Zwischen Hoffnung und Hürden: Wie Ekrem Oguzhan in Warburg neu anfangen will

Rimbeck. Die Flucht aus der Türkei: Seit eineinhalb Jahren ist er in Deutschland, kam über Bochum und Bielefeld in die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) nach Borgentreich. Blieb für zwei Monate. Zunächst. Dann ging es für kurze Zeit nach Duisburg und Kamp-Lintfort. Danach kehrt Ekrem Oguzhan in die Börde zurück, wohnt in Warburg in der Unterkunft an der Kleebrede und besucht seit August die Ausbildungsvorbereitung am Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg (TGB) in Rimbeck. &bdquo;Meine Chance, mein Glück“, ist der 28-Jährige überzeugt. Oguzhan ist gelernter Hörakustiker, &bdquo;und hat aus seinem Heimatland ein abgeschlossenes Studium im Bereich der Pflege von Menschen mit Behinderung“, erklärt Schulsozialarbeiter Thomas Redeker. Mit ihm und Schulleiterin Mareike Gördemann sitzt der junge Kurde jetzt am massiven Tisch auf der Veranda vor dem Gebäude an der Wilhelm-Poth-Straße. Bereits in den Wochen in der Borgentreicher Landeseinrichtung hatte sich der junge Kurde an der Rimbecker Schule in Trägerschaft des Paderborner Kolping-Schulwerks beworben. Martina Mlody, Umfeldmanagerin der Malteser-Betreuung, schuf den Kontakt, die Schulleitung setzte sich für eine ganze Gruppe junger Männer ein, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, an der Ausbildungsvorbereitung teilzunehmen. Oguzhan ist dabei und gehört bereits zum dritten Jahrgang. Die Sprachförderung steht im Fokus Zwei Tage Unterricht in den Räumen des Rimbecker Berufskollegs, für drei Tage geht es ins Praktikum in eine sozialpädagogische oder pflegerische Einrichtung in der Region. &bdquo;Ausbildungsvorbereitung im Bereich Gesundheit und Soziales“, präzisiert Redeker. &bdquo;Bei der die Sprachförderung gezielt im Fokus steht“, ergänzt Gördemann. Deutsch, Englisch, Mathe, Naturwissenschaft, Politik, Religion, Sport sowie berufsspezifisch Soziales und Pflege, schaut Redeker im Handy auf den Stundenplan. Am Ende des Schuljahres steht der Erste Schulabschluss. Oguzhan stammt aus der Nähe der südostanatolischen Großstadt Mardin nahe der Grenze zu Syrien und dem Irak. Die kurdische Bevölkerung fürchtet erneute Massaker. Das Land sei nicht sicher für Kurden, sagt Oguzhan. Mit den acht Geschwistern und den Eltern chattet er jeden Abend über Smartphone und Whatsapp. Oguzhan sei gelernter Hörakustiker und habe ein abgeschlossenes Studium in der Pflege von Menschen mit Behinderung, sagt Redeker. Zuletzt habe er für zwei Jahre in einem privaten Krankenhaus in Istanbul gearbeitet. Lesen Sie auch: KI rückt in Borgentreich den Traumberuf für Jugendliche ins rechte Licht Welche Behörde ist zuständig? &bdquo;Wir sind dabei, Oguzhans Studium anerkennen zu lassen“, sagt Redeker. Doch das sei nicht einfach. Denn welche Behörde in Deutschland ist dafür zuständig? Zwei Mal habe der Antrag gestellt werden müssen. Beim zweiten Anlauf gehen die Unterlagen nach Münster. Oguzhan, Redeker und Kollegin Lena Stecken warten auf Antwort, &bdquo;wie denn der Abschluss aus der Türkei in Deutschland gewertet wird, als Hochschul- oder Berufsabschluss?“. Menschen, die Schul- und Berufsabschlüsse aus ihren Herkunftsländern anerkannt haben wollen, &bdquo;müssen mit bis zu zwei Jahren rechnen“, sagt Gördemann. Und es kostet. Oguzhan hat 273 Euro allein für den Übersetzer gezahlt. Dazu kommen bis zu 400 Euro Bearbeitungsgebühr. &bdquo;Nur dafür, dass geprüft wird, inwieweit Abschlüsse vergleichbar sind“, sagt Redeker. Da sei Oguzhan glücklich, einen sogenannten Anerkennungszuschuss beantragt zu haben. Gewusst wo? Bei der Zentralen Förderstelle im Forschungsinstitut für betriebliche Bildung gGmbH in Chemnitz. Ohne Menschen an der Seite, &bdquo;die sich auskennen“, ist kaum etwas machbar Ohne Menschen an der Seite, &bdquo;die sich auskennen“, sei in Deutschland kaum etwas machbar, bemerkt Gördemann. &bdquo;Bei uns sind die Wege lang.“ Und auch für die zwischenmenschlichen Kontakte braucht es Hilfen: Oguzhan spielt in der dritten Mannschaft der SG Bühne/Körbecke/Manrode/Rösebeck, wird bald in der zweiten spielen. &bdquo;Zwei weitere Geflüchtete stehen ebenfalls mit auf dem Platz“, sagt Redeker. Der Kurde beackert im Mittelfeld die linke Seite. Drei Tore habe er schon geschossen, ist er stolz, dem Team geholfen zu haben. Andere zu unterstützen, das ist sein Ding. Auch interessant: Geflüchtete und Ehrenamtler gehen in Borgentreich auf kulinarische Kulturreise Die 13 Schülerinnen und Schüler in der Ausbildungsvorbereitung können wählen. Für die ersten sechs Monate geht es für Oguzhan zum Praktikum in die Tagesförderstätte der Caritas Wohn- und Werkstätten (CWW) am Stiepenweg. Unterschiede sind schnell klar: &bdquo;Die Privatsphäre der Bewohnerinnen und Bewohner“, sagt er. In der Türkei undenkbar, spricht er den Aspekt der Menschenwürde an. Das zweite Schulhalbjahr führt ihn ins Familienzentrum St. Martin. Ein Frühlingsgruß für ältere Menschen in Warburg, eine besondere Aktion in der Kita An drei Tagen der Woche macht er praktische Erfahrungen im Umgang mit Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren. &bdquo;Die deutsche Sprache anwenden, das Lachen und Spielen mit Kindern bereiten ihm große Freude, ebenso das Basteln und kreative Gestalten“, fasst Sarah Bickmann zusammen. Die Leiterin des Familienzentrums auf der Hüffert berichtet von einer besonderen Aktion, die der Praktikant angeregt habe. Neben den Kindern lägen Ekrem auch die älteren Menschen am Herzen. Ihren Lebenswegen bringe er große Achtung entgegen. Herzenpost: &bdquo;Mit den Kita-Kindern wollte er ihnen Freude bereiten“, sagt Bickmann. Escape-Room: Einreise nach Fremdistan beginnt in Warburg Oguzhan leitet die Kinder an, &bdquo;Frühlingskarten“ für die Bewohnerinnen und Bewohner des Warburger Seniorenzentrums Sankt Johannes zu gestalten. &bdquo;Viele Kinder hörten erstmals vom Heim“, wundert sich Oguzhan, der sich als leidenschaftlicher Koch auch gern in der Schulküche einbringt. Sein süßes Baklava-Gebäck sei legendär, erinnert Gördemann an den winterlichen internationalen Kochtag in der Schule. Köstlichkeiten aus aller Herren Länder: Insgesamt lernen 370 Auszubildende, Schülerinnen, Schüler und Studierende am Berufskolleg in Trägerschaft des Kolping-Schulwerks Paderborn. Der Ehrgeiz ist geweckt: Damit hat Ekrem gute Chancen Auch wenn es dauert: Es solle geprüft werden, &bdquo;auch die Hörakustikerausbildung anerkennen zu lassen, um die Berufssuche Oguzhans auf breitere Füße zu stellen“, erklärt Schulleiterin Gördemann den weiteren Weg. Dass die Behörden extrem überlastet sind, merkt Redeker an. Was wiederum die Bearbeitungszeit verlängere. Derweil wird der 28-Jährige in Rimbeck eine Ausbildung zum Sozialassistenten mit Schwerpunkt Heilerziehung beginnen. Doch möchte er eigentlich Physiotherapeut werden. Wie er es schon zwei Jahre lang in der Türkei gelernt hatte, allerdings ohne Abschluss. Entweder erwirbt Oguzhan über die Anerkennung seiner Abschlüsse die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zum Physiotherapeut oder die Ausbildung zum Sozialassistenten als Ergänzungskraft führt dazu. &bdquo;Damit hat Ekrem aber auch gute Chancen, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten“, sagt Gördemann. Ergänzungskräfte seien wegen des Fachkräftemangels gefragter denn je.

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