das Ensemble mit überzeugender Schauspielkunst ergänzen. Eine absolut sehenswerte Inszenierung, die das nächste Mal am Mittwoch, 16.Oktober, und am Samstag, 26.Oktober, jeweils um 19.30 Uhr zu erleben ist. Wie es weitergeht mit der Zukunft des Rehmer Privattheaters, ist immer noch nicht geklärt. Ein Artikel in der Neuen Westfälischen, der vor rund einem Monat darüber berichtete, dass das Ensemble die Räumlichkeiten zu Ende des Jahres verlassen muss, hat bereits eine erste Wirkung gezeigt: "Wir stehen in Verhandlung mit zwei Mitarbeitern der Stadt Bad Oeynhausen, die zurzeit überprüfen, ob das Rehmer Bürgerhaus vorerst wenigstens als Probenraum genutzt werden kann", weiß Mandy Fuchs. Und Johannes Kindler ergänzt: &bdquo;Auch wenn wir einige Angebote aus der Bevölkerung bekommen haben – unsere Zukunft ist weiterhin ungewiss".

Meistgelesen