Ben Salomo diskutiert an Warburger Schule über Antisemitismus im Deutschrap

Warburg. Das Licht gedimmt, neben der Leinwand auf der Bühne ein einsamer Stuhl am Stehtisch. Doch Ben Salomo rückt näher ran ans Publikum, verringert den Abstand, greift an diesem Morgen vor der Bühne im Pädagogischen Zentrum zum Mikro. Er sei der einzige Jude im Rap-Geschäft, der auf Antisemitismus hinweise, sagt er. Als Künstler und Deutschrapper hat er die große Bühnen verlassen, tritt heute vor Schülerinnen und Schüler auf. Und die hören gebannt zu. Drei-Streifen-Jacke, auf dem Kopf das Schirmkäppi: Ben Salomo weiß, was sich für einen Rapper gehört. In Israel geboren, kam er mit vier Jahren zu Beginn der 1980er Jahre nach Berlin, wuchs in der Jugend auf Schöneberger Hinterhöfen mit der Szene, die neben Techno und Grunge in den 1990er noch ein Schattendasein fristete, auf. Gedichte habe er schon gern geschrieben, bemerkt der jüdische Rapper, der mit bürgerlichem Namen Jonathan Kalmanovich heißt. Warum da nicht Songtexte im Sprechgesang, der mit der Hip-Hop-Welle aus Amerika herüberschwappte, schreiben und vor Publikum zum Besten geben. Und dann &bdquo;20 Jahre im Geschäft“, sagt Kalmanovich. Kurz vor der Jahrtausendwende begann der erfolgreiche Weg im Musikbusiness seinem Youtube-Format &bdquo;Rap am Mittwoch“, Plattenverträge und Konzerte folgten. Sein Leben als Jude in Deutschland Aus Protest gegen die Echo-Verleihung kehrte er 2018 der Branche den Rücken, davon enttäuscht, wie sie sich wegduckte, als die Rapper-Idole Farid Bang und Kollegah, die mit antisemitischen Texten auffällig geworden waren, ausgezeichnet wurden. Kalmanovich hatte genug, schrieb sich im Buch &bdquo;Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“, erschienen im Europa Verlag, den Frust von der Seele. Die Seiten berichten von seinem Leben als Jude in Deutschland, schildern Diskriminierung, Hass und Hetze, machen beunruhigende Entwicklungen in der Gesellschaft aus. Ben Salomo wird nicht schweigen, er möchte aufklären. Weit mehr als ein schnöder Vortrag des Geschichtslehrers im Klassenzimmer. Ben Salomon erreicht junge Menschen anders. Er performe Bildungsarbeit, schreibt die &bdquo;Frankfurter Allgemeine“ und nutze Elemente aus der Erlebnispädagogik. Im Warburger PZ ist es mucksmäuschenstill. &bdquo;Musik und Musiker haben Einfluss“ Die Gesichter der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 11 im Hüffertgymnasium folgen seinen Bewegungen, Ben Salomo spricht deutlich, eindringlich, energiegeladen. Das kommt an. &bdquo;Authentizität ist ein großer Begriff in der Rap-Szene“, sagt er dann in der Pause zwischen den beiden jeweils gut zweistündigen Veranstaltungen. Nicht nur eine Attitüde der Szenestars, mit der sie werben. &bdquo;Musik und Musiker haben Einfluss“, sagt Kalmanovich. &bdquo;Sie beeinflussen das eigene Denken.“ Rap ist ein bedeutender Teil in der heutigen Jugendkultur und ein wichtiges Segment für die Musikindustrie. Trotz menschenfeindlicher Texte. &bdquo;Frauenverachtend, homophob, gewaltverherrlichend, antisemitisch, rechte Ideologien“, zählt Ben Salomo auf. 500 Auftritte in Schulen und Bildungseinrichtungen Meist sind es männliche Künstler, die auffallen. Keineswegs beschränkt auf den Gangsta-Rap, der einen Nährboden für spätere verfestigte antisemitische Einstellungen bereite, &bdquo;wie eine Studie der Uni Bielefeld belegt“, weist Ben Salomo auf die Wissenschaft hin. Doch ist der 45-Jährige ganz Praktiker. 500 Auftritte in Schulen und Bildungseinrichtungen den vergangenen fünf Jahren machten junge Menschen aufmerksam. Der Versuch zu sensibilisieren: Die Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert und moderiert diese Auftritte in ganz Deutschland. Lena Hüther, Referendarin im Fach Geschichte am Hüffert, holte den Rapper nach Warburg. Beschimpfungen, Beleidigungen und blanker Hass Sein Engagement bringt ihm Lob von vielen Seiten ein. Auch Seitens der Jugendlichen &bdquo;viel positives Feedback in den Social-Media-Kanälen“, sagt er. Allerdings sind es allzu oft auch Beschimpfungen, Beleidigungen und blanker Hass bis hin zu persönlichen Drohungen, die ihm entgegenschlagen. Die Lernkurve nach seinen Besuchen sei bei den Jugendlichen &bdquo;aber deutlich sichtbar“, bilanziert Kalmanovich. Bei &bdquo;20, 25 Prozent“ der Schülerinnen und Schüler habe er zuvor antisemitische Ausdrücke gehört, gibt er Erlebtes wider. &bdquo;Nicht selten auch von Lehrern.“ Islamischer Antisemitismus von Migranten in großen Städten, rechter Antisemitismus in den neue Bundesländern. Lehrkräfte sprächen eher aus einem &bdquo;linksverpackten Milieu“ Ressentiments aus, die unbewusst Vorurteile kaschieren. &bdquo;Ein recycelter Antisemitismus“ 120 Rapsongs mit antisemitischen Botschaften allein im vergangenen Jahrzehnt, nennt Ben Salomo beim Auftritt eine Zahl. Als unterschwellig mitgelieferte menschenverachtende Botschaft läuft da wohl noch mehr. Die Kunst als Schutzbereich unter einem schlichten &bdquo;Das darf man ja wohl noch sagen dürfen“ zu missbrauchen, lässt er nicht stehen. Nur weil in einem künstlerischen Kontext ausgedrückt, bleibe es doch rechtsgewandt, rassistisch und antisemitisch. &bdquo;Ein recycelter Antisemitismus“, weist er vor der Schülerschaft auf eine jahrhundertealte Rassismusgeschichte, auf Holocaust und Israelfeindlichkeit hin. &bdquo;Die Unfähigkeit zu trauern“, fasst Ruth Kröger-Bierhof, ehemalige Lehrerin und engagiert in der Stolperstein-Initiative der Hansestadt, zusammen. &bdquo;Ich wäre nicht hier, wenn meine Großeltern nicht die Nazizeit überlebt hätten“, betont Kalmanovich und erzählt aus der eigenen Familiengeschichte. Der eine Opa mit neun im Ghetto, der andere eingesperrt im Arbeitslager. &bdquo;Ihr solltet Eure Antennen schärfen und nachdenken“ Chiffren, Codes, subtile Ausdrucksformen: &bdquo;Wer von Euch hatte schon einmal das Gefühl, irgendwie Judenfeindlichkeit begegnet zu sein?“, fragt Ben Salomo in die Runde, in der sich zwei Hände zaghaft heben. Bei der Frage &bdquo;Wer hat hier schon einmal ein Hakenkreuz gesehen?“ sind es ungleich mehr. Und der spaßig dahingeworfene Hitler-Gruß auf der Party oder Symbole und Konterfeis der Nazis in Chatgruppen? Die Anzahl sich meldender Finger wartet er erst gar nicht ab. &bdquo;Antisemitismus und Judenhass“, sagt er bestimmt. &bdquo;Nur nicht so gemerkt und leichtfertig darüber hinweggesehen“, schiebt er nach. Aus Sicht der Menschen jüdischen Glaubens aber ein riesiges Problem. &bdquo;Ihr solltet Eure Antennen schärfen.“ Die Fälle extremer Gewalt stiegen an, das habe der Antisemitismusbericht der Bundesregierung gezeigt. &bdquo;Ich will, dass die Menschen Antisemitismus von heute erkennen“, sagt er. Sich schlaumachen. Sie sollten sich mit allen Aspekten von Antisemitismus befassen. Als Ben Salomo gibt Jonathan Kalmanovich an diesem Morgen im Hüffert die Richtung vor, erzählt aus eigener Erfahrung von Ausgrenzung und Anfeindung, von der Angst. &bdquo;Ihr solltet darüber nachdenken. Wir müssen widersprechen. Wir müssen Widerstand leisten“, fordert er am Ende vehement auf. &bdquo;Denn es geht um Eure Zukunft und die Zukunft der Demokratie“. Es sind nicht nur diese Schlussworte des jüdischen Rappers, die im Pädagogischen Zentrum den Applaus der jungen Warburgerinnen und Warburger ernten.

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