Löhnerin erzieht Problemhund zum entspannten Familienmitglied

Löhne. Der Reporter muss nicht klingeln. Pike, ein wunderschöner, schwarzer Schäferhund, hat den Besuch längst gehört. Er bellt laut. Der Gast muss sich keine Sorgen machen. Nach einem kurzen Befehl von Besitzerin Levke Thielking geht der Hund in seine Box und beobachtet den Besuch aufmerksam auf dessen Weg durch den Hausflur. Hunde gibt es viele in Löhne. Die Geschichte von Pike ist ein besondere. Levke Thielking erzählt sie, weil sie anderen Hundebesitzern Mut machen möchte. Hunde spielen im Leben von Levke Thielking schon seit ihrer Kindheit eine wichtige Rolle. Im August 2021 hatten sich Thielking, ihr Partner und ihr Sohn kaum vom Tod des geliebten Familienhundes Cosmo erholt. Dieser war im Alter von zweieinhalb Jahren an einer Niereninsuffizienz gestorben. &bdquo;Der fehlt mir immer noch unglaublich“, sagt sie. Aus dem Wurf einer Halbschwester von Cosmo, der damals bevorstand, sollte eigentlich der neue Hund der Thielkings kommen. Dann kam alles ganz anders. &bdquo;Wir stolperten über eine emotional formulierte Anzeige einer alleinerziehenden Mutter. Sie suchte ein neues Zuhause für Pike, weil sich ihre Lebensumstände geändert hätten“, sagt Thielking. Es wurde hin und hergeschrieben und telefoniert. Dass etwas kompliziert werden würde, darauf waren die Thielkings vorbereitet. &bdquo;Die Vorbesitzerin hat gesagt, dass Pike beim Kontakt mit fremden Hunden schwer händelbar wäre“, erinnert sich die 35-Jährige. Lesen Sie auch: Tipps und häufige Fehler von Hundebesitzern Eine ziemlich kurze Zündschnur Das hätte der erfahrenen Hundehalterin keine Probleme bereitet. &bdquo;Das ist der Klassiker, wenn man der Erziehung des Hundes zu wenig Zeit widmet“, sagt sie. Nach Abschluss der einwöchigen Kennlernphase stand fest, die Probleme von Pike deutlich größer sind. &bdquo;Wir bemerkten sehr schnell, dass dieser bildschöne Schäferhund in vielen Situationen ein unsicheres Verhalten zeigte und eine ziemlich kurze Zündschnur besaß.“ Familie Thielking entschloss sich, trotz der anfänglichen Zweifel, Pike aufzunehmen und ihm ein neues Zuhause geben. &bdquo;Da wussten noch nicht, was auf uns noch zukommen sollte“, sagt Thielking. Weil Pike auf einem eingezäunten Grundstück gehalten wurde, konnte er in der prägenden Phase nur wenige Erfahrungen sammeln. Die Folge war, dass er drastische Verhaltungsauffälligkeiten entwickelte. &bdquo;Pike reagierte förmlich auf alle Bewegungsreize, die durch Radfahrer, Jogger, andere Tiere oder motorisierte Objekte ausgelöst wurden“, sagt die Löhnerin. In solchen Situationen sei er nicht ansprechbar gewesen. &bdquo;Er eskalierte ohne Vorwarnung völlig unverhältnismäßig an der Leine.“ Auch sie als erfahrene Hundeführerin habe nicht auf ihn einwirken können. Es habe Tage gegeben, da habe er mit aller Kraft an der Leine gezogen und gebellt, wenn er nur einen Trecker am Horizont erblickte. Levke Thielking war verzweifelt. &bdquo;An solchen Tagen bin ich zu Hause oft in Tränen ausgebrochen. Ich war überfordert. Mit Pike, der mich regelmäßig an meine körperlichen Grenzen brachte. Mit außenstehenden Menschen, die uns auf Spaziergängen völlig verständnislos ansahen oder sehr zynisch reagierten, da sie annahmen, dass Pike extrem unerzogen sei.“ Lesen Sie auch: Nach 1.200 Tagen im Tierheim - Aggressiver Hund findet Traumfrauchen Besonderes Training für Pike Klar, dass etwas unternommen werden musste. Sonst hätte die Familie das Zusammenleben mit dem Schäferhund eher früher als später beendet. Thielking suchte nach Unterstützung und fand eine Trainerin, die auf verhaltensauffällige Hunde spezialisiert ist. Die Expertin arbeitete ein individuelles Verhaltenstraining aus. Bei Pike wurde unter anderem mit der positiven Verstärkung und der Gegenkonditionierung gearbeitet. &bdquo;Bei der positiven Verstärkung wird der Hund bei gewünschtem Verhalten belohnt. Die Gegenkonditionierung besteht darin, eine neue, positive Assoziation mit einem beängstigenden Reiz zu schaffen. Wichtig sei, dass auch in den eigenen vier Wänden für Konsistenz gesorgt wird. Das Training müsse schon zu Hause stattfinden. Das gelte besonders für Hunde wie Pike, die zu reaktivem Verhalten neigen. Das bedeutet, dass ein Hund übermäßig stark auf die Reize seiner Umgebung reagiert. Diese Reizüberflutung könne sich zum Beispiel in Form von völlig überspitzten Verhaltensweisen widerspiegeln. Reaktivität bei Hunden könne mit dem Krankheitsbild von ADHS verglichen werden. Diese Hunde bräuchten mehr Management und Anleitung als andere Hunde. &bdquo;Beispielsweise wird das Futter, das ich in den Napf gefüllt habe, nur auf mein Okay hin angerührt. Der Besuch wird begrüßt, wenn ich die Erlaubnis erteile“, nennt Thielking Beispiele. Mit diesen Ansagen bekämen die Hunde eine klare Orientierung. Lesen Sie auch: 20 Gründe, warum Hunde bessere Haustiere sind als Katzen Tagessieger bei der Prüfung Die Therapie und das Training zeigten Erfolge. Schließlich fühlte sich Levke Thielking mit Pike so sicher, dass sie die nächste Herausforderung suchte: &bdquo;Um Pike kognitiv und physisch besser auszulasten als auch unsere Bindung zu stärken, habe ich begonnen, mit ihm im Schäferhundeverein zu trainieren und ihn entsprechend der Gebrauchshundeprüfungsordnung auszubilden“. Die Ausbildung habe eine große Herausforderung bedeutet. Es habe Erfolge und Rückschläge gegeben. Im vergangenen Jahr legte Thielking mit Pike erfolgreich die Begleithundeprüfung ab. In diesem Jahr folgten weitere Prüfungselemente (IGP1): Fährtenarbeit, Unterordnung, Schutzdienst. &bdquo;Die entsprechende Prüfung fand am 2. November statt. Pike schaffte mit 279 Punkten den Tagessieg.“ Dieser Erfolg bestätigt Thielking in ihrer Entscheidung, nicht den einfachen Weg gegangen zu sein, Pike abzugeben. &bdquo;An manchen Tagen bin ich mit Pike durch die Hölle gegangen. Aber ich möchte an dieser Stelle jedem Mut machen, der sich bewusst für einen Hund mit Special Effects entscheidet“. Pike durfte den Reporter übrigens längst begrüßen und ihn ausgiebig beschnüffeln. Jetzt liegt er neben seinem Stuhl. Ganz entspannt und freundlich. Dass ein so harter Weg hinter ihm und seiner Besitzerin liegt, darauf würde man niemals kommen.

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