Oerlinghausens Geschichte der Segelfliegerei

Oerlinghausen. Warum entwickelte sich gerade Oerlinghausen zur Fliegerstadt? Es war wohl einerseits die günstige Hanglage zwischen dem Teutoburger Wald und der offenen Heidelandschaft, die die wichtige Thermik, also den warmen Aufwind, erzeugte. Und es war andererseits die Flugleidenschaft vieler junger Leute aus der ganzen Region, die vor fast 100 Jahren in der Oerlinghauser Stadtsenne zusammenkamen. Uwe Molck, der ein Buch über die Anfänge des Segelfliegens geschrieben hat, sprach vor zahlreichen Besuchern im Bürgerhaus über die Flugpioniere der 1920er und -30er Jahre, die letztlich dazu führte, dass die Bergstadt zum Mekka der Segelflieger wurde. Auf einer Veranstaltung des Oerlinghauser Heimatvereins beleuchtete Uwe Molck die spannende Geschichte der Fliegerei, die bereits bei Otto Lilienthal anfing und die über die Kriegsflieger des Ersten Weltkriegs bis zu den ersten Segelflugversuchen in der Rhön und am Teutoburger Wald führte. Mit Muskelkraft in den Himmel katapultiert &bdquo;Die Oerlinghauser Stadtsenne bildete in der Zeit der Weimarer Republik einen wichtigen Meilenstein im Flugsport“, sagte Uwe Molck. Die Bielefelder, Herforder und Detmolder Flugpioniere waren die Ersten, die erkannten, dass an den Hängen der Bergstadt besonders günstige Startbedingungen herrschten. &bdquo;Am 10. Mai 1931 war es so weit“, erzählte er, &bdquo;da fand die offizielle Einweihung des ersten Flugplatzes, also eines riesigen Grundstücks, das heute an die Straße &bdquo;An der Bleiche“ angrenzt, statt.“ Hier wurden auch die Hallen für die Flugzeuge aufgebaut. Die neuen Flugsportfans hatten zudem ein Areal für 180 Reichsmark im Jahr an den sogenannten Fliegerkuppen erworben, auf dem nun die Flüge begannen. Wie aber sah das Fliegen anno dazumal aus? Erst einmal musste das Flugzeug, auf dem ein einzelner Pilot saß, zum Start mühsam zum Hügel hinauf geschleppt werden. Ein langes Seil und viele kräftige Leute waren dazu erforderlich. Ein Gummiseil wurde dann eingehakt, fünf Mann packten die Enden des Gummiseils an. Auf das Kommando &bdquo;Ausziehen“ und &bdquo;Laufen“ rannte die Laufteams mit dem Seil den Berg hinunter. Auf das Kommando &bdquo;Los“ ließ das Halteteam los, und das Flugzeug schoss wie mit der Zwille katapultiert in die Luft. Nun hatte der Pilot eine knappe Minute Zeit, um einen Aufwind zu finden, der ihn höher trug. Meistens aber landete der Fluggleiter bald wieder auf seinen Kufen und die ganze Prozedur fing von vorne an. Der legendäre Flugpionier Robert Kronfeld, nach dem eine Straße in Oerlinghausen benannt ist, verlieh der Eröffnung des Oerlinghauser Flugfeldes im Mai 1931 einen besonderen Glanz. Der Österreicher Kronfeld, der aus einer angesehenen jüdischen Wiener Familie stammte, schaffte nämlich als erster Mensch einen Segelflug über 100 Kilometer und wurde deswegen als prominenter Flieger zur Einweihung des Flugbetriebs von der Stadt Oerlinghausen eingeladen. Den Weltrekord hatte der flugbegeisterte Robert Kronfeld zwei Jahre zuvor ebenfalls am Teutoburger Wald mit seinem damals modernen Segelflugzeug, der &bdquo;Wien“, aufgestellt. Bei Riesenbeck am westlichen Teutoburger Wald ließ er sich von einer 60 Meter hohen Erhebung mit Gummiseilen in die Luft katapultieren. Das Ziel schließlich – nach etwa sieben Stunden – bildete eine Wiese kurz vor Horn-Bad Meinberg. Das erste Oerlinghauser Flugzeug heißt &bdquo;Tönsberg“ Als nun der neue Segelflugplatz 1931 in der Bergstadt eröffnet wurde, bildete sich recht schnell auch ein Oerlinghauser Verein, der jedoch anfangs den etablierten konservativen Luftsportvereinen aus Bielefeld, Herford oder Detmold kräftig ins Gehege kam. Uwe Molck: &bdquo;Die Mitglieder aus jenen Vereinen rekrutierten sich zum großen Teil aus den alten Flieger-Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg.“ Die Oerlinghauser Flieger dagegen besaßen durchweg eine sozialdemokratische Gesinnung und schlossen sich mit ihrem Verein, dem &bdquo;Sturmvogel“, dem deutschlandweiten &bdquo;Flugverband der Werktätigen“ an. Der Friseurmeister Fritz Drewes, den alle nur unter seinem Spitznamen &bdquo;Tempo“ kannten, hatte in Oerlinghausen die Initiative zur Vereinsgründung ergriffen. In ihrer Freizeit begannen die &bdquo;Sturmvogel-Flieger“ – vielfach Handwerker wie der Karosseriebauer Jakob Risse – in einer eigenen Werkstatt unterhalb der Gaststätte Wolfseiche und einer neuen Halle am Fluggelände das erste Oerlinghauser Segelflugzeug zu bauen. Man nannte es &bdquo;Tönsberg“. Doch nur ein Jahr später war der &bdquo;Sturmvogel“ am Ende, denn mit der Machtergreifung der Nazis im Jahre 1933 wurden alle Luftsportvereine gleichgeschaltet. Wer weiterhin fliegen wollte, musste der Hitlerjugend (Flieger-HJ) und damit dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK) beitreten. &bdquo;Und der Windenflugplatz, also der heutige Segelflugplatz,“ erklärte Uwe Molck, &bdquo;wurde bald unter die Regie der Luftwaffe gestellt und gewann immer mehr militärische Bedeutung.“

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