Nach schwerer Krebserkrankung: Amber (17) aus Borgentreich träumt vom Tauchurlaub

Borgholz. Amber ist 17, hat seit dem Herbst den Führerschein und bereitet sich aufs Abi vor. Sie liebt das Tauchen, das sie und ihr Bruder unlängst für sich entdeckt haben. So weit, so üblich. Doch die Welt unter Wasser bedeutet ihnen weit mehr als ein schnöder Freizeitspaß. Amber ist an Knochenkrebs erkrankt. An einer besonders aggressiven Variante, dem Ewing-Sarkom. Ein banges Jahr auf der Kinderkrebsstation folgte. &bdquo;Sie ist eine Kämpferin“, sagen die Eltern Tanja und Andreas Gievers. Im Juni 2021 erhält Amber die Diagnose. &bdquo;Mein letzter Schultag“, sagt sie. Gut ein Jahr wird sie im Krankenbett und der Reha verbringen. &bdquo;Chemotherapie, Operation mit Tumorresektion und Diaphysenersatz, Hochdosischemo mit Stammzellentransplantation und Bestrahlung“, zählt Bruder Titian die Behandlungen auf. Dabei war sie nach einem Sportunfall doch nur wegen eines geprellten Fingers beim Arzt. Von der Beule am rechten Bein erzählt sie dem Arzt dennoch. Nach Röntgen und Ultraschall wird ein MRT-Termin vereinbart: Der Mediziner möchte genauer hinschauen. Und entdeckt ein Ewing-Sarkom. Ein bösartiger Tumor, der schnell wächst und streut. Bei Amber sitzt er am Oberschenkel. Er sei sich ziemlich sicher, sagt der Mediziner, über das Thema habe er promoviert. Es dauert ein paar Tage, bis nach der Gewebeentnahme der Befund vorliegt. Die Diagnose: &bdquo;Das war schon ein Schock“, sagt Amber. Dann ist sie Patientin im Kasseler Klinikum Nordhessen. Es kommt zu Komplikationen bei der Therapie Auf der Station begegnet sie Kindern mit Glatze. &bdquo;Da bin ich mit meinem Tumor noch gut dran“, denkt die 13-Jährige. Die rechte Einordnung fällt schwer. &bdquo;Dort redet niemand drumherum“, sagt sie. &bdquo;Schonungslos“ werde der Krebs auch als solcher benannt. Auch sie wird ihre Haare verlieren. Noch reicht der Zopf vom Kopf über den Rücken bis zur Hüfte. &bdquo;Es gibt schlimmere Fälle“, wirft Amber ein. Für ein paar Tage geht es nach Hause in die kleine Siedlung Borgholz-Bahnhof. Dann die erste Chemo. Die erste von zunächst sechs Einheiten vor der OP im Herbst. Danach sollten acht weitere folgen. So der Plan. Doch es kommt anders. &bdquo;Weil sich der OP-Termin mehr und mehr hinausschob“, erklärt Mutter Tanja. Die Prothese, die den Oberschenkelknochen ersetzen sollte, eine Spezialanfertigung, wurde und wurde nicht fertig. &bdquo;Die gibt es nicht aus dem Regal“, sagt Amber. Zwei der für später geplanten Chemo-Einheiten werden vorgezogen. Der vom Krebs betroffenen Knochen wird erst nach dem Jahreswechsel Ende Januar entnommen. Und untersucht. Der Tumor habe auf die Chemo nicht gut angesprochen, beschreibt Amber. &bdquo;Zu viele Zellen waren noch aktiv“, erhält die Familie eine schlechte Prognose. Die Ärzte entscheiden sich für eine Hochdosis-Chemo mit anschließender Stammzelltransplantation. Stammzelltransplantation: Komplett auf null gesetzt &bdquo;Der Körper wird komplett auf null gesetzt“, beschreibt Gievers. Eine Therapie mit starken Nebenwirkungen. Amber werden Stammzellen aus dem Blut entnommen, aufbereitet und nach Abschluss der Behandlung wieder zurückübertragen. Dann folgen vier Wochen lang Bestrahlungen. Die Mutter zeigt Fotos, die auf ein stark angegriffenes Hautbild deuten. Im Mai 2022 kann Amber endlich die Klinik verlassen, die Behandlung ist abgeschlossen. Fast ein ganzes Jahr durchgängig im Krankenhaus. Lange Zeit völlig isoliert auf F71, so der Stationsname der Kinderonkologie im Klinikum Kassel. Der Röhrenknochen aus Ambers rechtem Oberschenkel sei über die ganze Welt verteilt, bemerkt Gievers. &bdquo;Zu Forschungszwecken.“ Remission: Geheilt, aber nicht gesund In ihrer Schule vertritt die Schülerin des Gymnasiums in Beverungen ein Miniroboter. &bdquo;Ein Avatar“, den ihre Freunde und Mitschüler von Klassenraum zu Klassenraum tragen. Amber ist in der Neunten und verfolgt, immer, wenn es ihr gut geht, den Unterricht live auf Smartphone und Tablet. Im Krankenhaus mitunter ein schwieriges Unterfangen. Schlechte Internetverbindungen, ruckelnde Bilder, die Stimme des Lehrers kommt abgehakt rüber. Nach den Sommerferien 2022 steigt sie wieder voll ein. Im kommenden Jahr steht das Abi an, Mathe und Bio sind ihre Leistungskurse. Amber macht die Schule Spaß. Lesen Sie auch: Wie Kinder unter der Krebserkrankung von Geschwistern leiden Seit zweieinhalb Jahren gelte Amber &bdquo;als krebsfrei, aber nicht gesund“, sagt Bruder Titian. Sie habe eine unglaubliche Reise hinter sich. Trotz des Erfolgs: &bdquo;Ewing-Sarkome haben eine sehr hohe Rezidiv-Quote“, weiß der 20-Jährige, der im Herbst eine Ausbildung zum Mediengestalter begonnen hat. Die hohe Rückfallrate mache aber die vierteljährlichen Kontrolltermine zu &bdquo;einer mentalen Tortur“. Man müsse abwarten. Eine positive Grundeinstellung helfe beim Heilungsprozess, sagt Tanja Gievers. Die Familie sei enger zusammengerückt, ergänzt Titian. Persönlich sei er an der Zeit gewachsen. Das Tauchen wird zur neuen Leidenschaft Und Amber? &bdquo;Ich fühle mich normal“, so gibt sie am Esszimmertisch ihre Empfindung wieder. Spricht aber auch von traurigen Erfahrungen der Ausgrenzung und vorschnellem Urteilen. Sie genieße die Unbeschwertheit, die jeder Tauchgang mit sich bringe, sagt sie. Voltigieren und Jazz-Dance wie in den unbeschwerten Jahren zuvor seien nicht mehr möglich. Rennen ist passé, das Gleichgewicht wird trainiert. In der Woche des Waldpiraten-Camps der Deutschen Kinderkrebshilfe hatte sie in Heidelberg an einem Schnuppertauchen teilgenommen und war gefangen. In Warburg bot die VHS mit dem Team der Ossendorfer Tauchschule ebenfalls ein Kennlernangebot an. &bdquo;Allein will ich nicht“, ziert sich Amber zunächst, Bruder Titian muss mit. Lange genug habe sie genervt, sagt er. Zusammen absolvieren sie dann auch die Prüfung zum Grundschein. Amber macht weiter, erlangt die nächste Stufe und freut sich nun auf die Master-Prüfung. Im März tauchten beide auf ägyptischer Seite im Roten Meer ab. &bdquo;Cool“, fassen sie zusammen. &bdquo;Tauchlehrerin“ nimmt Amber als Idee nach dem Abi mit. Eine Zeit, um sich &bdquo;ein wenig selber zu finden“, lässt sie offen. Vielleicht werde es später mit dem Tauchen beruflich klappen. Ambers Traum vom Tauchurlaub auf dem Malediven Ihr größter Traum sei es, die Unterwasserwelt der Malediven zu erkunden, sagt Titian. Türkisfarbenes Wasser, bunte Korallenriffe: Amber möchte mit den Riesenrochen, den Mantas mit Spannweiten bis zu neun Metern schwimmen. Der Bruder sammelt im Internet unter dem Stichwort &bdquo;Ambers Traum“ auf der Spendenplattform www.gofundme.com. 10.000 Euro nennt Titian als Ziel. Damit seien dann auch Ausrüstung und bisherige Schulungen bezahlt. Die Familie habe viel Zeit und Ressourcen für Ambers Gesundheit investiert. &bdquo;Nicht aufgeben, so war sie schon immer“, sagt die Mutter. &bdquo;Bei Sachen, die uns wichtig sind, können wir das alle“, schiebt Titian nach und denkt auch an Bruder Bennet (14). Auch wenn es manchmal &bdquo;den Anschubser“ gebraucht habe.

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