Oerlinghauser helfen in der Ukraine

Trotz allem Elend glücklich

Bei einer privaten Reise in der Ukraine besuchen Mitglieder des Vereins „Help up mit Herz und Hand“ ihr Hilfsprojekt.

Die Kinder und Jugendlichen erhalten zu den Mahlzeiten Kartoffeln und Gemüse. Nikolaj Kaminski (links), Leiter des Vereins „Vaterhaus“, und Volker Neuhöfer besorgen Nachschub. | © privat

Knut Dinter
28.10.2024 | 28.10.2024, 08:23

Oerlinghausen. „Was, wohin wollt ihr fahren? In die Ukraine? Jetzt?“ Bei Freunden und Bekannten löste das Reiseziel von Katharina und Peter Block sowie Volker Neuhöfer nur Unverständnis aus. Fünf Tage lang hielten sie sich im äußersten Westen des Landes auf. Eine landschaftlich reizvolle Gegend, für einen Urlaub ideal. Doch Erholung war nicht der Reisezweck für die Drei aus Leopoldshöhe und Oerlinghausen. Vielmehr informierten sie sich über die Situation der Kinder und Jugendlichen, die von Lippe aus unterstützt werden.

Seit mehreren Jahren haben Mitglieder des kleinen Vereins „Help up mit Herz und Hand“ auch diese Gegend besucht, die als Bukowina bezeichnet wird. „Czernowitz, die frühere Hauptstadt, hat eine wechselvolle Geschichte und eine multinationale Bevölkerung. Rose Ausländer und Paul Celan verfassten dort ihre Gedichte“, berichtet Volker Neuhöfer. „Heute halten sich viele Binnenflüchtlinge in der Stadt auf, weil sie vom Kriegsgeschehen weit entfernt ist.“ Das friedliche Umfeld hatte auch die Leitung des Kinderheimes „Vaterhaus“ in Kiew bewogen, die mehr als 200 jungen Bewohner in diese Region im Westen des Landes für eine jeweils einwöchige Freizeit zu schicken. Hier leben sie jetzt in einem Feriencamp und verbringen eine unbeschwerte Zeit. Sie sind zumeist Kriegs- und Sozialwaisen. Ihre Eltern können häufig nicht ermittelt werden, denn vor dem Hintergrund des Kampfgeschehens bleibt für eine zentrale Vermisstendatei keine Zeit.

Während ihres Aufenthalts wurden die Besucher aus Lippe eines Nachts durch Sirenen geweckt – Luftalarm. „Jedes Mal wird das ganze Land gewarnt“, erfuhr Neuhöfer. „Wenn mehr Informationen bekannt sind, wird für die nicht betroffenen Regionen wieder Entwarnung gegeben.“ Unsicher haben sie sich jedoch zu keiner Zeit gefühlt.

Zahlreiche Familien haben mehrere Kinder des Heims aufgenommen, obwohl sie bereits für ihre eigenen sorgen müssen. Die Gäste aus Deutschland hatten bereits im vergangenen Jahr einige Familien zu Hause rund um die Hauptstadt Kiew besucht und erhielten Einblick in die Wohnverhältnisse, die zwangsläufig recht beengt und sehr einfach sind. „Die Versorgung ist gesichert, aber sehr bescheiden“, stellte Volker Neuhöfer fest.

Statt Süßigkeiten gibt es Früchte

Die Mahlzeiten der Kinder und Jugendlichen bestehen hauptsächlich aus Kartoffeln und Nudeln, es gibt Brot und natürlich Buchweizengrütze, weil sie preiswert ist. In den Geschäften sind alle Lebensmittel erhältlich, aber die Preise seien merklich angestiegen, haben die Besucher erfahren.

Nikolaj Kaminski, ehrenamtlicher Leiter des „Vaterhauses“, beschrieb die Situation mit den Worten: „Wer Geld hat, kann alles bekommen. Aber was wir uns im vergangenen Jahr noch leisten konnten, ist jetzt nicht mehr möglich.“ Die bescheidene staatliche Unterstützung reiche bei weitem nicht, sagte er. Daher ist die finanzielle Unterstützung von „Help up mit Herz und Hand“ hoch willkommen, die seit dem russischen Überfall jeden Monat geleistet wird.

Die Mittel werden sehr vorsichtig ausgegeben. „Mein Eindruck ist, dass die Betreuungskräfte äußerst sparsam mit unseren Spendengeldern umgehen“, stellte Neuhöfer fest. Kaminski riet sogar davon ab, Süßigkeiten als Gastgeschenk zu kaufen – auch dieses Geld sei besser in Lebensmitteln angelegt. Auf Anraten von Kaminski kauften die Besucher daher Äpfel, Bananen und Wassermelonen – für die Kinder ein geradezu ein seltenes Festmenü.

Das Camp werde gut geführt, die jungen Bewohner seien sauber und gepflegt gekleidet, stellten die Besucher fest. „Trotz allem Elend wirkten die Kinder glücklich“, meint Volker Neuhöfer.