Löhne. Im November 2024 verschwand bei Glasfaserarbeiten ein Stolperstein am Rande der Straße „In den Ellern“ in Obernbeck. Der Stein zum Gedenken an August Friedrich Wilhelm Rahde befindet sich nun wieder fast genau da, wo er vorher war. „Vorher war er ein bisschen näher am Haus“, erklärt Stadtarchivar Mattis Mathis Nolte bei der Verlegung des Ersatzes.
Hans-Wilhelm Homburg geht regelmäßig in der Nähe seines Wohnortes spazieren. Dabei läuft er auch an einem der insgesamt acht Stolpersteine der Stadt Löhne vorbei. Zumindest tat er das, denn nach Glasfasarbeiten im November 2024 fehlte auf einmal etwas. „Der Stein war dann weg und kam nicht wieder“, berichtete Homburg. Er meldete sich bei der Stadt und der Neuen Westfälischen.
Die Verantwortlichen der Stadt wussten um das verschwundene Gedenken zu dem Zeitpunkt bereits Bescheid und arbeiteten an einer Lösung. Die für den Glasfaserausbau zuständige Firma, die Glasfaser Nordwest, versicherte, dass der fehlende Stein aufgefallen wäre, aber trotz schneller Reaktion nicht mehr wiedergefunden wurde. Ein neuer Stolperstein befände sich bereits in Auftrag.
Löhner Stolperstein wird neu verlegt

Knapp ein Jahr später wird der Stein an der Hausnummer 12 der Straße „In den Ellern“ wieder eingesetzt. Arbeiter der Stadtwerke Löhne schlagen ein passendes Loch in den Straßenrand. Immerhin befindet sich die Messingplatte auf einem Betonquader, der nicht groß herausragen sollte. Neben den Arbeitern beobachten auch Nolte, Mitglieder des Löhner Bündnis für Vielfalt sowie der Baukoordinator für die Glasfaserarbeiten in Obernbeck und Löhne-Ort die Neuverlegung.
Mehr dazu: Stolperstein in Löhne verschwunden: Denkmal nach Glasfaserarbeiten nicht mehr auffindbar
Nolte freut sich, dass der neue Stein schon jetzt platziert wird, statt wie ursprünglich geplant erst im Januar 2026. „So ist er passend zum Gedenken an die Novemberpogrome wieder da“, so der Stadtarchivar. Es sei außerdem beruhigend, dass es sich seitens der Baufirma nur um ein Versehen handele und nicht um einen Diebstahl Dritter. Ebenso freut sich Nolte über die Akten- und Informationslage in Bezug auf das Opfer des Nationalsozialismus.
Verweigerung des Dienstes an der Waffe
August Friedrich Wilhelm Rahde wurde am 16. November 1914 in Obernbeck geboren. Das Haus, in dem er mit seinen beiden Eltern sowie seinen vier Schwestern lebte, steht auch heute noch an derselben Stelle. Nach 1930 begegnete er seiner späteren Frau Luise Kölling, die mit ihrer Familie in der freien Bibelgemeinde Kirchlengern aktiv war. Die Zeugen Jehovas, zu denen sie zählten, wurden im Juli 1933 als erste Religionsgemeinschaft verboten.
Sie lehnten die NSDAP, den Hitlergruß und den Wehrdienst mehrheitlich ab. Die Folge waren Denunziation, Inhaftierung, Berufsverbote, Kindesentzug, Zwangsadoption sowie Erschießung oder grausame Folter in Konzentrationslagern. Als Rahde 1936 eine Einberufung zur Wehrmacht erhielt, verweigerte aus Glaubensgründen den Dienst an der Waffe, woraufhin er mit acht Wochen Festungshaft bestraft wurde.
Auf Bitte seiner Familie und mit der Zusicherung, keinen Waffendienst leisten zu müssen, gab er schließlich doch den Eid ab und gehörte zum Bodenpersonal an der Ostfront im brandenburgischen Perleberg. 1940 heiratete er seine Frau Luise Kölling. Kurz vor Ende des Krieges, am 23. April 1945, versuchte Rahde auf die andere Elbseite in amerikanische Gefangenschaft zu fliehen. Er wurde dabei entdeckt und am 1. Mai als Deserteur erschossen. Einen Tag später besetzte die Rote Armee Perleberg. Löhne wurde bereits am 3. April von den amerikanischen Truppen befreit.
Auch interessant: Wie fünf Frauen aus Löhne in die Tötungsmaschinerie der Nazis gerieten
Stolpersteinprojekt stammt von Günter Demnig

Die Erstverlegung des Stolpersteins erfolgte am 19. November 2016, womit er zu den vier ersten Steinen gehört. Ein Jahr später folgten weitere vier. In Zukunft hofft Mathis Nolte auf noch mehr Stolpersteine: „Gemeinsam mit Sonja Voss vom Heimatmuseum haben wir im Kulturausschuss einen Antrag für zusätzliche Steine eingebracht“, sagt er. Personen, die dafür infrage kämen, gebe es bereits. Allerdings erfolge noch die Überprüfung der jeweils letzten Wohnorte.
Das Projekt der Stolpersteine stammt vom Künstler Günter Demnig. Es zielt darauf ab, die Erinnerung an die Verfolgten und Ermordeten während der Zeit des Nationalsozialismus hochzuhalten. „Die Steine werden am letzten Wohnort platziert, um das Gedenken auch direkt in die Stadtgesellschaft zu holen“, erklärt Nolte. Personen, die an den Steinen vorbeigehen, sollen mit Kopf und Herz stolpern und so zum Nachdenken angeregt werden.
Nach der frischen Neuverlegung meldet sich Jürgen Imort vom Löhner Bündnis für Vielfalt zu Wort: „Unsere Demokratie braucht erlebbare Erinnerung.“ Das Grundgesetz sei vor dem Hintergrund der Zeit des Nationalsozialismus entstanden und müsse daher auch so betrachtet werden. „Für die Zukunft müssen diese Steine Mahnung und Verpflichtung sein. Nie wieder ist jetzt.“
📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford