In der Bad Oeynhausener Kläranlage wird mit dem Staubsauger geforscht

Bad Oeynhausen. Das Rohr des handelsüblichen Industriesaugers nimmt Proben - aus der Kläranlage. Swetlana Schölzel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen, will wissen, wie sich die Aktivkohle macht, die sogenannte "anthropogene Spurenstoffe" aus dem Bad Oeynhausener Abwasser filtert. Die Doktorandin kann in der Kurstadt forschen, weil es in der hiesigen Kläranlage seit Juni 2015 ein Filterbecken, gefüllt mit 86 Kubikmetern Aktivkohle gibt. Die wiederum soll das Gros der mehr als 50.000 Spurenstoffe binden, die die Forscher im Abwasser bereits identifiziert haben. Viele Spuren aus Medikamenten in Bad Oeynhausen "Das heißt nicht, dass sich alle Stoffe auch überall nachweisen lassen", sagt Sarah Zydorczyk, die das Forschungsprojekt für die DüsseldorferPlanungsgesellschaft "Hydro-Ingenieure" betreut. Bad Oeynhausen wurde auserkoren, weil die hohe Klinikdichte dafür sorgt, dass sich vor allem Spuren aus Medikamenten im Wasser wiederfinden. Im Dezember 2014 war zum Beispiel bekannt geworden, dass unter anderem Rückstände von Iopamidol, einem jodhaltigen Röntgenkontrastmittel, im Werrewasser ab dem Messpunkt an der Bad Oeynhausener Kläranlagenachzuweisen sind. Doch fahnden die Fachleute nur nach sechs Leitsubstanzen, die mit ihren jeweiligen Eigenschaften stellvertretend Auskunft geben können, über die Reinigungsleistung. Mikroplastik kann auch der Aktivkohlefilter nicht aus dem Wasser entfernen. Seit 2015 eine Erprobungsanlage Das Becken, in dem Schölzel saugt, ist immer noch eine Erprobungsanlage. Eigentlich sollten bis 2020 schon zwei weitere Becken mit Aktivkohle gefüllt sein und rund 4,2 Millionen Kubikmeter der fünf Millionen Kubikmeter, die jährlich die Kläranlage erreichen, filtern. Doch das Projekt erweist sich als zäh. Die Insolvenz einer mit dem Projekt betrauten Firma habe die Umsetzung gebremst, sagt Andreas Kollmeyer, Fachbereichsleiter Abwasser bei den Stadtwerken. Und außerdem habe man sich auch an der Förderungsfähigkeit des Projektes orientieren müssen. Die von den "Hydro-Ingenieuren" erstellte Machbarkeitsstudie, die den Stadtwerken zur Filterung durch Aktivkohle rät, datiert gar aus dem Jahr 2011. Dabei wird in Deutschland die Einrichtung einer vierten Klärstufe - anders als in der Schweiz - vom Gesetzgeber nicht gefordert. Die Abwassergebühren werden steigen "Mitte 2021 sind wir fertig", ist sich Klärwerksleiter Gunnar Beermann sicher. 30 Jahre alt ist das Filtergebäude mit den acht Becken, die noch die dritte Klärstufe bilden. Die Aktivkohlefiltration, die der mechanischen, biologischen und chemischen Klärung nachgelagert ist, soll zukünftig drei der acht Becken füllen. Die verbleibenden werden für die Flockungsfiltration auf den neuesten technischen Stand gebracht. "Das wird zusammen rund zwei Millionen Euro kosten", sagt Kollmeyer. Im November 2017 gaben die Stadtwerke an, dass durch diese Investition die Abwassergebührum zehn Cent je Kubikmeter steigen werde. Eine aktuellere Kalkulation war vom Versorger nicht zu bekommen. Grundlagenforschung an der Kläranlage Weil die Technik relativ neu sei, müsse man erst forschen, um die Aktivkohleanlagen möglichst effizient betreiben zu können. "Und Forschung dauert", sagt Sarah Zydorczyk. Das Forschungsprojekt "Solidus", für das Swetlana Schölzel inBad Oeynhausen saugt, solle rstmals bestehende Aktivkohlefilteranlagen untersuchen. Die Kläranlagen Bielefeld-Obere Lutter, Köln-Rodenkirchen, Gütersloh-Putzhagen und Bad Oeynhausen werden von den Wissenschaftlern der RWTH Aachen dabei unter die Lupe genommen. Ziel ist es aus den durchgeführten Messungen nach zwei Jahren eine Art Handbuch für den Betrieb solcher Anlagen abzuleiten. "Das ist eine Form von Grundlagenforschung, die wir hier betreiben", sagt Zydorczyk. Die Fachleute nennen einen solchen Leitfaden einen "Bemessungsansatz", der zur Blaupause für die Umrüstungweiterer Kläranlagen dienen könnte.

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