Minister-Klatsche, Hütte-Rausschmiss, Prozesse: So turbulent war 2024 fürs Klinikum Lippe

Detmold/Lemgo. Das Klinikum Lippe ist eines der Top-Themen im Jahr 2024 – und es wird auch im kommenden Jahr aus den Schlagzeilen nicht herauskommen. Die Turbulenzen in und um das lippische Krankenhaus, vor allem seine Geschäftsführung und den Standort Lemgo, haben die Schlagzeilen bestimmt. Die Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums &bdquo;175 Jahre Klinikum Lippe“ gerieten dabei in den Hintergrund. Dabei klingt der erste Artikel Anfang Januar 2024 noch recht hoffnungsvoll: &bdquo;Neuer Chefarzt: Klinikum Lippe stärkt Standort Lemgo“, heißt es in dem Bericht über Hagen Vorwerk, den neuen Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Beatmungs- und Schlafmedizin am Klinikum Lippe. Zwei Wochen später bekräftigt Landrat Axel Lehmann in einem Exklusiv-Interview mit dieser Redaktion, er wolle auf jeden Fall weiter an der Zusammenarbeit mit Klinikum-Geschäftsführer Johannes Hütte festhalten – aber es soll alles ganz anders kommen. Verzögerungen bei Neubau in Detmold Doch zunächst einmal geht es nicht mittelbar um die Person Hüttes, sondern um zeitliche Verzögerungen bei dem geplanten Neubau in Detmold – ein Bau-Projekt in zweistelliger Millionenhöhe. Diese Redaktion berichtet über Kündigungen von lokalen Handwerksbetrieben seitens des Klinikums. Doch betroffene Betriebe antworten gar nicht oder nur sehr zurückhaltend auf die Fragen, aus Furcht vor juristischen Konsequenzen. Gerichtliche Auseinandersetzungen bestimmen in der Folgezeit immer mal wieder die Schlagzeilen. Mal geht es um eine Krankenschwester, die vor dem Arbeitsgericht klagt, weil am Klinikum der Gesundheitsschutz aus ihrer Sicht nicht ausreichend gegeben ist. Dann geht es um die juristische Aufarbeitung des unerwarteten Todes einer zwölfjährigen Patientin, die an sich nur sicherheitshalber wegen Magen-Darm-Infektes stationär aufgenommen worden war. Und schließlich verklagt das Klinikum mehrfach den Sprecher des Aktionsbündnisses Klinikum Lippe, Walter Brinkmann, weil der gegenüber überregionalen Medien Falschaussagen über das Krankenhaus und seine Geschäftsführung gemacht haben soll. Die juristischen Auseinandersetzungen ziehen sich hin, während ein Prozess schließlich im Sinne Brinkmanns entschieden wird und das Klinikum die Berufung verwirft, wird ein weiteres Verfahren 2025 fortgesetzt. Wird das Klinikum ein rein ambulantes Krankenhaus? Unterdessen will Kalletals Bürgermeister Mario Hecker Mitte März gehört haben, dass das Klinikum Lemgo zu einem rein ambulanten Krankenhaus werden könnte – Aufsichtsratsvorsitzender und Landrat Lehmann dementiert: &bdquo;Die Diskussion ist ausgelöst durch eine reine Mutmaßung eines lippischen Bürgermeisters. Es gibt keine neue Faktenlage.“ Doch so schnell lassen sich die Gemüter nicht beruhigen, nun fordern auch die SPD in Lemgo und der dortige Bürgermeister Markus Baier Klarheit in Sachen Klinikum-Pläne. Die gibt es aber erst Monate später – zunächst sickern nur einige Dinge durch: Zum Beispiel die vier Zukunftsszenarien, die die Unternehmensberatung Roland Berger für den Standort Lemgo entwickelt hat. Die Berater favorisieren, aus dem Haus ein &bdquo;Level-1-Krankenhaus“ zu machen, das sowohl ambulante als auch Krankenhausversorgung unter einem Dach anbietet, verbunden mit der Verlagerung einzelner stationärer Abteilungen. Doch auch hinsichtlich dieses Plans wartet am Ende eine überraschende Wendung auf die Akteure. Erst einmal aber präsentiert Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) seine Klinikum-Streichliste für NRW in Düsseldorf – und die stößt bei hiesigen Bürgermeistern nicht auf Begeisterung. Lemgos Verwaltungschef Markus Baier fürchtet, dass aus Lemgo ein &bdquo;Feldlazarett“ werden könnte. Aktionsbündnis wehrt sich gegen Krankenhausreform Längst ist auch das Aktionsbündnis alarmiert und kündigt an, ein Bürgerbegehren zum Erhalt des Status quo am Standort Lemgo auf den Weg bringen zu wollen. Ein Vorhaben, das aufgrund bürokratischer Hürden ebenfalls 2024 nicht abgeschlossen sein wird. Doch die Details zu den Zukunftsplänen für die beiden Klinikum-Standorte Detmold und Lemgo werden erst Mitte September bekannt. Kurz zusammengefasst, sollen die meisten Abteilungen in den kommenden Jahren von Detmold nach Lemgo ziehen. In der alten Hansestadt sind medizinische Versorgungszentren, ein Hospiz und eine Universitätsambulanz im Gespräch. Während Landrat Lehmann von einem &bdquo;Gewinn für Lemgo und Nordlippe“ spricht, herrscht in den betroffenen Kommunen Entsetzen. Zu einem einheitlichen Stimmungsbild hinsichtlich der Pläne und der deutlichen Stärkung Detmolds zulasten des Standorts Lemgo können sich die Verwaltungschefs der 16 lippischen Kommunen indes vorerst nicht durchringen. Stellungnahme aus Düsseldorf zur Neuausrichtung Müssen sie auch gar nicht mehr, denn nun gibt’s plötzlich überraschend eine klare Ansage aus Düsseldorf: Als Klinikum-Geschäftsführer Hütte und Aufsichtsrat-Chef Lehmann die Pläne im NRW-Gesundheitsministerium Mitte Oktober präsentieren, spricht sich das Laumann-Ministerium klar gegen einen Kahlschlag in Lemgo aus und fordert die Verantwortlichen auf, dort mindestens ein Haus der Grundversorgung und eine Notfallaufnahme zu betreiben. Die Parteien im Kreistag werden angesichts dieser Nachricht deutlich, sprechen von &bdquo;Blamage“ (CDU), &bdquo;Ohrfeige“ (FDP) und durch die Geschäftsführung &bdquo;zerschlagenes Porzellan“ (SPD). Da spielt es schon keine Rolle mehr, dass wenig später bekannt wird, dass das Ministerium in Detmold bereits im April vor den lippischen Plänen gewarnt haben soll. Immerhin scheint Anfang November doch noch Ruhe in die Diskussion um die Zukunftspläne zu kommen, als sich die Gesellschafterversammlung einstimmig auf einen Grundsatzbeschluss einigt. Deren Vorsitzender, Landrat Axel Lehmann, sowie Klinik-Geschäftsführer Johannes Hütte und Geschäftsführerin Christina Fuchs verkünden den Beschluss einmütig: Das Krankenhaus in Lemgo soll ein Krankenhaus der Grundversorgung bleiben und auch eine Notfallversorgung bieten. Neurologie und Onkologie werden definitiv bis 2030 nach Detmold umziehen, dort wird somit ein Notfallzentrum des höchsten Levels (Level 3) sowie ein onkologisches Spitzenzentrum entstehen und damit der universitäre Maximalversorger gestärkt. Das sind die neuen Pläne für das Klinikum Lippe Ob die Pneumologie tatsächlich, wie ebenfalls geplant, nach Detmold umziehen wird, wird 2027 überprüft; über die Verlagerung der Thorax- sowie der Gefäßchirurgie wird Anfang des Jahres entschieden. Abteilungen für Innere Medizin und eine Allgemeine Chirurgie, Intensivmedizin, Notfallgrundversorgung und Radiologie/Labor bleiben in Lemgo. Außerdem die Bereiche Geriatrie, Weaning, Radiologie, Nuklearmedizin. Hütte würdigt die Entscheidung der Gesellschafterversammlung als &bdquo;Riesenschritt“: &bdquo;Es ist eine Herausforderung, das umzusetzen, was uns der Gesellschafter auferlegt. Geschäftsführung, Ärzte – wir werden alles tun, diesen Auftrag umsetzen zu können. Das geht nur, wenn alle mitziehen, das wird Jahre dauern“, sagt er. Zu jenem Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass er schon bald nicht mehr Teil des Teams sein wird. Denn schon tags drauf fordern CDU und SPD in Person ihrer Parteichefs Katrin Freiberger (SPD) und Lars Brakhage (CDU) die gütliche Trennung von Klinik-Geschäftsführer Johannes Hütte. &bdquo;Um einen Reformprozess erfolgreich voranzutreiben, muss ein Geschäftsführer das Vertrauen von Mitarbeitenden, den Standortkommunen und der Politik haben. Das ist erkennbar nicht mehr durchgängig der Fall“, sagt Freiberger. Landrat Lehmann ist entsetzt, Hütte völlig überrascht. Abberufung Hüttes im Dezember Die Medizinische Geschäftsführerin Christine Fuchs stellt sich vor Hütte und droht, ohne die Geschäftsführung als Gesamtheit für eine zukünftige Zusammenarbeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen – doch das nützt nichts. Die Abberufung Hüttes erfolgt mehrheitlich in der Gesellschafterversammlung am 5. Dezember. Landrat Lehmann betont nochmals, dass er die Entscheidung angesichts der bevorstehenden Herausforderungen der Umstrukturierung für &bdquo;grundfalsch“ halte, doch der Beschluss steht: Hütte, dessen Vertrag regulär 2026 ausgelaufen wäre, geht zum 31. März 2025, darf aber bis dahin die Geschäfte weiter führen. Die Suche nach einem Nachfolger beginnt. Der schwerste Sturm ist vorüber, die Wogen aber lange nicht geglättet. Fortsetzung folgt.

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