Oerlinghausen. In Norddeutschland gibt es den Spruch: Dreimal ist Bremer Recht. In Oerlinghausen scheint es ebenso zu sein. Bei der Sitzung des Kultur- und Schulausschusses am Don-nerstag beantragte die Initiative Oerlinghausen die Teilnahme am Projekt „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig – und hatte Erfolg. Zum ersten Mal wurde solch ein Antrag im Jahr 2003 von den Grünen gestellt – und abgelehnt. 2011 gab es einen Bürgerantrag gleichen Inhalts. Auch er wurde abgelehnt, nicht zuletzt, weil sich die damalige künstlerische Leiterin des Kunstvereins Oerlinghausen, Gisela Burkamp, und die jüdische Gemeinde Bielefeld in Stellungnahmen gegen das Projekt ausgesprochen hatten.
Nun also der dritte Anlauf – und IO-Fraktionschef Dennis Thon hatte sich gut vorbereitet. Er griff eines der Hauptargumente der Stolperstein-Gegner auf, dass nämlich das Gedenken an die Opfer der Nazi-Diktatur buchstäblich mit Füßen getreten werde, wenn die 10 mal 10 Zentimeter großen Steine in die Gehwege hineinverlegt werden. Die Stiftung „Spuren“ von Gunter Demnig, deren umfangreiches Infomaterial dem Antrag beilag, hat jedoch herausgefunden, dass die meisten Menschen nicht auf die Stolpersteine treten. Das geht mittlerweile so weit, dass sich in vielen Orten schon Putzpatenschaften gegründet haben, die die Messingoberfläche der Steine sauber halten.Und Thon führte noch ein weiteres Argument an: Wenn man die Inschrift auf den Steinen lesen möchte, muss man sich etwas hinunterbeugen. Genau das könne auch als eine Verbeugung vor dem Opfer des Naziterrors verstanden werden.
Auch der Erfolg des Projektes spreche für sich. Mittlerweile seien 80.000 Stolpersteine in 27 Ländern, davon mehr als 1.200 Kommunen in Deutschland, an dem Projekt beteiligt. Die Herstellungskosten eines Stolpersteines werden von der Stiftung „Spuren“ mit 120 Euro angegeben, weil jeder Stein von einem Bildhauer angefertigt wird.
Der Antrag der IO umfasste die Teilnahme an dem Projekt sowie den Auftrag an die Verwaltung, Standorte mit den dazugehörigen Opfern des Naziterrors zusammenzufassen und dem Fachausschuss zur weiteren Beratung vorzustellen.
Die Stolpersteine sollen privat finanziert werden
Peter Jong von der SPD sagte für seine Partei, dass sie mit dem Antrag sehr einverstanden seien. Das Erinnerungsbuch, mit dem Oerlinghausen bisher online der Naziopfer gedacht hat, könne als Grundlage genutzt werden. Angesichts der angespannten Haushaltslage ergänzte Jong den Antrag dahingehend, dass die Stolpersteine von privaten Geldgebern finanziert werden müssten. Darauf wies auch Fachbereichsleiter Marcel Jagnow hin. Er ging sogar noch weiter und sagte, wenn ein Stolperstein auf einer privaten Fläche verlegt werden soll, dann müsse auch das Verlegen privat finanziert werden.
Die Grünen und die FDP sprachen sich ebenso für den Antrag aus wie Rudi Doil, der für die Senioren- und Behindertenvertretung der Stadt an der Sitzung teilnahm.
Nur die CDU hatte noch Klärungsbedarf. Carl Beneke sagte, dass die CDU grundsätzlich für den Antrag, jedoch der Ansicht sei, dass sowohl die jüdische Gemeinde Bielefeld als auch Gisela Burkamp zu dem Thema gehört werden müssten.
Dass die jüdische Gemeinde Bielefeld zu dem Projekt Stellung beziehen solle, verstand Dennis Thon nicht. Er sagte: „Wenn man fünf jüdische Gemeinden fragt, bekommt man fünf verschiedene Antworten.“ In der einen Stadt werde Demnigs Projekt abgelehnt, in der nächsten erhält er dafür einen Preis. Oerlinghausen solle selbst entscheiden. Das tat der Ausschuss: Einstimmig dafür.