Kreis Herford

Kritik an Jugendamt: Warum ein Vater sich allein gelassen fühlt

Er spricht von Kindswohlgefährdung

Wann wird das Jugendamt tätig und wann nicht, wenn jemand glaubt ein Kind ist gefährdet? | © Pixabay

Peter Steinert
28.04.2019 | 28.04.2019, 08:00

Kreis Herford. Entsetzen, Abscheu, Fassungslosigkeit. Der Skandal um den hundertfachen Kindesmissbrauch durch einen Dauercamper im lippischen Lügde hat die Öffentlichkeit sensibilisiert. Und signifikante Fehler der Behörden offenbart. In der Kritik stehen Polizei und Jugendämter, die Hinweise ignoriert oder nachlässig abgearbeitet haben. Die Folge sind zunehmende Hinweise und Verdächtigungen. Auch bei den Jugendämtern im Kreis Herford.

Henning B. (Name der Reaktion bekannt) ist selbst betroffen. Wobei es sich bei seinen drei Kindern (12, 10 und 6 Jahre) nicht um Missbrauch, sondern um Vernachlässigung handeln soll. „Ich sehe das Wohl meiner Kinder gefährdet und möchte, dass es ihnen gut oder besser geht", sagt der 39-Jährige, dessen drei Töchter seit der Trennung im August 2014 bei der Ex-Frau und deren neuem Lebensgefährten leben.

Das Jugendamt habe, so der Mitarbeiter einer Spenger Spedition gegenüber nw.de, auf Vorhaltungen bislang nur zögerlich reagiert oder die Angelegenheit verharmlost.

Kein Warmwasser und freiliegende Steckdosen

„In der Wohnung gab es kein Warmwasser und einige der Steckdosen lagen frei. Die Kinder gingen ungewaschen zur Schule. Meiner Ex-Frau war das egal", sagt Henning B. Inzwischen würden die Kinder in der Schule als verhaltensauffällig gelten.

Womöglich wissen auch sie davon, dass Mamas neuer Partner mehrere Suizidversuche hinter sich haben soll. Zwischenzeitlich sei immerhin die Jugendhilfe vorstellig geworden. Bei der Gelegenheit sollten die Mädchen ihre Wünsche aufschreiben. Mehr Zeit solle die Mutter haben, ein Besuch im Zoo oder ein gemeinsames Picknick wünschten sie sich.

„Gemacht wurde nichts. Nur die Wohnung ist etwas aufgehübscht worden. Selbst die Geburtstage der Kinder werden nicht gefeiert. Zuletzt sollte ich auf Vorschlag der Schule das Kindergeld kürzen, um ausstehende Gelder für eine Klassen-Freizeit zu bezahlen", sagt der frustrierte Vater, der mittlerweile jede Hoffnung auf Unterstützung durch das Jugendamt verloren hat. „Dort", sagt Henning B., „fühlt man sich wie ein Angeklagter, der versucht, sich zu verteidigen."

Norbert Burmann, Sozialdezernent des Kreises Herford, möchte sich zur angeführten Problematik nicht äußern. „Man muss immer im Einzelfall gucken, was vorliegt. Wie sind die Umstände? Für uns als Jugendamt ist die Entscheidung sehr schwierig, ob ich ein Kind aus der Familie herausnehme. Mach ich es zu früh, mach ich viel kaputt. Mache ich es zu spät, mache ich auch viel kaputt."

Jugendamt: "Man muss immer im Einzelfall schauen"

Allerdings gebe es bestimmte Indizien für eine Kindeswohlgefährdung vor. „Es gibt Fälle, bei denen Kinder in der Schule oder in der Kita sagen, dass sie nicht mehr nach Hause wollen. Lehrer oder Erzieher fragen dann nach. Wenn die hören, dass die Kinder zuhause Angst haben oder der Vater sie schlägt, dann gehen natürlich alle Alarmglocken an", sagt Norbert Burmann.

Ein Auszug des Kindes sei dennoch nicht zwingend die richtige Lösung. „Manchmal reicht ein Gespräch mit den Eltern. Wenn ein Problem auftritt, stehen wir den Eltern mit Rat und Tat zur Seite. Es kann aber auch sein, dass wir Hilfeangebote in der Familie organisieren. Oder dass unterstützende Kräfte in die Familie kommen. Die Inobhutnahme ist immer erst das letzte Mittel", sagt der Sozialdezernent.

Jeder Einzelfall müsse sorgfältig bewertet werden, sagt Burmann. „Wir haben, was Kindeswohlgefährdung angeht, ein sehr strukturiertes Verfahren, um bei uns eingehende Meldungen einzustufen. Wir entscheiden diese Fälle nur im Vier-Augen-Prinzip und richten die Maßnahmen daran aus."

Henning B. wird das wenig trösten. Als Vater von drei aus seiner Sicht vernachlässigten Töchtern fühlt er sich vom Jugendamt allein gelassen. Das habe auch nicht reagiert, als er im vergangenen Winter von ungeheizten Räumen hörte. „Solange keine Eisblumen an der Fenstern wachsen", erfuhr er, „sieht man keine Kindeswohlgefährdung."

Information

Das Jugendamt


  • Das Jugendamt des Kreises Herford ist für die sechs Kommunen Enger, Spenge, Kirchlengern, Hiddenhausen Rödinghausen und Vlotho zuständig, wo Teams regelmäßig vor Ort zum Einsatz kommen. Bünde, Löhne und Herford haben eigene Jugendämter.
  • Die Mitarbeiter der Jugendämter setzen sich dafür ein, dass sich Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien wohlfühlen können. Dafür stehen vielfältige Angebote und Leistungen der Jugendhilfe bereit.