Über den Wolken

Im Heißluftballon mit einem Weltmeister – Start am Flugplatz Oerlinghausen

Eine Ballonfahrt über der Senne ist außerordentlich. Zumal wenn ein legendärer Segelflieger mit an Bord ist: Bruno Gantenbrink ist bereits von John Travolta ausgezeichnet worden.

Ein spektakulärer Anblick. Doch nicht eine Drohne hat dieses Superbild geschossen, sondern eine Hightech-Kamera an einem Teleskop-Stab. Beim Fotografieren wird der Stab aus dem Bild entfernt. Foto: André Becker | © André Becker

Horst Biere
23.05.2025 | 28.05.2025, 14:45

Oerlinghausen. Es ist frisch an diesem Morgen. Halb sechs und ein kobaltblauer Himmel liegt über Ostwestfalen. Wir stehen auf einer riesigen Wiese unweit der Kaunitzer Ostwestfalenhalle. Doch es wird noch kälter für einige Momente – und lauter. Denn André Becker sorgt für mächtig Wirbel.

Der Oerlinghauser Ballonpilot wirft einen großen Ventilator an, der die kühle Morgenluft in eine gewaltige Ballonhülle bläst. Das ist der Auftakt für eine höchst attraktive Luftreise, die uns über die Sennelandschaft führen wird. Denn sobald sich der am Boden liegende Ballon ein wenig aufgebläht hat, bekommt er von einer zischenden Gasflamme heiße Luft eingeblasen.

Der Brenner am Ballonkorb befördert die Wärme in die Hülle. Das ganze Gebilde richtet sich langsam auf, und der quadratische Korb, der mit Seilen an der Hülle befestigt ist, stellt sich in die Senkrechte. Fertig zum Einsteigen und Abheben.

Der Wind bestimmt auch den Startort

Vier Personen und vier hüfthohe Gasflaschen, die in den Ecken befestigt sind, passen bequem in den Ballonkorb. Die Balloncrew setzt sich heute allerdings – außer dem mitreisenden Journalisten – aus drei Luftfahrtexperten zusammen: André Becker, Segelflieger, Ballonfahrer und Inhaber eines Ballonsport-Unternehmens in Oerlinghausen, Georg Hemkendreis, langjähriger Geschäftsführer der Flugplatzgemeinschaft und Pilot mit mehreren Lizenzen und Bruno Gantenbrink, Segelflug-Weltmeister und mehrfacher Europameister im Segelfliegen, der zudem Mitglied im berühmten internationalen Club der „Flying Legends“ ist. Viel geballte Luftfahrt-Erfahrung also, die nicht nur einen reibungslosen Start, sondern auch eine sichere Landung verspricht.

Viel Flugerfahrung kommt im Ballonkorb zusammen. Georg Hemkendreis (v. l.), Bruno Gantenbrink und André Becker. Foto: Biere - © Horst Biere
Viel Flugerfahrung kommt im Ballonkorb zusammen. Georg Hemkendreis (v. l.), Bruno Gantenbrink und André Becker. Foto: Biere | © Horst Biere

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Eigentlich wollten wir unmittelbar in Oerlinghausen in die Luft aufsteigen, doch ein kleiner Testluftballon zeigte widrige Luftströmungen über dem Segelflugplatz. Also transportiert André Beckers Ballonfahrer-Kollege Frank Holthöfer uns kurzerhand samt Korb und Hülle in die Senne. Nun aber, bei kaum spürbarem Wind geht’s aufwärts. In der ruhigen Luft, einige hundert Meter über dem Kirchturm von Kaunitz, zeigt sich die Bergkette des Teuto, der Holter Wald, der ferne Taleinschnitt mit der Oerlinghauser Kirche in superklarer Sicht.

Weltmeister muss seine Lizenz auffrischen

Auf der anderen Seite, mit Blick Richtung Westen, ist über die grünen Wiesen hinweg die Silhouette von Gütersloh zu erkennen. Spielzeugklein sausen die Autos durch die Straßen unter uns, wie Matchbox-Modelle im Kinderzimmer. Es herrscht eine traumhafte Flugruhe, die nur ab und zu durch das Dröhnen des Gasbrenners durchbrochen wird. Denn gelegentlich muss neue Heißluft in die offene Hülle über unseren Köpfen befördert werden.

Bruno Gantenbrink bedient den Ballon, kümmert sich um den Brenner, beobachtet die Instrumente, die die Höhe und Geschwindigkeit anzeigen. Denn der Weltmeister im Segelfliegen benötigt eine neue Lizenz fürs Ballonfahren. Es gelten strenge Luftregeln im Ballonsport. Danach muss jeder Ballonpilot jährlich eine Reihe „Fahrstunden“ in der Luft absolvieren, um nicht die Lizenz zu verlieren. Und André Becker, der das Ballonunternehmen seit 2020 in Oerlinghausen betreibt, fungiert gelegentlich als Fluglehrer und Prüfer für den Ballonsportverband.

Bruno Gantenbrink, der Segelflug-Weltmeister. - © Horst Biere
Bruno Gantenbrink, der Segelflug-Weltmeister. | © Horst Biere

Ballonmeetings rund um den Globus

An Ballonmeetings rund um den Globus, unter anderem auch auf den Philippinen, Frankreich, Spanien, England, Marokko und in den Alpenländern, hat er bereits teilgenommen und Tausende von Stunden Flugerfahrung. Mit seiner Partnerin Henrieke Erfling leitet Becker sein kleines Lufttouristik-Unternehmen „Team Aeroballonsport“. Er besitzt vier Ballons nebst Körben. Vor allem in der Saison, die von Mai bis Oktober reicht, ist er gut ausgebucht.

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„Ostwestfalen ist eine ideale Gegend, um Ballon zu fahren“, erzählt André Becker. „Es gibt viele kleinere Flugplätze, auf denen man perfekt starten kann. Oerlinghausen, Porta Westfalica, Windelsbleiche, Detmold, Bad Rothenfeld und so weiter.“ Außerdem biete die hiesige Gegend – aus der Luft betrachtet – eine höchst abwechslungsreiche Landschaft mit kleinen Städten, Wiesen, Felder und die bewaldeten Hänge des Teutoburger Waldes.

Unsere Luftfahrt jedenfalls endet nach etwa zwei Stunden. Ganz sanft und problemlos. Sogar eine sauber gemähte Wiese liegt unter uns, auf der unser heutiger Pilot Bruno Gantenbrink aufsetzt. Leider hat uns der leichte Wind doch nicht bis nach Oerlinghausen getragen, sondern uns nach hufeisenförmiger Fahrt wieder in die Nähe unseres Starts gebracht. Doch unser Verfolger und Transporteur Frank Holthöfer hat die gesamte Tour vom Boden aus beobachtet und ist mit dem Transportwagen und Anhänger bereits an Ort und Stelle.

INFORMATION


Fliegerlegende Bruno Gantenbrink

Der 76-jährige Bruno Gantenbrink ist mehrfacher deutscher, Europa- und Weltmeister im Streckensegelflug. Er lebt im sauerländischen Menden. Den Oerlinghauser Segelflugplatz und den Luftraum über der Bergstadt kennt Gantenbrink bestens, denn oft ist er hier gestartet und gelandet. 1963 ging Bruno Gantenbrink zum ersten Mal in die Luft. „1989 wurde er Weltmeister im Segelflug und tritt heute noch gegen die Besten an“, berichten die Medien über ihn. Bei Wikipedia heißt es: 2018 wurde Gantenbrink in die Reihe der „Living Legends of Aviation“ aufgenommen, eine Vereinigung aus etwa 100 berühmten und verdienten Persönlichkeiten der internationalen Luft- und Raumfahrt. Die Laudatio damals hielt das Mitglied John Travolta.