Sexualverbrechen in Lippe

Campingplatz-Besitzer: "Ich hätte für den Mann meine Hand ins Feuer gelegt!"

Campingplatzbetreiber in Lügde kennt Verdächtigen als "hilfsbereiten" Menschen, findet es aber "unbegreiflich", dass der Mann ein Pflegekind hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen die Jugendämter

Ist fassungslos über das Geschehen: Campingplatzbetreiber Frank Schäfsmeier. | © Bernhard Preuss

31.01.2019 | 01.02.2019, 14:36

Lügde-Elbrinxen. Frank Schäfsmeier, 54, ist fassungslos. Der Besitzer des Campingplatzes in Lügde kennt den Verdächtigen, der in seiner Hütte über Jahre Kinder missbraucht haben soll, als „stillen, hilfsbereiten Zeitgenossen." Vor 20 Jahren habe er einen Sommer für ihn gearbeitet. „Auch nach vielem Nachdenken gibt es im Nachhinein nichts Anstößiges, was mir an ihm negativ aufgefallen wäre. Ich hätte für ihn meine Hand ins Feuer gelegt."

Dabei scheint inzwischen klar: Mindestens 29 Kinder sind auf dem Campingplatz für den Dreh von Kinderpornos sexuell missbraucht worden. Drei Männer sitzen in Haft, Haupttäter ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein 56-jähriger arbeitsloser Dauercamper. Und die Polizei geht davon aus, dass die Zahl der Opfer noch weiter steigen wird. „Das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs", so Ermittlungsleiter Gunnar Weiß in Detmold.

Fall macht überregional Schlagzeilen

Der Fall schlägt überregional Wellen. Seit Montag seien zahlreiche Journalisten aus ganz Deutschland bei ihm gewesen, die großen Sender und Magazine waren da, erzählt Schäfsmeier. Er sorge sich um den Ruf seines Platzes, den seine Eltern 1973 gegründet hatten. Aber: „Es geht hier nicht um mich, es geht um die Kinder."

Gefreut habe ihn, dass viele Dauergäste angerufen hätten. „Sie haben fest zugesagt, weiterhin auf meinen Campingplatz zu kommen." Er habe zahlreiche Mails und Anrufe erhalten. Die Gemeinschaft der Camper halte eben zusammen – nach dem Motto: „Der Tatort kann ja nichts für die Tat."

Unbegreiflich findet Schäfsmeier, dass der 56-Jährige ein Pflegekind in Obhut bekommen habe: „Das hat mich gewundert. Nicht wegen meines Dauercampers, sondern weil seine Parzelle schon unordentlich war. Ich hatte ihm meine Bedenken auch geäußert. Und das Jugendamt war oft hier, um nach dem Rechten zu sehen."

Von der Verhaftung Anfang Dezember habe er erst Tage später erfahren: „Der Mann hatte eine Wohnung gefunden und musste renovieren – ein Campingplatz als fester Wohnsitz ist ja seit zwei Jahren verboten." Schäfsmeier hatte seine beiden Töchter dann sofort gefragt, ob sie Kontakt zu dem Mann gehabt hätten – „aber sie sagten Gott sei Dank Nein."

Jugendamt verteidigt sich

Dass das Pflegekind ausgerechnet in die Obhut eines Mannes gegeben wurde, der seit Jahrzehnten allein auf einem Campingplatz lebt, ist laut Stellungnahme des zuständigen Jugendamts Hameln auf den Wunsch der Mutter zurückzuführen. Das Pflegeverhältnis sei erst nach umfangreicher Prüfung anerkannt worden.

Der Landkreis Hameln-Pyrmont verteidigt die unter anderem von der Staatsanwaltschaft heftig kritisierte Unterbringung auf einem Campingplatz: „Weder der Gesundheitszustand, die finanzielle Lage noch das Führungszeugnis des Mannes gaben Grund zur Beanstandung."

Entscheidend seien die gute Bindung des Kindes zum Pflegevater, dessen Einsatz für das Kind und deutliche Verbesserungen des Entwicklungszustandes gewesen. Die Situation sei wöchentlich überprüft worden. „Die Wohnsituation war sicherlich nicht optimal, hat im Vergleich zu einer funktionierenden sozialen Bindung allerdings einen deutlich geringeren Stellenwert und ist kein Indiz für die Feststellung für eine Kindeswohlgefährdung. Sie entspricht einem winterfesten Wochenendhaus mit einem Schlafbereich für das Kind, das in gutem Pflegezustand vorgefunden wurde."

Pflegekind Ende 2018 in Obhut genommen

Der Pflegevater habe sich seinen Lebensmittelpunkt geschaffen, Freizeitaktivitäten koordiniert, sei in das Umfeld eng eingebunden gewesen. Dem Jugendamt Lippe wurde Ende 2018 die Strafanzeige bekannt. „Das Kind wurde am selben Tag in Obhut genommen und in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Hameln-Pyrmont übernahm schließlich die Obhut des Kindes."

Bereits Ende 2016 sei eine Kindeswohlgefährdung angezeigt worden. „Diese bezog sich auf den Verdacht der Verwahrlosung – nicht eines möglichen Missbrauchs", so eine Sprecherin. Aber: „Das Kind lebte in keinem verwahrlosten Umfeld."

Staatsanwalt ermittelt gegen Jugendämter

Bereits 2016 hatte es Hinweise wegen sexuellen Missbrauchs gegen den Lügder gegeben – diesen soll laut Staatsanwaltschaft Detmold nicht ordnungsgemäß nachgegangen worden sein. Deshalb wird auch gegen die zuständigen Jugendämter in Lippe und Hameln ermittelt.