Der Emil-Herz-Platz in Warburg soll würdiger gestaltet werden

Warburg. Ein Kinderkoffer und ein kleiner Teddy könnten anstelle der unansehnlichen Gabionen den Gedenkplatz zwischen der Graf-Dodiko-Schule und dem jüdischen Friedhof an Deportation und Flucht Warburger Mitbürger jüdischen Glaubens zur Nazi-Zeit erinnern. Nicht nur die Stolperstein-Aktionsgruppe möchte dem Areal mehr Würde geben. Vor 82 Jahren war den Warburger Juden am Nachmittag des 9. Dezember von Behörden und der Polizei angekündigt worden, dass sie am nächsten Morgen &bdquo;ausgesiedelt“ würden. Als Gepäck waren, einschließlich Wäsche und Bettzeug, pro Person 50 Kilo erlaubt. Sie hatten sich in der Turnhalle, die damals auf dem Gelände des heutigen Busbahnhofs stand, einzufinden. Lastwagen brachten an diesem Tag mehr als 50 Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde in Warburg und der Börde zur Sammelstelle nach Bielefeld. In Zugwaggons führte der Weg zunächst weiter ins Rigaer Ghetto nach Lettland. Koffer und Schmusebär &bdquo;Beim Hochheben auf die Ladefläche des Lasters entglitt einem kleinen Jungen der Teddy, den er im Arm trug, und auch der Koffer fiel herab“, wusste Ruth Kröger-Bierhoff am Dienstagabend im Bezirksausschuss zu berichten. In der Sitzung stellte die Warburger Stolperstein-Initiative ihre Pläne für eine Neugestaltung des Emil-Herz-Platzes vor. &bdquo;Koffer und Schmusebär sollte er nie wiedersehen.“ In Budapest sind es metallene Schuhe am Uferkai der Donau, die als Mahnmal an Flucht und Deportation, an Vertreibung und Ermordung erinnern. In Warburg werden es drei Koffer aus Wesersandstein sein, &bdquo;darunter ein offener Kinderkoffer aus dem ein Teddy herausschaut und ein Überseekoffer, der für eine gelungene Flucht und die Emigration steht“. Eine solche gelang dem Berliner Verleger Emil Herz, einem Warburger, nach dem 2008 der Platz benannt wurde. Emil Herz Emanuel Emil Herz war Verlagsleiter beim Ullstein-Verlag und lebte, 1877 in Essen geboren, bis zu seinem Studium in Warburg. Die alleinerziehende Mutter Amalie beschloss 1880, in die Hansestadt zu ziehen, da Emils Großmutter, verheiratet mit dem Lehrer Juda Oppenheim, dort lebte. Die Familie wohnte am Altstädter Markt. Herz besuchte als Kind die jüdische Elementarschule in der Stadt, macht mit 19 Jahren am Marianum Abitur. Für sein Studium der Literatur, Geschichte und Philosophie zieht er nach Bonn. Herz möchte Lehrer werden. Doch aufgrund seiner jüdischen Herkunft bleibt ihm eine Anstellung verwehrt. Herz beginnt in Hamburg eine Verlagslehre. 1903 tritt er in Berlin beim Ullstein-Verlag eine Stelle an, steigt zum Verlagsleiter auf und bleibt es für rund 30 Jahre. Nach der Enteignung des Ullstein-Verlags, bleibt Herz vorerst noch in Deutschland. Seine Frau Gabriele wird 1936 in Moringen interniert, kommt jedoch wieder frei. Die Familie entschließt sich zu fliehen. Über die Schweiz, Italien und Kuba in die USA, wo sie sich in Rochester im Staat New York niederlässt. Der vierfache Vater stirbt im Alter von 94 Jahren 1971 in Rochester. &bdquo;Warburg wurde das Paradies meiner Jugend“, schrieb Emil Herz in seinen 1951 erschienenen Lebenserinnerungen unter dem Titel &bdquo;Denk ich an Deutschland in der Nacht“. Ein Nachdruck des Buches ist im Warburger Stadtmuseum im &bdquo;Stern“ für 15 Euro erhältlich. Erinnerungskultur Der neugestaltete Platz solle an das Leid der todbringenden Deportationen erinnern und auch für die Menschen stehen, &bdquo;denen die Flucht vor den Nazis gelang“, sagte Kröger-Bierhoff. Im Sinne einer würdigen Erinnerungskultur, denn die aktuelle Gestaltung erkläre sich nicht von selbst. Die überdimensionalen Koffer sollten als symbolisches Bild zum Nachdenken anregen. Ein angebrachter QR-Code werde auf dem Smartphone über die jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt informieren. Bürger, Nachbarn, Freunde und Arbeitskollegen sahen weg: 1942 folgten weitere Deportationen aus Warburg in Ghettos und Konzentrationslager wie Auschwitz, Theresienstadt und Minsk. Nur wenige der Verschleppten überlebten die Nazi-Diktatur. Eine in den Boden eingelassene Platte am Busbahnhof wird die Gedenkstätte um den Ort erweitern, an dem in Warburg der Weg begonnen hatte. &bdquo;Vernünftige Lösung“ Die Vorstellungen der neuen Gestaltung und das Engagement fand Stadtheimatpfleger Ulrich Nolte &bdquo;beeindruckend“. Doch merkte er bei den drei Gedenkorten an die jüdischen Opfer des Nazi-Terrors in der Stadt (Kupferplatte und Gleisschiene an der Mauer des jüdischen Friedhofs, der Emil-Herz-Platz, der ein einzelnes Schicksal darstelle, und die 111 in der Stadt verlegten Stolpersteine) das Gedenken an weitere Opfer an. Rassistisch Verfolgte, sogenanntes &bdquo;unwertes Leben“, politisch Andersdenkende: Auch diese seien mit zu erwähnen. Christian Holtgreve (Grüne) sprach von einer insgesamt &bdquo;vernünftigen Lösung“. Die einstmals aufgestellten Gabionen seien eine schlichte Notlösung gewesen. Dass der Platz eine Weiterentwicklung erfahre, freue die Verwaltung, hielt Beigeordneter Andreas Niggemeyer fest und erinnerte an einen &bdquo;aktuell befremdlich anwachsenden Antisemitismus“. Anregung Der &bdquo;Gedenkplatz für Flucht und Vertreibung“: Bei einer Enthaltung nahmen die Ausschussmitglieder dessen Planungsstand zustimmend zur Kenntnis. Als Anregung gaben sie Initiatoren und Beteiligten mit auf den Weg, die Infos über den anzubringenden QR-Code auch in englischer Sprache zu hinterlegen. Die Mitglieder der Stolperstein-Initiative um Kröger-Bierhoff und Irmgard Heuel haben weitere Ideen, die aus der Historie der Stadt und ihrer jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner berichten: In der Dauerausstellung des Stadtmuseums könnten an einem digitalen Terminal Familiengeschichten abrufbar sein. Eine Übersichtskarte könnte die Häuser bezeichnen, an denen jüdische Mitbürger und Hinzugezogene zum Zeitpunkt der Deportationen ihren letzten Wohnsitz hatten.

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