Scherfede/Willebadessen. Vorige Woche berichtete die NW darüber, dass das achtjährige Mädchen aus Scherfede ihre Haare zugunsten der Kinderkrebshilfe spenden möchte – am Montag war es soweit: Im Frisiersalon von Marion Henke in Willebadessen stand der Termin schon fest. Im Auftragsbüchlein war um 17.30 Uhr der Name „Joline" dick eingekringelt.
Dass der Termin auch für die Friseurmeisterin ein echtes Herzensanliegen war, merkte man schnell: Marion Henke hatte die Grundschülerin und Papa Peter persönlich eingeladen, die Haarspende in ihrem Salon zu schneiden – und den Nachschnitt noch kostenlos obendrauf gelegt. „Bei unserer großen Spendenaktion gemeinsam mit dem Kinderkrebsverein Kassel vor einem Jahr haben wir das auch so gehandhabt. Als kleines Dankeschön für diejenigen, die ihren Haarschopf unentgeltlich und für eine gute Sache hergeben", sagt Marion Henke.
Spende für Echthaar-Perücken
Gut 300 Zöpfe kamen damals zusammen. Bei ausgewählten Perückenmachern werden daraus in aufwendiger Handarbeit Perücken geknüpft, die dann von krebskranken Kindern oder Erwachsenen getragen werden. Für jeden einzelnen Schopf erhält der Kinderkrebsverein in Kassel von dem Perückenmacher eine Spende. Mit dem Geld wiederum kann der Verein die dringend benötigte Unterstützung krebskranker Kinder und ihrer Eltern finanzieren.
Die hat auch Marion Henke vor einigen Jahren erfahren, als ihr Sohn Marvin, damals gerade im Teenageralter, die Diagnose Krebs bekam. Knochentumor. An der Lendenwirbelsäule. Zu gefährlich, um dort eine Operation anzusetzen. Der Junge bekam eine Chemotherapie. Kinder erhalten die vierfache Dosis wie Erwachsene sie aushalten müssen – weil ihre Zellen schneller wachsen. Mit brutalen Auswirkungen auf den Körper.
„Das ist eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche", sagt sie heute über die schwere Zeit. Der Kasseler Verein begleitete die Familie damals, sorgte im Elternhaus gegenüber der Kasseler Klinik dafür, dass Marion Henke dort übernachten konnte, bot Gespräche an, fing sie einfach ein wenig auf. Sohn Marvin ist heute 21 Jahre alt und wieder völlig gesund.
Keine Angst vor dem großen Schnitt
Jolines Vater Peter hat auch Krebs. Und er ist auf dem Weg der Genesung. Vielleicht einer der Gründe, weshalb sich das Mädchen dazu entschied, ihre langen Haare spenden zu wollen. „Aber mir persönlich wäre es lieber, sie würde sie nicht abschneiden lassen", meinte der Vater abends im Frisiersalon und lächelte gequält. Joline dagegen war voller Neugier und Tatendrang. „Ich bin gespannt, wie ich aussehen werden", sagte sie, sitzend auf dem Frisierstuhl und grinste ihr Spiegelbild an. Angst? Iwo.
Marion Henke ging behutsam vor, trennte einzelne kleinere Zöpfe ab und gab Joline Anweisungen, wie sie sitzen und was sie machen sollte – stillhalten nämlich. Dann setzte Henke die Schere an und schnippschnapp, waren die Haare ab. Joline verzog keine Miene; erst als sie ihren eigenen Schopf in der Hand halten durfte, grinste sie breit und frech.
Im Hinterzimmer liegen bereits mehrere gespendete Zöpfe. Seit der Haarspendeaktion 2017 kommen viele Kunden einfach so in den Laden und möchten ihre lange Mähne spenden. „Die werde ich persönlich nach Kassel bringen", erklärte Henke.
Joline findet sich klasse mit den kürzeren Haaren. Sie würde es jederzeit wieder tun, sagte sie, ganz überzeugt.