Betreute Menschen um viel Geld betrogen? Detmolder Anwältin droht Mammut-Prozess

Detmold. Es wird ein Mammut-Prozess, so viel ist sicher: Eine Detmolder Rechtsanwältin, die vorrangig als gesetzliche Betreuerin gearbeitet hat, wird sich ab November mit zwei mutmaßlichen Gehilfen vor dem Landgericht Detmold wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Untreue verantworten müssen. Ein halbes Jahr nach Erhebung hat die Wirtschaftskammer die Anklage nun zugelassen – mit wenigen Abstrichen. Die Staatsanwaltschaft Detmold wirft der auf Betreuungsrecht spezialisierten Juristin vor, ihr Amt als Betreuerin zwischen Februar 2019 bis 2023 dazu missbraucht zu haben, acht ihrer zu betreuenden Klienten um teils große Summen Geld gebracht zu haben. Den realen Sachschaden beziffern die Ermittler auf rund 65.000 Euro. Insgesamt in 39 Fällen hatte Oberstaatsanwalt Christopher Imig Anklage erhoben, bis auf drei hat das Landgericht alle Vorwürfe zur Hauptverhandlung zugelassen. Laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth hält die Kammer zwei Vorwürfe für längst verjährt, in einem weiteren Fall sieht das Gericht keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsanwältin ein mit 15.000 Euro gefülltes Sparbuch einer Betreuten wirklich für sich behalten wollte. Oberstaatsanwalt Christopher Imig sieht das anders und hat direkt Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht wird sich daher die drei nicht zugelassenen Fälle noch einmal näher ansehen und dann entscheiden. Gericht hat sieben Prozesstermine angesetzt – vorerst Auf die Prozessbeteiligten wartet ein kompliziertes Verfahren. Sieben Verhandlungstage sind bisher laut Landgerichtssprecher angesetzt. Schon bevor es überhaupt losgeht, deutet sich aber an, dass noch mehr nötig sein könnten. &bdquo;Wir brauchen vermutlich die doppelte Anzahl an Terminen“, sagt Rechtsanwalt Georg Schulze, der die angeklagte Juristin vertritt. Archiv: Weil Detmolder Anwältin in U-Haft ist: 170 Menschen brauchen neue Betreuer Die Kammer habe bei den Prozessbeteiligten bereits angefragt, weitere Termine im Dezember und Januar zu blocken, sagt der Bielefelder Rechtsanwalt. &bdquo;Ich glaube, in einem sind wir uns alle einig: Das wird kein Verfahren, das man mit einem Deal leicht abwickeln kann.“ Drei Vorwürfe habe die Verteidigung bereits entkräften können, die restlichen Anklagepunkte müsste man in der Beweisaufnahme auseinandernehmen – und möglicherweise widerlegen. &bdquo;Wir sehen dem Ganzen entspannt entgegen.“ Neben der Rechtsanwältin ist auch eine ehemalige Mitarbeiterin (31) ihrer Kanzlei angeklagt, die mithilfe ihrer Chefin die Eigentumswohnung von einer Betreuten unter Wert gekauft haben soll. Damit soll die Mitarbeiterin etwa 50 Prozent des eigentlichen Kaufpreises und somit etwa 87.000 Euro gespart haben. Außerdem wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor, 7.000 Euro Pflegeleistungen kassiert zu haben, ohne dafür gearbeitet zu haben. Rechtsanwalt Reiner Röricht aus Hameln, der die Mitarbeiterin vertritt, übt sich in Ruhe. &bdquo;Wir werden erst einmal die ersten Verhandlungstage abwarten, bevor wir eine Stellungnahme abgeben“, sagt er. Drei Angeklagte stehen im Fokus Im Komplex um die Eigentumswohnung steht auch noch ein Immobilienmakler unter Verdacht. Der ebenfalls angeklagte Bielefelder (69) soll für die besagte Wohnung einer älteren Dame ein bewusst falsches Wertgutachten erstellt haben, damit der mutmaßliche Tatplan überhaupt funktionieren konnte. Verteidiger Martin Rother aus Gütersloh wirft den Anklagevorwurf auf Anfrage entschieden zurück. Sein Mandant werde sich dagegen in der Hauptverhandlung zur Wehr setzen, sagt Rother. Der Fokus des Prozesses liegt aber auf der angeklagten Juristin. Etwa 170 Menschen in Lippe und OWL soll die Anwältin zu Höchstzeiten betreut haben. Als sie im März 2023 für mehrere Wochen wegen möglicher Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft saß, mussten in Rekordzeit neue Betreuerinnen und Betreuer gefunden werden. Noch im Gefängnis verzichtete die Juristin freiwillig auf ihre Mandate, später kam sie für eine Kaution von 50.000 Euro frei. Die Auflage: Keinen Kontakt zu ehemaligen Betreuten und kein Bearbeiten von eben diesen Fällen. Lesen Sie auch: Betreuungsrecht: Weshalb Richter im Kreis Lippe oft Gummistiefel im Auto haben In einem der Anklagepunkte wird der Rechtsanwältin vorgeworfen, versucht zu haben, sich eine Erbschaft von einer dementen Frau in Höhe von 700.000 Euro zu sichern. Dies konnte damals aber verhindert werden, weil sich der rechtmäßige Erbe beschwert hatte. Die Ermittlungen allerdings fanden hier ihren Anfang – und zogen immer größere Kreise. Der Prozess startet am Montag, 18. November, vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts. Ehemann ist ebenfalls angeklagt Möglicherweise könnte sich die Anklagebank noch um einen Platz erweitern: Auch der jetzige Ehemann der Juristin soll aus Sicht der Staatsanwaltschaft zu Unrecht Leistungen einer Pflegekasse von mehreren Tausend Euro kassiert haben, die er dem Vorwurf nach gar nicht erbracht hatte. Die Staatsanwaltschaft Detmold hatte bereits vor einiger Zeit Anklage in zwei Fällen vor dem Amtsgericht erhoben. Wieder sollen die Vorwürfe mit einer von seiner Frau betreuten Person zusammenhängen. Noch liegt die Anklage allerdings beim Amtsgericht Detmold, der zunächst geplante Prozesstermin im Mai war ausgesetzt worden. Die Richterin hatte erst einmal abwarten und prüfen wollen, ob es Sinn macht, das Verfahren mit dem Großen an der Wirtschaftskammer des Landgerichts zu verbinden. Ob das passiert, steht noch nicht fest. Aus Sicht von Rechtsanwalt Martin Mauntel aus Bielefeld, der den Ehemann vertritt, lässt sich eine Entscheidung in beide Richtungen gut juristisch begründen. Da die benötigten Zeugen in beiden Komplexen nahezu identisch seien, mache es durchaus Sinn, die Verfahren zusammenzulegen. &bdquo;Dass das Gericht ein eh schon kompliziertes Verfahren unter Umständen nicht weiter überfrachten will, wäre aber auch nachvollziehbar“, sagt Mauntel.

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