
Höxter-Lüchtringen. Wie viel Haltung, Mut und Rückgrat erforderlich gewesen sein mögen, um während des Nationalsozialismus in Deutschland die Dinge beim Namen zu nennen, lässt sich heute glücklicherweise nur noch erahnen. Ein Lüchtringer Pater, der Franziskaner Gandulf Korte, jedenfalls bezahlte seinen Mut mit dem Leben. Er hatte die Judenverfolgung in seinen Predigten als Mord bezeichnet und damit ausgesprochen, was war.
„Aufgrund seiner mutigen Predigten gegen das NS-Regime wurde er von der Gestapo verfolgt und kam 1944 im Bombenhagel auf das Bochumer Gerichtsgefängnis ums Leben“, rekapituliert der Ortsverein Lüchtringen der SPD. Die Sozialdemokraten beantragen gemeinsam mit den Ortsausschussmitgliedern von CDU, BfH und UWG, dass an Gandulf Korte mit einem Stolperstein erinnert wird. Ortsheimatpfleger Erwin Winkler unterstützt das parteiübergreifende Ansinnen.
Denn: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist. Mit dem Stolperstein soll sein mutiges Eintreten für Freiheit und Gerechtigkeit in Erinnerung gerufen werden – ganz im Sinne der Stolperstein-Initiative“, schreibt die SPD in einer Mitteilung. Den Ortsausschussmitgliedern schwebt vor, dass der Stolperstein im öffentlichen Raum verlegt werden könnte. „Möglichst an einem Zugang zur Lüchtringer Kirche“, wie es in dem Antrag heißt.
Wie Gandulf Korte sich dem Nazi-Regime widersetzte
Die Stolpersteine sind ein 1992 begonnenes Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit den kleinen, in den Boden eingelassenen Gedenktafeln wird an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Menschen stolpern im übertragenen Sinne über die Schicksale der Menschen in ihrem Heimatort. Mehr als 100.000 dieser Gedenksteine sind inzwischen in Deutschland und vielen weiteren Ländern verlegt worden und machen die Schicksale der vom NS-Regime verfolgten und getöteten Menschen sichtbar – direkt vor dem zuletzt freiwillig gewählten Wohnort oder an besonderen Wirkungsorten. Auch im Kreis Höxter sind zahlreiche Stolpersteine verlegt worden. In Lüchtringen allerdings wäre es der erste Stein, wie Manfred Linnenberg von der SPD auf Anfrage der „NW“ erklärt.
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Gandulf Korte, der übrigens keinen Eintrag bei Wikipedia hat, um mal mit dem Zaunpfahl zu winken, wurde am 28. April 1897 in Lüchtringen geboren und starb am 4. November 1944 in Bochum. Wie die Parteien im gemeinsamen Antrag an den Ortsausschuss erläutern, habe sich Korte immer wieder deutlich vernehmbar gegen Joseph Goebbels, Reichspropagandaleiter, gewendet. Und auch die Unterdrückung der katholischen Kirche kritisiert. „Er sah sich im Widerstand des kirchlichen Bereiches gegen Hitler“, heißt es im Antrag weiter.
Zu der zu erwartenden Todesstrafe kam es nicht mehr
Seine letzte Predigt hielt der Lüchtringer Pater zu Johanni 1944, in der er erneut die Nazis kritisiert habe. „Er wurde einige Tage später verhaftet“, erklärt der Antrag. Im Bochumer Untersuchungsgefängnis eingesperrt, wartete Korte auf seinen Prozess vor dem Volksgerichtshof Berlin, „wo er unter dem Gerichtspräsidenten Roland Freisler sicherlich zum Tode verurteilt worden wäre“. Doch dazu kam es jedoch nicht. Am 4. November 1944 fielen Bomben auf Bochum und auch auf das Untersuchungsgefängnis. Korte starb.
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Der Ortsausschuss Lüchtringen berät das Thema in seiner nächsten Sitzung am Mittwoch, 14. Mai, um 18 Uhr in den Westfalen-Stuben, Westfalen-Straße 45, in Lüchtringen. Interessierte sind willkommen.