Prozess gegen Detmolder Anwältin: Warum es zur Eskalation und einer Einstellung kommt

Detmold. Alles andere als besinnlich geht es im Betrugsprozess gegen eine Detmolder Anwältin (58) und ihre mutmaßlichen Gehilfen am Morgen nach dem ersten Advent zu. Die Emotionen im Saal 165 kochen hoch. Verteidiger Georg Schulze wirft der Staatsanwaltschaft Detmold vor, Beweise unterschlagen zu haben und beantragt, das Verfahren auszusetzen. Darüber entscheiden will die Wirtschaftskammer unter dem Vorsitz von Richterin Katharina Schikowski am nächsten Verhandlungstag – also am Dienstag, 3. Dezember. Einer der Angeklagten bekommt das Drama gar nicht mehr mit – sein Platz bleibt künftig eh leer. Die Kammer trennt das Verfahren gegen den mitangeklagten Immobilienmakler aus Bielefeld nämlich kurz nach Beginn des dritten Prozesstages ab und stellt es mit dem Einverständnis aller Prozessbeteiligten gegen eine Geldauflage von 5.000 Euro vorläufig ein. Die Staatsanwaltschaft Detmold hatte dem 70-Jährigen vorgeworfen, einen viel zu geringen Wert für die Wohnung einer betreuten Seniorin ermittelt zu haben. Deren gesetzliche Betreuerin – also die angeklagte Anwältin – soll die Einschätzung in Auftrag gegeben haben, ihre ehemalige Rechtsanwaltsgehilfin hatte das Objekt im Herbst 2022 dann für 82.500 Euro gekauft – etwa für die Hälfte des wohl eigentlichen Wertes. Verfahren gegen Immobilienmakler vorläufig eingestellt Der Komplex ist der einzige, der alle drei Angeklagten betrifft. Verteidiger Martin Rother aus Gütersloh, der den Immobilienmakler vertritt, hatte abwenden wollen, dem Prozess mit seinem Mandanten noch bis zum Ende der bis März angesetzten Beweisaufnahme beiwohnen zu müssen. Das sei keinesfalls als Schuldeingeständnis zu werten, sagt der Rechtsanwalt. &bdquo;Wir haben uns Richtung Freispruch bewegt, stimmen der Einstellung aber aus wirtschaftlichen Gründen zu.“ Die Prozesskosten habe er seinem Mandanten nicht zumuten wollen – auch emotional gesehen. &bdquo;Das Verfahren hat ihn sehr getroffen.“ Schon jetzt das Verfahren gegen den Makler mit einem Urteil zu Ende zu bringen, dazu sei die Wirtschaftskammer nicht bereit gewesen, meint Rother. Schließlich will das Gericht noch ein unabhängiges Gutachten einholen, um den Wert der Wohnung final zu klären. Der Immobilienmakler hatte zuletzt dargelegt, wie er den Preis als erste Schätzung anhand einiger Grunddaten errechnet habe. &bdquo;Was damit hinter seinem Rücken passiert ist, kann er nicht wissen“, sagt sein Verteidiger. Bevor sich die Kammer dem nächsten Vorwurf rund um eine demente Seniorin, deren Erbe sich die Anwältin mutmaßlich habe erschleichen wollen, widmen kann, verliest Verteidiger Bahattin Koyun aus Bielefeld noch eine Erklärung für die Rechtsanwaltsgehilfin. Bisher hatte die 31-Jährige – genauso wie ihre ehemalige Chefin – zu den Vorwürfen geschwiegen. Während ihr Anwalt ihre Worte verliest, wirkt die Mandantin sichtlich angespannt. Rechtsanwaltsgehilfin beteuert über Verteidiger Unschuld Die ehemalige Kanzleimitarbeiterin beteuert der Erklärung nach, dass die 85-jährige Seniorin ihr selbst vorgeschlagen habe, die Wohnung zu mieten. Erst später sei durch den regelmäßigen Kontakt der Verkauf Thema geworden, da die 31-Jährige in ihren eigenen vier Wänden mit einem Wasserschaden zu kämpfen gehabt habe. Der Preis soll für die Seniorin zweitrangig gewesen sein, trägt der Bielefelder Rechtsanwalt vor, das habe sie mehrfach betont. Aus Sicht des Verteidigers muss außerdem eine von den Ermittlern in den Fokus gerückte Whatsapp-Nachricht seiner Mandantin an ihre Chefin (&bdquo;Hätte nicht gedacht, dass der das so günstig hinkriegt, was den Preis angeht“) in den Kontext des weiteren Chatverlaufes gestellt werden. Darin heißt es ein paar Nachrichten später, die Seniorin habe den Kaufpreis von 80.000 Euro selbst vorgeschlagen. &bdquo;Sie will die Wohnung verkaufen“, soll die Kanzlei-Mitarbeiterin geschrieben haben. &bdquo;Supi“, lautet die Antwort der Anwältin. Deren Verteidiger Georg Schulze muss daraufhin seinem Ärger Luft machen. &bdquo;Ich raste aus, wenn ich hier einen Chatverlauf lese, der entlastendes Beweismaterial enthält“, sagt der Rechtsanwalt aus Bielefeld. &bdquo;Hier sind offenbar Beweismittel unterschlagen worden.“ Damit spielt der Verteidiger ebenso darauf an, dass es der Erinnerung der Rechtsanwaltsgehilfin nach mehr Briefe zwischen ihr und der Seniorin gegeben haben soll, als in den Akten vermerkt sind. Oberstaatsanwalt weist Vorwürfe zurück Die Vorwürfe weist Oberstaatsanwalt Christopher Imig entschieden zurück. &bdquo;Sie können uns noch so oft vorwerfen, dass wir etwas falsch gemacht haben. Wir lassen uns nicht ans Bein pinkeln.“ Oberstaatsanwalt Imig kann ebenso nicht nachvollziehen, weshalb der weitere Chat entlastend sein soll, sagt er. Dass die IT die große Menge an Daten mittels Schlagworten durchsucht habe, hätte der zuständige Ermittler als Zeuge selbst angegeben. Verteidiger Schulze hält die Unterlagen dennoch für unvollständig und beantragt, das Verfahren auszusetzen. Andernfalls habe er keine Chance, das fehlende Material durchzuarbeiten. Alternativ müssten die etwa 50 Gigabyte in die Verhandlung eingearbeitet werden. Die Kammer stellt die Entscheidung zurück und hört sich noch die weiteren Zeugen an, die am Montag erschienen sind. Der Prozess wird am Dienstag, 3. Dezember, fortgesetzt.

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