
Oerlinghausen / Berlin. „Man muss sich ganz schön zusammenreißen", sagt Johannes Kowalewsky. Täglich mindestens 100 Kilometer, manchmal sogar 145 Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, das schlaucht. „Abends sind wir ins Bett gefallen, morgens früh wieder losgeradelt." Die unterwegs eingefangenen Eindrücke und der gewachsene Zusammenhalt aber seien einmalig.
Am 19. Juni haben sie ihre Zeugnisse bekommen, am frühen Morgen des 20. Juni mit ihren Rädern vor dem Brandenburger Tor gestanden. Fünf Etappen später haben Aaron Weißgerber (19), Abiturient der Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule in Berlin-Kreuzberg, Sophie H. (18) vom Dathe-Gymnasium, Richard Schulze (17) von Andreas-Gymnasium in Berlin-Friedrichshain und Jorris Kahle (17) von der Freien Waldorfschule Kreuzberg gemeinsam mit ihrem Lehrer Johannes Kowalewsky und Materialwagenfahrer Nico Hopsch-Schulz vom Grünen Campus Malchow Oerlinghausen erreicht.
Empfangen wurden sie dort nach insgesamt 570 Kilometern von Ulrich Fillies. Fillies ist Vorsitzender der „AKTIONfahrRAD". Die hat unter anderem die Aktion „Deutschlands fahrradfreundlichste Schule" ins Leben gerufen. Den Sonderpreis Sport erhielt im Jahr 2017 die Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule Berlin. Bereits im Jahr 2012 war die Schule vom Radclub Deutschland, den Ulrich Fillies ebenfalls aufgebaut hat, zur fahrradfreundlichsten Schule gekürt worden.
Der Anteil der Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund liegt an der Gemeinschaftsschule mitten in Kreuzberg bei 99 Prozent. „Seit 2010 ist das Radfahren im Schulsport etabliert", berichtet Kowalewsky. Zahlreichen Aktionen rund um das Rad, wie etwa die „Tour de School" oder „Ich bin Schoolbiker" stehen für das Zusammenwachsen der Kulturen.
Radfahren für alle sicherer machen
Ausgemachtes Ziel sei es, dass mehr Kinder und Jugendliche das Fahrrad nutzen, erläutert Johannes Kowalewsky. Der 55-Jährige ist zugleich Schulsportbeauftragter des Berliner Radsportverbandes. Die politische Forderung geht dahin, die Verkehrswegeplanung so zu gestalten, „dass Radfahren für alle Menschen sicherer wird". Die Radtour Berlin-Oerlinghausen mit Zwischenstationen unter anderem am Hermannsdenkmal und an der Radrennbahn in Bielefeld sei sozusagen ein Prototyp gewesen, berichtet Ulrich Fillies. Er kann sich durchaus vorstellen, Schulen aus ganz Deutschland zu einer Sternfahrt nach Oerlinghausen einzuladen.
Die Strecke hatte Johannes Kowalewsky gemeinsam mit den Jugendlichen konzipiert. Übernachtet wurde in Jugendherbergen, zuletzt im Naturfreundehaus am Welschenweg. „Grenzen austesten", darum sei es auch gegangen, sagt Aaron Weißberger. „Für fast alle war es die erste Tour dieser Art." Das Fazit fällt fast durchweg positiv aus: Die Autofahrer waren sehr respektvoll, wir hatten kaum Schäden an den Rädern und haben wunderschöne Landschaften gesehen."