Auf dem Weg nach Berlin: Wie ein Willebadessener FDP-Politiker den Wahlkampf angeht

Willebadessen-Niesen. Kurz geklingelt. Mats (5) ist zuerst an der Tür und blickt den Besucher mit einer Mischung aus Neugier und Reserviertheit erwartungsvoll an. Hinter ihm rumpelt’s. Vater Dennis verabschiedet sich vom Abendbrottisch, reicht an der Tür dem Gast die Hand und wechselt mit ihm ins &bdquo;Museum“. Im Arm ein Mineralwasser, knipst er das Licht an und genießt den erstaunten Ausdruck im Gesicht des Besuchers. Was er sieht, erschlägt. Der Blick schweift zwischen Decke und Wänden, weiß sich nirgends festzubeißen. Vom roten Löscheimer über Röhrenradio, Pressluftbohrer, Kettensäge, Heiligenbildchen bis zum ausgestopften Wildschwein-Frischling: Das Auge findet keinen Halt. Überbordend voll die alte Deele, die zugleich Ausstellungsraum und Garage ist. In einer Ecke faltet neben einem gusseisernen Ofen ein kniender Jesus die Hände zum Himmel. Ein Sammelsurium, das der Schwiegervater zusammengetragen und angeschraubt habe, sagt Dennis Niedermark. &bdquo;Schon besonders“, findet nicht nur der Familienvater aus Niesen, der im Bundestag mitmischen möchte und für die FDP im Wahlkreis 135 antritt. Vor acht Jahren zog der gebürtige Bürener in den 500-Seelen-Ort an den Rand der Egge. Hat dort den ehemaligen Landhof der Eltern seiner Frau Nora um- und ausgebaut. Jetzt sitzt er im früheren Hasenmaststall. Als Partyraum besticht auch dieser mit außergewöhnlicher Deko wie der meterbreiten Reliefkarte, die das Paderborner Hochstift zeigt. &bdquo;Aus der Schule“, merkt Niedermark an. Alles, worauf man auf Discofox tanzen kann Er nimmt sich die Viertelstunde, bevor es nach dem Zubettgehen der drei Kinder zur Bandprobe in die &bdquo;Hacienda“ gehen wird. Auf der Tanzfläche der alten Disko im Ort warten Gitarre und Bass. Niedermark ist mit Cajon und Stimme dabei. Zunächst fetter Punk, dann leise akustisch, die Band &bdquo;Without suits“ covert und spielt seit 2013 regelmäßig auf. &bdquo;Auch bei Hochzeiten“, schiebt Niedermark nach. Und im Dorf gebe es überhaupt keinen Leerstand, versucht der Ortschef der Willebadessener Liberalen die Kurve ins Politische. Doch trägt ihn das Hobby schnell wieder hinaus. Die klassische Tanz-Combo: Alles, worauf man auf Discofox tanzen könne, beschreibt Niedermark. Ein Ausgleich zum Job, sagt er und beschreibt sich als freiheitsliebenden und toleranten Menschen. Niedermark glaubt an die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger. Doch sieht er auch, dass die Parolen der Rechten ankommen und verfangen. &bdquo;Sie bedienen die sozialen Medien sehr gut“, sagt er. &bdquo;Da haben die Altparteien die Stunde verschlafen“, nutzt er deren Begriff. &bdquo;Sie sprechen Jüngere an“, macht auf die Clips und immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspannen aufmerksam. Auch interessant: Warburger Jugend nimmt Kandidaten ins Visier Liberaler mit Schwerpunkt Wirtschaft Nach der kaufmännischen Ausbildung sei er für den Caritas-Verband tätig gewesen, dann in den Personalbereich gewechselt. Niedermark wird Abteilungs- und Niederlassungsleiter eines Personaldienstleisters, bildet sich im Abendstudium zum Betriebswirt und zum Personalfachkaufmann weiter. Seit 2017 ist er geschäftsführender Gesellschafter mit Büros in Paderborn, Detmold, Schloß Holte-Stukenbrock, Bielefeld und Wolfhagen. Seine Fachkompetenz liege in der Wirtschaftspolitik, nennt Niedermark seinen Schwerpunkt, betont seinen &bdquo;Kontakt zu mittelständischen Betrieben“. Dass sich in Berlin vieles ändern müsse und lasse, davon ist der Liberale überzeugt. Ein Niesener mit Schlips und Kragen Seit vier Jahren ist Niedermark in der FDP, vertritt weitgehend die wirtschaftspolitischen Ansichten seiner Partei. &bdquo;In den Corona-Jahren waren 60 Prozent unserer Kunden im Lockdown, litten unter den Beschränkungen“, führt Niedermark im Gespräch das Stichwort &bdquo;Arbeitsmarktflexibilisierung fördern“ ein. Früher sei er beruflich häufig mit Schlips und Kragen unterwegs gewesen. &bdquo;Heute deutlich legerer“, sagt er. Kompetenz drücke sich nicht in der Kleidung aus. Auf den Wahlplakaten ist der 36-Jährige im ärmellosen T-Shirt zu sehen. Der Vorsitzende der Partei war vor dreieinhalb Jahren im weißen Feinripp-Unterhemd abgelichtet. Sport gehört seit Jahren zu seinem Leben. Eine Verletzung zwingt ihn, mit dem Fußball aufzuhören. Niedermark bezeichnet sich als &bdquo;Fußballrentner“ und arbeitet weiter an seiner Fitness &bdquo;Ich trainiere beinahe täglich“, sagt er, &bdquo;abends zu Hause“. Diszipliniert? &bdquo;Ich geb’ mein Bestes“, sagt Niedermark. Kraftsport: Das Spiel mit den Hanteln sei &bdquo;gut zum Dampf ablassen“. Ein, zwei Mal die Woche geht der dreifache Familienvater &bdquo;mit den beiden Großen ins Schwimmbad nach Peckelsheim“. Ein fester Termin. Dennis Niedermark ist umtriebig, aber strukturiert Nicht nur in den Wochen vor dem Wahlgang am 23. Februar ist der Terminkalender im Job und den regelmäßigen im privaten Bereich nach den Arbeitsstunden gut gefüllt. Auftritte im Wahlkampf plane er &bdquo;drumherum“. Es zwinge ihn, im Kopf flexibel zu bleiben, sich zu organisieren, sagt der Bundestagskandidat, froh, dass ihm die Partnerin, derzeit in Elternzeit, den Rücken freihält. Musik, Sport, das Werkeln (&bdquo;optimieren“) an Haus und Garten, die Kinder Mira (8), Mats (5) und Amelie (1): &bdquo;Recht umtriebig“, fasst er zusammen und erzählt vom Familienleben im großen Haus mit dem zweiten Eingang für die Wohnung der Schwiegereltern. Werde ihm der Trubel zu viel, setze er sich auf das Motorrad, sagt er. Lesen Sie auch: Diese Kandidaten treten für den Kreis Höxter an &bdquo;Umtriebig, aber auch gut durchstrukturiert“, nennt er sich und seinen Alltag. &bdquo;In Gedanken allerdings durchaus chaotisch“, hält Niedermark dann doch lächelnd fest. Und weist auf vielen Ideen hin, aus denen sich bei im Job neue Strategien entwickelten. Eine Stärke, die er mit nach Berlin in den Bundestag nehmen möchte. Und was sonst noch, blickt sich der Gesprächspartner im Sammelsurium des Raums um. &bdquo;Vermutlich nichts, außer einem Bild der Familie“, die Antwort. Weil er sich freue, aus Berlin wieder nach Niesen zurückzukommen. &bdquo;In Sachen Deko bin ich ein Höhlenmensch“, gibt er zu. &bdquo;Und einfach gestrickt.“ Den Ofen an, die Kumpels können kommen. &bdquo;Rocco“ wartet auf den Spaziergang Er gehe offen auf die Leute zu, sagt er dann. &bdquo;Im Dorf wartet niemand auf dich.“ Abends zum Stammtisch, wenn der Dorftreff in der Dorfscheune öffnet, ist er dabei. Steht auch mal selbst hinter der Theke. Stammtisch oder Social Media? Das Gespräch sei wichtig, die Kommunikation über die Online-Plattformen aber anstrengend. Weil kein richtiger Dialog zustande komme. Niedermark vermisst die Zwischentöne. Als empathischer Mensch akzeptiere er auch andere Meinungen. Diesmal klingelt es nicht an der Tür, diesmal klingelt das Handy. Die Viertelstunde ist um. &bdquo;Rocco“, der siebenjährige Golden Retriever, wartet auf den Spaziergang. Niedermark nimmt ihn mit zur Bandprobe. Sein Name steht auf der Landesliste. An 41. Stelle. Sollte er in den neuen Bundestag kommen, dann hätte die FDP an den Urnen mindestens 18 Prozent der Stimmen geholt. Das hat Niedermark ausgerechnet und glaubt es selbst nicht. &bdquo;Aber in fünf Jahren bestimmt“, nimmt er am Deelentor Abschied vom Gast.

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