Düsseldorf. Bei den Abrissarbeiten auf der Campingplatz-Parzelle des Hauptverdächtigen im Fall des tausendfachen Kindesmissbrauchs von Lügde und im dabei entstanden Bauschutt sind ingesamt 17 Datenträger gefunden worden, die bei den Durchsuchungsaktionen zuvor nicht gefunden worden waren.
Dabei handelt es sich um zwei CD-Roms, zwei Disketten, eine Mini-CD, eine Musik-CD und elf VHS-Videokassetten. Nur auf einer der Mitte April sichergestellten CD-Roms seien bisher kinderpronografische Filme entdeckt worden. Das hat NRW-Innenminister Herbert Reul in der Sondersitzung des Landtagsinnenausschusses zum Fall Lügde bekannt gegeben.
Die CD war neben weiteren Datenträgern von dem Abrissunternehmer gefunden worden. Weitere elf Video-Kassetten hatten Reul zufolge keinen relevanten Inhalt. Teilweise konnten CDs nach Angaben Reuls nicht ausgelesen werden.
Anklageschrift liegt vor
Nach Angaben von Christian Burr, leitender Ministerialdirigent im NRW-Justizministerium, liegt der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm bereits ein Entwurf der Anklageschrift vor, die Anklage dürfte also in den nächsten Tagen an die Prozessbeteiligten herausgehen.
Dies würde bedeuten, dass der Prozess gegen die Beschuldigten wie geplant im Juni vor dem Detmolder Landgericht beginnen könnte. Hauptbeschuldigter ist Andreas V., ein 56-jähriger Dauercamper. Er soll mit einem Komplizen auf dem Campingplatz Eichwald über Jahre hinweg Kinder missbraucht und dabei gefilmt haben.
Neben Andreas V. gibt es sechs weitere Beschuldigte, denen Mittäterschaft oder Beihilfe vorgeworfen wird. Insgesamt gehen Polizei und Staatsanwaltschaft von 40 Opfern aus, die zum Tatzeitpunkt zwischen drei und 14 Jahre alt waren.
Abrissarbeiten nicht von Polizei beaufsichtigt
Die Abrissarbeiten waren nicht von der Polizei beaufsichtigt worden - das hatte zu Kritik geführt. Allerdings hatten Ermittler zuvor bei mehreren Durchsuchungen der Parzelle riesige Mengen an belastendem Material sichergestellt. Für das von der Staatsanwaltschaft geführte konkrete Verfahren sei die nachträglich gefundene CD nicht mehr relevant, sagte Reul. Für die Polizei sei der Fund der CD trotzdem wichtig, da er Hinweise auf andere Fälle und Opfer geben könnte.Reul bezeichnete es als Fehler, dass die Polizei einen vom Hauptbeschuldigten genutzten Geräteschuppen bei ihren Durchsuchungen nicht beachtet hat. Ob es auch ein Fehler war, dass die Polizei die Abrissarbeiten auf der Camping-Parzelle des Hauptbeschuldigten nicht überwacht hat, ließ Reul offen.
Der Innenminister betonte aber auch, dass bei allen Fehlern, die bei den Ermittlungen unterlaufen seien, die Ermittlungskommission im Fall Lügde in weiten Teilen sehr gute kriminalistische Arbeit geleistet habe. Von einem Streit mit der Justiz wolle Reul nichts wissen.
Die Ermittlungskommission „Eichwald" - benannt nach dem Namen des Campingplatzes - wurde inzwischen laut Reul auf 79 Mitarbeiter aufgestockt. Auf dem Campingplatz soll der 56-jährige Dauercamper mit einem Komplizen (33) über Jahre hinweg Kinder missbraucht und dabei gefilmt haben. Die beiden Verdächtigen sowie ein 48-Jähriger aus dem niedersächsischen Stade sitzen in Untersuchungshaft. Ermittelt wurden bislang 40 Opfer.
Offene Sprechstunde für Opfer
Der Donnerstag und Freitag dieser Woche steht ganz im Zeichen der Opfer von Lügde. Die NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz hat für beide Tage eine offene Sprechstunde organisiert, die sich an alle Opferfamilien richtet. Sie findet in einem Gemeindehaus in Lügde statt.Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von insgesamt 40 Opfern aus, die zum Tatzeitpunkt zwischen drei und 14 Jahren alt waren. Die Ermittlungen richten sich gegen sieben Beschuldigte.
Wie Auchter-Mainz, die seit Dezember 2017 NRW-Opferschutzbeauftragte ist, weiter erläuterte, sind mit eingebunden in die Beratungsangebote am Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der für Anträge auf Opferentschädigung zuständig ist, sowie Opferschutzbeamte der Polizei und der Weiße Ring. Eingeladen sind auch Vertreter der niedersächsischen Opferhilfe, weil viele der Opfer aus dem angrenzenden Niedersachsen stammen.
Die Opferschutzbeauftragte des Landes ist bereits seit Ende Januar mit dem Fall Lügde befasst. Sie berichtete in Düsseldorf von einer guten Zusammenarbeit mit der Bielefelder Polizei, die den Fall auf Anweisung des NRW-Innenministeriums Ende Januar von der Kreispolizeibehörde Lippe übernommen hatte.Inzwischen seien 45 Betroffene angeschrieben worden, berichtete Auchter-Mainz. In vielen Fällen hätten Hilfsangebote verschiedener Behörden vermittelt werden können.
In 13 Fällen sei eine psychosoziale Prozessbegleitung vermittelt worden. Für Kinder sei sie in jedem Fall vom Gericht angeordnet und somit für die Betroffenen kostenlos. Die Prozessbegleitung beginnt nicht erst mit der Hauptverhandlung, sondern bereits während des laufenden Ermittlungsverfahrens. Die Begleiter seien bei jeder Vernehmung und bei allen anderen Verfahrensschritten mit dabei, erläuterte Auchter-Mainz.In einer Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses berichtete Innenminister Herbert Reul (CDU) über den neuesten Ermittlungsstand im Fall Lügde.
Schutzräume für Opfer schaffen
Im Mittelpunkt standen dabei die Datenträger, die bei den Abrissarbeiten auf der Campingplatz-Parzelle des Hauptverdächtigen aufgetaucht sind.
Die NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz setzt sich dafür ein, beim bevorstehenden Prozess wegen des Missbrauchsfalls in Lügde vor dem Detmolder Landgericht besonders Schutzmaßnahmen für die minderjährigen Opfer einzurichten. Sie habe bereits mit dem Präsidenten des Landgerichts Kontakt aufgenommen, berichtete Auchter-Mainz gestern in Düsseldorf.
Dabei habe sie angeregt, Schutzräume für die Opfer-Kinder im Gerichtgebäude einzurichten. Außerdem sei es sinnvoll, die Kinder, falls sie tatsächlich vor Gericht noch einmal als Zeugen vernommen werden müssten, über einen eigene Eingang in das Gerichtsgebäude zu führen.Auch in dem Fall des Physiotherapeuten für Kinder und Jugendliche in Bad Oeynhausen, dem Kindesmissbrauch und die Erstellung von kinderpornographischem Material vorgeworfen wird, habe sie Kontakt mit den Opferfamilien.