Die Hundeschule im Schopketal

Ignoranz als Erziehungsmethode

Markus Sisterhenn sorgt in seiner Hundeschule „Hundstage“ am Rande Oerlinghausens dafür, dass Mensch und Hund und andere Tiere gut miteinander auskommen. Der Spaßfaktor steht hoch im Kurs.

Auch Joggen will gelernt sein. Elke Hoffmann muss sich ziemlich sputen, um mit ihrem Hund Cassy mithalten zu können. Markus Sisterhenn fährt mit dem Fahrrad vor. In der Hand hält er einen orangefarbenen Ball, ein Lieblingsspielzeug von Cassy. | © Gunter Held

Gunter Held
04.03.2023 | 04.03.2023, 08:44

Oerlinghausen. Wie der Blitz rennt Frieda hinter dem Dummy her, dass Markus Sisterhenn geworfen hat. Beinahe hat sie es erreicht, es fehlen noch fünf, sechs Meter. Da ertönt hinter ihr von Markus Sisterhenn das Kommando „Weg“. Nicht gebrüllt, nur laut gerufen, mit einem deutlich hörbaren Ausrufezeichen hinter dem Wort. Sofort dreht Frieda ab. Dem Dummy schenkt sie nicht einmal mehr einen Seitenblick. Sie läuft zu ihrem Herrchen zurück. Der lobt und knuddelt sie.

Das, was so mühelos aussieht, ist das Ergebnis von Hundeerziehung, wie Markus Sisterhenn sie versteht. Respekt, Fairness und Konsequenz sind Grundpfeiler seiner Methode. „Hundetrainer“, sagt er, „ist keine offizielle Berufsbezeichnung. Es gibt mehrere Ausbildungsstätten. Ich habe mich Anfang der 200er Jahre für das Canis – Zentrum für Kynologie entschieden. Dort dauert die Ausbildung zwei bis drei Jahre und gegründet wurde das Zentrum unter anderen vom Wolfsforscher Erik Ziemen.“ Das Canis-Zentrum zertifiziert seine Absolventen und nennt sie inklusive ihrer Befähigungen im Internet.

Elisabeth Behre ist mit ihrem Husky Lupita beim Workshop für Zughunde mit dabei. Bei Lupita sind die beiden verschiedenfarbigen Augen zu erkennen. - © Gunter Held
Elisabeth Behre ist mit ihrem Husky Lupita beim Workshop für Zughunde mit dabei. Bei Lupita sind die beiden verschiedenfarbigen Augen zu erkennen. | © Gunter Held

Markus Sisterhenn betreibt seine Hundeschule „Hundstage“ seit 2009 kurz hinter der Grenze zu Bielefeld. Dafür hat er die ehemalige Waldgaststätte Schopketal umgebaut. Er bietet ein vielseitiges Programm an, das der Prämisse folgt: Vom ehemaligen Jagdgefährten ist der Hund durch Zucht zu einem Partner für den Menschen geworden. Zu einem Familienmitglied für die einen, zu einem Arbeitspartner für andere, wie Hütehunde, Zollhunde oder Therapiehunde. Und natürlich ist er auch immer noch ein Gefährte des Menschen bei der Jagd. Doch bei all der Nähe, die zwischen Hunden und Menschen entstehen kann, ist für Sisterhenn klar: Ein Hund ist ein Hund. Er wird nicht vermenschlicht.

Markus Sisterhenn und seine Frieda. Die Hündin der Rasse Deutsch Langhaar ist neun Jahre alt. - © Gunter Held
Markus Sisterhenn und seine Frieda. Die Hündin der Rasse Deutsch Langhaar ist neun Jahre alt. | © Gunter Held

Im Gespräch mit der Neuen Westfälischen berichtet er von einem Vorfall, über den er sich sehr geärgert hat. Er war mit einer Kundin auf einem häufig benutzten Waldweg unterwegs, weil sie trainieren wollten, dass der Hund entspannt an der Leine bleibt, wenn er Artgenossen begegnet. Ihnen entgegen kam ein anderer Hundehalter, dessen Hund, der ohne Leine umherlief, auf fünfzig Metern eine Radfahrerin verfolgte, so dass die Frau stehenbleiben musste und an einer Joggerin hochsprang. Als Sisterhenn die Hundehalterin darauf aufmerksam machte, dass dieses Verhalten des Hundes nicht in Ordnung wäre, holte er sich auch noch eine Abfuhr. Die Hundehalterin sagte tatsächlich: „Der will doch nur spielen.“ Darüber kann Sisterhenn nur den Kopf schütteln.

Hunde, die bei ihm in der Ausbildung sind, lernen gemeinsam mit der Bezugsperson. „Ich halte nichts von Fremdausbildung, außer in speziellen Bereichen, wie Blindenführhunden“, sagt er. „Natürlich bekomme ich viel schneller angestrebte Ergebnisse, weil ich die Technik beherrsche und weil ich für den Hund ein Fremder bin. Und demgegenüber nimmt sich ein Hund nicht so viel heraus, wie bei der Bezugsperson.“ Doch wie erzieht man denn nun einen Hund? Da müsse zunächst die Stellung innerhalb der sozialen Gruppe definiert werden. Wenn der Hund an erster Stelle steht, gibt es irgendwann Probleme. So berichtet er von einem Hund, oder besser von einem Hundehalterpaar, dass ein Kind bekommen hat. Der Hund hatte das Kind gebissen.

Lob und positive Verstärkung dürfen nie fehlen

Das Paar suchte Hilfe bei Sisterhenn, war aber nicht bereit, dem Hund nicht mehr die Priorität einzuräumen. Mit anderen Worten: Die Freiheiten des Hundes standen über dem Wohl des Kindes. Sisterhenn riet nach „intensiver aber leider erfolgloser Beratung“ dringend, den Hund abzugeben. Das tut er nicht leichtfertig und es kommt auch nur sehr selten vor. Doch das wollte das Paar nicht. „Ich habe es dann abgelehnt, weiter mit den Haltern zu arbeiten. Ich habe das fachlich begründet und mir auch unterschreiben lassen, dass eine Abgabe abgelehnt wurde, denn solch ein Verhalten finde ich unverantwortlich.“

Erziehungsmethoden gibt es ganz unterschiedliche. Doch bevor es mit dem eigentlichen Training losgeht, ist es sinnvoll, den Hund auf Veränderungen vorzubereiten und den Status des Halters zu erhöhen. Sisterhenn nennt zuerst das Ignorieren. Wenn ein Hund ständig im Weg liege, sollten die Hundehalter einfach weitergehen. Nicht über den Hund hinwegsteigen, sondern ihn mit dem Fuß beim Gehen wegschieben. Natürlich nicht treten, nur wegschieben – und das, ohne den Hund dabei anzusprechen.

Eine andere Möglichkeit ist, Muster und Rituale aufzubrechen. Wenn ein Hund sich allzu gierig auf sein Fressen stürzt, kann es helfen, das Futter fertig zu machen und eine Weile auf den Schrank zu stellen. Oder, bei ungestümen Hunden, die Leine vom Haken zu nehmen, was den Hund schon mächtig in Fahrt bringt, und dann aus dem Haus zu gehen, ohne den Hund mitzunehmen. Eben Dinge zu tun, mit denen der Hund nicht rechnet. Das helfe, ihm seine Stellung in der sozialen Gruppe deutlich zu machen. Eine weitere Methode sei die Ausweitung der Frustrationstoleranz. Dabei werde ein Hund einer Situation ausgesetzt, die ihn frustriere. Zum Beispiel wird das Lieblingsspielzeug vor einen angeleinten Hund gelegt – gerade außerhalb seiner Reichweite. Das muss er aushalten, bis seine Bezugsperson ihm das Spielzeug gibt.

„Der Hund muss mich im Kopf haben“, sagt Sisterhenn. Und das gilt auch, wenn das Verhalten nicht so ist, wie es sein soll. Sisterhenn spricht dabei ungern von Strafe. Er nennt es Unterbrechung, was auch viel treffender ist, weil ein bestimmtes Verhaltensmuster unterbrochen wird. Das kann ein deutliches Wort sein, ein Stups in die Seite oder auch ein Zug an der Leine. Was aber nie fehlen darf, ist die positive Verstärkung, wenn der Hund alles so macht, wie es sein soll. Das können Streicheleinheiten sein, das kann ausgelassenes Toben mit dem Hund sein, das können aber auch Leckerlis sein. Denn bei jedem Umgang mit dem Hund steht für Sisterhenn eines immer ganz oben: Das Zusammenleben, Spielen und Arbeiten muss Spaß machen – beiden.