Sturz des Assad-Regimes sorgt bei jungem Syrer in Warburg für starke Emotionen

Kreis Höxter/Warburg. Ein junger Mann in einem grünen T-Shirt sitzt an einem Klavier und spielt vor der Kulisse einer komplett zerstörten Straße: Als &bdquo;Pianist aus den Trümmern“ ist Aeham Ahmad bekannt worden. Mittlerweile ist der 36-Jährige nach der Flucht aus dem zerstörten Damaskus in Syrien im Kreis Höxter zu Hause. Im Dorf Daseburg bei Warburg. Und erlebt die Bilder vom Sturz des bisherigen Machthabers Baschar al-Assad am Fernseher mit &bdquo;mixed emotions“. Mit gemischten Gefühlen, sagt der mittlerweile überregional bekannte Musiker, Pianist und Buchautor im Gespräch mit der &bdquo;NW“: Zwischen Vorsicht und Enthusiasmus, so beschreibt er das, was derzeit in ihm vorgeht. Viele Jahre seines Lebens habe er in Angst und im Krieg gelebt, immer auf der Hut davor, etwas Falsches zu sagen und dann von der Geheimpolizei verhaftet zu werden und im Gefängnis zu verschwinden, erinnert er sich. &bdquo;Wir haben das gelernt, verinnerlicht“, sagt er über das erzwungene Schweigen. Seit elf Jahren sucht er nach seinem Bruder, dem genau das passierte. &bdquo;Wir wissen nicht, wo er ist.“ Auch sein Onkel habe in Syrien in und mit dieser Angst gelebt. Aeham beginnt das Klavierspielen im Alter von fünf Jahren Er selbst studierte von 2006 bis 2011 Musik an der Baath-Universität in Homs, nachdem er schon mit fünf Jahren mit dem Klavierspiel begonnen hatte. Während des Krieges, der Belagerung und des Hungers – er wuchs als palästinensischer Flüchtling im Flüchtlingslager Yarmouk in Damaskus auf – transportierte er sein Klavier auf einem Anhänger oder Pick-up durch das Chaos, trat an Plätzen und in Straßen auf. Videos davon machten ihn bekannt, bevor das Lager im April 2015 vom sogenannten &bdquo;Islamschen Staat“ eingenommen wurde. Sie zerstörten sein Klavier, er flüchtete, kam im September 2015 nach Deutschland. Und startete eine internationale Karriere als Musiker: &bdquo;Music for hope“, Musik für Hoffnung, nennt er das, was er heute macht. Mit großem Herzen und Leidenschaft. Dafür hätten die Menschen in Syrien jahrelang gekämpft Dass es jetzt so schnell geht mit dem Zusammenbruch des syrischen Regimes und der Flucht des Diktators nach Russland – damit hätte Aeham Ahmad dann doch nicht gerechnet. &bdquo;Erstaunlich“, sagt er auf Deutsch. Obwohl es sich seit zwei Jahren abgezeichnet habe, dass Assad &bdquo;weak“ sein. Schwach. Und andere Nationen im arabischen Raum ihn mit einer Einladung nur noch hätten gut aussehen lassen. Er sei sehr aufgeregt gewesen, als sich der Sturz abgezeichnet habe. Dafür hätten die Menschen in Syrien seit vielen Jahren gekämpft. Die Situation jetzt habe ihn den Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein erinnert. Was ihn zunächst nur vorsichtig jubeln lässt: Dass es Islamisten waren, die Assad-Regime stürzten. Er hatte auf das normale Volk gesetzt. Lesen Sie auch: Der &bdquo;Pianist aus den Trümmern“ hat eine neue Heimat gefunden Onkel des Warburger berichtet voller Enthusiasmus Jetzt schaue er genau, wie sich die Lage entwickelt, wie Länder drumherum reagierten. &bdquo;Ich bin jeden Tag in Kontakt mit Familie und Freunden.“ Besonders sein Onkel habe beim Telefonieren &bdquo;a lot of enthusiasm in his voice“ – viel Enthusiasmus in der Stimme. Angesichts der großen Angst, in der dieser in den vergangenen Jahren im Alltag gelebt habe, verständlich. Schon allein nicht mehr die Assad-Checkpoints sehen zu müssen, mache die Menschen enthusiastisch. Video mit Klavier in den Trümmern machte ihn bekannt Aeham Ahmad ist selbst Vater von zwei Söhnen (10 und 12), die noch im Flüchtlingslager Yarmouk geboren wurden, und einer kleinen Tochter (5), die in Kassel zur Welt kam. Wenn er heute in die Gesichter seiner Kinder schaue, die aus Kindergarten oder Schule nach Hause in Daseburg kämen, sei er glücklich: Diese Möglichkeiten, dieses freie und unbeschwerte Leben wünsche er auch den Menschen in Syrien. Was er als &bdquo;Volkstrauma“ Syriens bezeichnet Aber: &bdquo;Zwei bis drei Millionen Kinder sind während der Kriegsjahre in Syrien geboren worden – sie kennen nur Krieg.“ Und dann sagt er noch ein Wort auf Deutsch: &bdquo;Volkstrauma“. Er hoffe für sie auf Unterstützung auf dem Weg zu festen Strukturen auch vonseiten Europas und der &bdquo;Freunde Syriens“, wie sie es vor dem Krieg angekündigt hätten. Denn Syriens Kinder sollten Demokratie lernen. Und der Aufbau des zerstörten Landes, der zerstörten Häuser, Infrastruktur? Auch Aeham Ahmads Haus und der Shop der Familie sind kaputt. Er setzt drauf, dass Syrien aufgebaut wird, wieder groß wird, wie er voller Hoffnung sagt. Und Assad? &bdquo;Man muss gegen jeden Diktator aufstehen“, sagt Aeham Ahmad fest überzeugt. Und verweist auf den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag. Aeham Ahamds nächster Auftritt: Froh über Assads Sturz: Pianist aus Damaskus kommt nach Borchen Mittlerweile Existenz in Warburg aufgebaut Ob er Syrien wiedersehen möchte? Ja, antwortet Aeham Ahmad. Besuchen. Noch mehr freut er sich aber darauf, seinen Onkel und die Familienmitglieder als Besucher in Daseburg zu begrüßen. Dort hat die Familie 2019 ein Haus gekauft, hat sich eine Existenz aufgebaut, ist gut vernetzt und hat viele Freunde – und besitzt seit zwei Jahren den deutschen Pass. ? Seine Geschichte als Buch: &bdquo;Und die Vögel werden singen. Ich, der Pianist aus den Trümmern“, aufgeschrieben mit Sandra Hetzl und Ariel Hauptmeier. Verlag S. Fischer, Frankfurt/Main 2017, ISBN 978-3-10-397317-4.

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