Die Gründe für die friedliche Revolution in Oerlinghausen

Oerlinghausen. Sie zählten wohl zu den Schicksalstagen in Deutschland, jene Tage im November 1918 – auch in Oerlinghausen. Der katastrophale Erste Weltkrieg ging zu Ende, der Widerstand der Matrosen, Soldaten und Arbeiter führte im Deutschen Reich zur Kapitulation und zur Abdankung des Kaisers. Es bildeten sich überall Soldaten- und Arbeiterräte, die &bdquo;Novemberrevolution“ weitete sich auf das gesamte Reich aus. Und da Oerlinghausen seit April 1915 auch als Garnisonsstadt für das 145. Königliche Infanterieregiment fungierte, ergriff der Aufstand der Militärs ebenfalls das Bergdorf. Doch durch die besondere Situation in der sozialdemokratisch geprägten Gemeinde und dank des Geschicks des Gemeinderatsmitglieds Albert Schütte gelang es, gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern. Die Kriegsjahre hatten Oerlinghausen total verändert. Überall hatte es Einquartierungen von Soldaten gegeben, denn das 145. Infanterieregiment nutzte den kleinen Ort und seine Lazarette im Mariannenstift und an der Detmolder Straße 23 als Rückzugsraum, um die Soldaten wieder kampffähig zu machen. Die Soldaten belegten alle großen Gasthöfe Alle großen Gasthöfe Oerlinghausens waren vom Militär belegt: zum Beispiel das Hotel Stadt Bremen (heute Stadthotel), der Kastanienkrug oder der Gasthof &bdquo;Zum Goldenen Stern“ (heute Bestattungsunternehmen Heilmann). In vielen Privathäusern beschlagnahmte man die Zimmer, um dort Soldaten unterzubringen. Die Sennelandschaft nutzte das kaiserliche Militär als Manövergelände. Am Fuße des Barkhauser Berges, an den Fliegerkuppen, gruben die Soldaten Schützengräben in den Sand. Sie bauten Kampfunterstände und Zäune aus Holzpalisaden. Dort, im Trainingsgebiet, fanden nun Gefechtsszenen und Nahkampfausbildung statt. An Sonntagen pilgerten die Oerlinghauser in die Senne, um sich das neue Kampfgebiet anzuschauen. Doch die Begeisterung für das Militär schwand immer mehr im Laufe der Kriegsjahre. Denn Hunger, der Mangel an Brennstoff und zahlreichen lebensnotwendigen Dingen sowie das Leid durch die unendlich vielen gefallenen Soldaten hatten die Bevölkerung ausgelaugt. Was die &bdquo;Volkswacht“ über den Umschwung schrieb Im November 1918 war endlich Schluss. Der Historiker Jürgen Hartmann beschrieb das Kriegsende in Oerlinghausen in der Zeitschrift &bdquo;Rosenland“ und erläuterte, wie die &bdquo;Revolution“ im Bergdorf ablief. Er zitierte die Bielefelder Zeitung &bdquo;Volkswacht“, die schrieb: &bdquo;Der Umschwung begann hier am Sonnabend, 9. November. Ein Trupp Soldaten aus Bielefeld, der abends ankam, klärte die Garnison auf, worauf sich das ganze Ersatzbataillon des Königlichen Infanterieregiments (K.I.R.) 145 der Bewegung anschloss. Am Sonntag, vormittags 10 Uhr, versammelten sich die Soldaten, und es wurden Ansprachen gehalten, die über die Lage und die Pflichten aufklärten. Dann wurde ein Arbeiter- und Soldatenrat gewählt.“ Die Gründe für die friedliche Revolution in Oerlinghausen skizzierte später das Detmolder &bdquo;Volksblatt“: &bdquo;Revolutionsstimmung war in Oerlinghausen schon vor dem 9. November vorhanden. Als die Revolution endlich kam, fand sie hier einen wohlvorbereiteten Boden vor. Wie auffallend schnell und selbstverständlich wickelte sich hier alles ab. Die Offiziere der Kriegsgarnison gaben ihre Degen ab oder zerbrachen sie. Von der Amtshaustreppe sprach ein fremder Matrose am Abend des 9. November. Am anderen Vormittag war große Versammlung auf dem Marktplatz. Albert Schütte sprach in seiner ruhigen, überzeugenden Art und hatte alles hinter sich.“ Bei der Bildung des Volks- und Soldatenrates hatte Schütte sich sozusagen als Politiker an die Spitze der Revolution der Soldaten gestellt. Jürgen Hartmann schreibt, dass neben dem Sozialdemokraten Albert Schütte auch die SPD-Mitglieder Carl Ober und Fritz Landermann dabei waren, sowie zwei Oerlinghauser aus dem bürgerlichen Lager: der Bäckermeister Ferdinand Diekmann und der Uhrmacher Julius Tellmann. Die Aufgaben des Soldatenrates Die Mitglieder des Soldatenrates übernahmen in Oerlinghausen verantwortungsvolle Aufgaben. Hartmann: &bdquo;Dazu gehörten in den ersten Tagen und Wochen nach dem Waffenstillstand die Sicherstellung von Ruhe und Ordnung sowie vornehmlich der Versorgung.“ Das Detmolder &bdquo;Volksblatt“ schilderte in einer Rückschau: &bdquo;Große Holzmengen wurden auf dem Marktplatz aufgestapelt und dann an die Bevölkerung nach und nach verteilt. So kam man über die größte Brennstoffnot des Winters hinweg.“ Das Ersatzbataillon des K.I.R. 145 allerdings wurde zur Demobilisierung nach Barby bei Magdeburg verlegt. Doch hatte man die Schäden in Oerlinghausen längst nicht beseitigt. Jürgen Hartmann: &bdquo;Eigentlich sollten die Soldaten noch die angelegten Schießstände, Granattrichter, Wolfskuhlen und Schützengräben einebnen und den ursprünglichen Zustand des Geländes wieder herstellen. Dazu kam es in den allgemeinen Wirren und angesichts der Witterung jedoch nicht mehr. . . Im April 1922 sorgte der Arbeiter-Turnverein teilweise für Abhilfe und pflanzte auf einem Streifen von 600 Metern Länge und vier Metern Breite mehr als 200 Birken.“

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