Scherfede/Warburg. Joline grinst und legt den Kopf schief, greift mit einer Hand ihre hellbraunen Haare und fasst sie zu einem Zopf zusammen. 45 Zentimeter lang sind sie. Ein Mädchentraum. Am liebsten trägt sie das Haar offen, Zöpfe mag sie nicht so. In nächster Zeit ist das ohnehin nicht mehr wichtig: Denn Joline will sich die Haare raspelkurz schneiden lassen. Damit sie die Haare spenden kann. „Ich möchte krebskranken Kindern helfen, die keine Haare mehr haben – genau wie Papa."

Genau wie Papa: Peter ist 38 Jahre alt, er hat Krebs. Seine Krankengeschichte begann vor zehn Jahren. Mal geht es ihm besser, mal stagniert der Zustand, und alle hoffen, es möge so bleiben. Und manchmal gehen die Werte doch wieder rapide in den Keller, so dass er wieder ins Krankenhaus muss. Seine Geschichte ist auch Teil des Alltags seiner Kinder. „Ich kann das nicht völlig vor ihnen verbergen", sagt Peter. Auch wenn er das gerne würde.

Der 38-Jährige ist alleinerziehend. Neben Joline gibt es noch Bruder Benjamin, neun Jahre alt. In den schwierigen Phasen muss die kleine Familie immer wieder die Unterstützung des Jugendamts in Anspruch nehmen. Vergangenen Winter ging es dem zweifachen Vater so schlecht, dass er Joline und Ben für einige Wochen in die Obhut der Kindervilla geben musste. „Ach was", sagt Joline vergnügt, „ich fand es dort gar nicht so schlimm. Da gab es jeden Tag Cornflakes." Ihre Leibspeise. Da muss sogar der Papa lachen.

"Da war mir klar, dass ich das auch machen möchte"

Auf die Idee, ihre langen Haare zu spenden, ist Joline, so erzählt sie, vor ein paar Wochen durch eine Sendung im Fernsehen gekommen. „Da war mir klar, dass ich das auch machen möchte", erinnert sie sich. Schnell war Papa eingeweiht – der zunächst wenig davon begeistert war. „Ich weiß ja, wie es ist, Haare zu verlieren", sagt er und schaut ein bisschen wehmütig auf die langen Haare seine Tochter. Liebevoll gezüchtet habe er ihre lange Mähne, gehegt und gepflegt. „Sogar Hair-Repair-Shampoo hab ich gekauft und Spülungen", sagt er und schmunzelt.

Jolines Entscheidung aber steht fest. In ihrer Grundschulklasse hat sie bereits ihren Plan verkündet und viel Zuspruch dafür bekommen. „Ich bin ganz aufgeregt", sagt sie und lächelt. Ob ihre Freundinnen sich von der Idee haben anstecken lassen? „Nein, eher nicht. Aber das kann ja jeder selbst entscheiden", sagt sie resolut. „Mir sind lange Haare eben nicht so wichtig."

Wer seine Haare spenden und damit krebskranke Menschen unterstützen möchte, kann sich direkt an den Verein für krebskranke Kinder in Kassel wenden. Der kümmert sich um betroffene Familien im Kasseler, Paderborner und auch im Warburger Raum. „Uns schicken viele Menschen ihre Haarspenden, die wir dann an Perückenmacher weiterleiten. Dafür erhalten wir eine Spende. Geld, mit dem wir wiederum unsere Mitglieder unterstützen können", erklärt Frauke Döring vom Kasseler Verein im NW-Gespräch.

Für Joline eine Herzensanliegen

Vor einem Jahr hat der Verein auch die Haarspende-Aktion von Friseurmeisterin Marion Henke aus Willebadessen unterstützt. Deren Sohn litt lange an der tückischen Krankheit, ist heute aber wieder gesund. Umso mehr war und ist es Marion Henke ein Anliegen, von der Unterstützung, die sie einst erfuhr, etwas zurückzugeben.

Deshalb hat sie auch nicht gezögert, als sie von Joline und ihrer Familiengeschichte erfuhr: „Kommt einfach in meinem Salon vorbei", sagt sie und lädt Joline und Papa Peter nach Willebadessen ein.

Dort wird sie nicht nur die Haare fachgerecht abschneiden und Joline dabei helfen, den Schopf richtig zu verpacken, sondern der Achtjährigen auch einen kostenlosen Haarschnitt spendieren. „Das finde ich in diesem Fall selbstverständlich", sagt Friseurmeisterin Marion Henke.

Der Termin ist bereits fix – und Joline mächtig aufgeregt. Ihre langen Haare abzugeben für eine gute Sache – für das Mädchen ein Herzensanliegen.