Tod eines Mädchens (12) im Klinikum Lippe: Prozess wird neu aufgerollt

Kreis Lippe. Der erste Versuch, den plötzlichen Tod einer Zwölfjährigen im Klinikum Lippe juristisch aufzuarbeiten, ist vor zwei Jahren vor dem Amtsgericht Detmold an den unterschiedlichen Ansichten der medizinischen Gutachter gescheitert. Nun soll der Prozess wegen fahrlässiger Tötung gegen den damals behandelnden Arzt (heute 51) und eine beteiligte Krankenschwester (heute 69) neu aufgerollt werden. Drei Verhandlungstage sind dazu ab Ende Oktober angesetzt. Das betroffene Mädchen war im Dezember 2019 nur zur Sicherheit wegen eines Magen-Darm-Infektes mit einem Rettungswagen ins Klinikum Lippe eingeliefert und aufgenommen worden. Zuvor war die Jugendliche mehrfach zusammengebrochen. Über Nacht verschlechterte sich der Zustand der Zwölfjährigen dann immer weiter. Trotz mehrfacher Hinweise der besorgten Mutter passierte aber offenbar nichts. Am nächsten Morgen konnte das Mädchen nicht mehr reanimiert werden. Die Staatsanwaltschaft Detmold wirft dem zuständigen Arzt in der Notaufnahme daher vor, nicht die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen eingeleitet zu haben. &bdquo;Die von ihm vorgenommenen Behandlungsschritte seien unzureichend und teilweise kontraindiziert gewesen“, heißt es dazu vom Amtsgericht Detmold. Das bedeutet: Möglicherweise führte die falsche Infusion dazu, dass sich der Zustand des Kindes noch verschlechtert haben könnte. War der Tod des Mädchens vermeidbar? Bei dem ersten Prozess im Sommer 2023 hatten sich neben dem behandelnden Arzt noch mehrere Pflegekräfte auf der Anklagebank verantworten müssen. Nun steht nur noch eine Kinderkrankenschwester vor Gericht, die die Hinweise der besorgten Mutter am nächsten Morgen gegen 6.15 Uhr nicht ausreichend gewürdigt haben soll. &bdquo;Bei Beachtung der medizinischen Sorgfalt wäre der Todeseintritt für die Angeklagte vorhersehbar und vermeidbar gewesen“, schreibt das Amtsgericht dazu. Die Verfahren gegen drei weitere Krankenschwestern sind nach und nach gegen Geldauflagen eingestellt worden – teilweise außerhalb der damaligen Hauptverhandlung. Eine jüngere Pflegekraft (heute Mitte 20) stand gesondert vor dem Jugendgericht. Die Richterin hatte letztendlich nicht sicher feststellen können, ob die Pflegekräfte etwas anders hätten machen können, um das Kind zu retten. Das letzte Wort scheint hier noch nicht gesprochen. Kurz vor Ende des ersten Prozesses beantragte Rechtsanwältin Erika Leimkühler aus Herford, die die Eltern in der Nebenklage vertritt, ein unabhängiges Pflegegutachten einzuholen, um die Verantwortung der Pflegekräfte ein für alle Mal zu klären. Das liegt nun vor, sagt Amtsgerichtssprecher Michael Wölfinger. Im Prozess wird neben diesem Pflegegutachten und weiteren Zeugen auch das Gutachten der Rechtsmedizin sowie ein drittes vom Gericht aus München eingeholtes medizinisches Gutachten eine zentrale Rolle spielen. Beim Prozess im Jahr 2023 hatten sich zwei völlig konträre medizinische Analysen gegenübergestanden. Ein Fall, viele Meinungen Der eine von der Staatsanwaltschaft beauftragte Gutachter erkannte grobe Behandlungsfehler, die zum Tod des Kindes geführt hätten. Dagegen sprach ein von der Verteidigung beauftragter sachverständiger Arzt von einem schicksalhaften Verlauf. Mit einem dritten, regional völlig unabhängigen Gutachten sollte nun Gewissheit geschaffen werden, um den Fall juristisch zu entscheiden. Während sich die strafrechtliche Aufarbeitung hinzieht, ist das zivilrechtliche Verfahren längst beendet. Ein dort von der Zivilkammer des Landgerichts eingeholtes medizinisches Gutachten aus Mönchengladbach kam zu dem Schluss, dem behandelnden Arzt und den Pflegekräften seien grobe Behandlungsfehler unterlaufen. Das Klinikum Lippe stimmte daher kurz vor Weihnachten 2024 dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts zu und zahlte der verbliebenen Familie Schmerzensgeld, Hinterbliebenengeld und Schadensersatz von rund 100.000 Euro. Für die betroffenen Eltern bedeutete der zivilrechtliche Vergleich laut ihrer Anwältin ein stückweit &bdquo;Gewissheit und Bestätigung.“ Was das für das strafrechtliche Verfahren bedeutet, stehe aber auf einem anderen Blatt, erklärt der Amtsgerichtsdirektor. &bdquo;Hier kommt es vor allem darauf an, inwieweit sich eine individuelle Schuld nachweisen lässt“, sagt Wölfinger. Das wird sich ab Ende Oktober zeigen. Der Prozess startet am 27. Oktober um 9 Uhr in Saal 114. Als weitere Verhandlungstage sind der 29. Oktober und 11. November angesetzt.

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