Starkregen in Lage: "Wasser kam wie eine Flutwelle über den Hof"

Lage-Hagen. Alles ist mit Schlamm überzogen, in der großen Mulde, die Dienstagnachmittag angefahren wird, wird der Müll entsorgt. Lebensmittel, die wasserdicht verpackt waren, hat die LeAula Lebensmittelausgabe für die kostenlose Verteilung abgeholt. Wiebke Brinkmann steht in ihrem Hofladen, die Regale sind fast alle leer, es gibt keinen Strom. "Wir haben nie damit gerechnet, dass wir so stark betroffen sein könnten. Aber wir hatten mit der Stadt bereits ein Hochwasserkonzept erarbeitet - die Natur war leider schneller. Unsere neuen Konzepte für den Biohof wurden in Minuten vernichtet", sagt sie. Der Biohof liegt am Haustenbach, der ist eigentlich kaum zu sehen, doch am Montag entwickelte er eine zerstörerische Kraft ungeahnten Ausmaßes. Auf dem Weg zum Hof sieht man, dass große Teile im Asphalt fehlen. Große Steine wurden weggerissen, der Bauwagen schwamm, das Auto ebenfalls - Totalschaden. Wasser stand gut einen Meter hoch Binnen Minuten floss ein starker Strom über den Hof und von hinten in den Hofladen. "Es gibt Karten, in denen wir vor einiger Zeit nachgeschaut hatten, was bei Starkregen auf uns zukommen könnte. Das war eine Wasserhöhe von maximal 20 Zentimetern", sagt sie. An der Ladentheke sieht man: Es stand gut einen Meter hoch. Bei der Ahrtalkatastrophe habe man gesehen, wie unberechenbar die Lage ist. Also kümmerte sich Wiebke Brinkmann gemeinsam mit ihrem Mann darum, wie vor Ort umfassender Abhilfe geschaffen werden könnte. Das ökologische Konzept des Hofes umfasst schließlich die Aufklärung in Sachen Klimaschutz. Der Haustenbach war bereits eingemessen worden, es habe Verhandlungen über den Tausch von Flächen gegeben, damit der Bach mehr Platz bekommt und sich das Wasser bei starkem Regen eben nicht unkontrolliert und ungebremst seinen Weg sucht und immer mehr Wucht entwickelt. "Wir müssen schnellstens umdenken und Konzepte umsetzen, mit denen wir das Wasser lenken können", sagt Brinkmann. Und sie hat praktische Beispiele. Durch Baumpflanzungen, Altgrasstreifen und Hecken ließen sich Wassermengen lenken. "Aber es wird in erster Linie da gemacht, wo es für die Landwirtschaft unwirtschaftliche Flächen gibt, nicht da, wo es Wirkung zeigen könnte." Dafür brauche es eine Gesamtplanung für Lage, Lippe - für das ganze Land. Und mehr Einsicht dafür, dass der Hochwasserschutz ein elementarer Bestandteil des Klimaschutzes ist. "Es geht auch um Dürre - wie schaffen wir es, Wasser langsamer versickern zu lassen? Auch dieses Thema wird immer wichtiger." Und nicht zuletzt ist es der Boden, der geschützt werden muss. Vor ihrem Hofladen klebt die braune Pampe zentimeterdick auf dem Pflaster. Wiebke Brinkmann sieht etwas ganz anderes. "Das ist fruchtbare Erde von einem Acker, die verloren ist." Die SoLawi-Flächen haben sich bewährt Der wirtschaftliche Schaden ist hoch, gerade habe man neue Projekte an den Start bringen wollen, alles war vorbereitet. Jetzt ist alles weg. Am Montag habe man hilflos zusehen müssen. "Das Wasser kam wie eine Flutwelle über den Hof in den Laden." Zum Glück sei kein Mensch oder Tier zu schaden gekommen. Eine Kindergruppe der Grundschule Ehrentrup, die eigentlich eine Rallye auf dem Hof machen wollte, flüchtete in eine Scheune, als der Regen einsetzte. Dann stieg der Pegel rasant und die Angst wuchs. "Es waren sofort Helfer hier, wir haben sie rausgeholt, und ihnen ist nichts passiert." Ironie des Schicksals: Das Thema der Rallye war der Klimawandel und seine Folgen. Keller auch am Dienstag noch voll Wasser Was funktioniert, das zeige sich nach dieser Katastrophe. Die Fläche der Solidarischen Landwirtschaft, die ebenfalls zum Biohof Brinkmann gehört, habe so gut wie keine Schäden. "Kein Gemüse wurde weggespült, der Boden ist nicht weggeschwemmt worden. Das zeigt im Kleinen deutlich, dass es Möglichkeiten gibt. Wir müssen die Ergebnisse der kleinen Konzepte anpassen und auf große Flächen übertragen. Es ist im Interesse aller, denn es kann jeden treffen - jederzeit." Wie es weitergeht, da hat das Paar am Dienstagnachmittag noch keinen konkreten Plan. Erst einmal muss der Strom wieder her, der Keller stehe aber noch voller Wasser. Ist der Schritt getan, könne wieder gebacken werden. "Wir müssen sehen, was wir an Vorrat retten können. Was wir in 20 Jahren aufgebaut haben, das ist einfach weggespült worden." Finanziell sei der Schaden groß, was Mut mache, sei die große Hilfsbereitschaft. Auf dem Hof packen Dienstag viele mit an, weitere Helfer seien sehr willkommen. "Wir sind so dankbar dafür, dass der Zusammenhalt so gut ist. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, wir werden nicht aufgeben, sondern weitermachen - wie und wann, das wird sich zeigen", sagt Wiebke Brinkmann.

Meistgelesen