Erinnerungskultur

Warburger Schüler in Auschwitz: Warum der Besuch heute noch wichtig ist

Besuch in den Konzentrationslagern Auschwitz und Birkenau: Schülerinnen und Schüler aus Warburg gedenken der Opfer des Nationalsozialismus.

Schienen zur so genannten „Judenrampe“: Auf diesen Schienen fuhren die Transporte mit den jüdischen Menschen durch das Tor ein. Direkt nach der Ankunft entschied ein Arzt während des „Selektionsprozesses“ über Tod oder Verbleib der Menschen. | © Stadt Warburg

19.11.2023 | 19.11.2023, 17:00

Warburg. 47 Teilnehmende, darunter 36 Schülerinnen und Schüler aus der Warburger Sekundarschule und den Gymnasien Marianum und Hüffert, machten sich jetzt auf eine Reise in die Vergangenheit, um für die Zukunft zu lernen. Gefördert durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ besuchte der Verein für Völkerverständigung Warburg das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz in Polen.

Im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau wurde am Mahnmal ein Kranz niedergelegt. Außerdem lernten die Teilnehmenden die Stadt Breslaubei einer Stadtrallye näher kennen und besuchten die Warburger Partnerstadt Prochowice.

Demokratie, Toleranz, Respekt und Menschlichkeit

Im Mittelpunkt der Fahrt stand das Gedenken an die Opfer und das Sichtbarmachen des Grauens der Naziherrschaft. Dabei sollten sich die Schülerinnen und Schüler vor allem mit den Werten rund um Demokratie, Toleranz, Respekt und Menschlichkeit auseinandersetzen, um dem dunklen Teil der deutschen Geschichte ein „Nie wieder“ entgegenzusetzen.

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Geschichte, die bewegt

Der Besuch startete in der neu gestalteten Gedenkstätte im ehemaligen Stammlager I. „Arbeit macht frei“ - diese zynische Begrüßung der Häftlinge in den Jahren 1940 bis 1945 macht die Unmenschlichkeit des Systems deutlich. Unrecht, Gewalt, Ermordung und Vernichtung prägte die gesamte Bestehenszeit des Konzentrationslagers.

Die Schülerinnen und Schüler hörten beim geführten Rundgang über die Gräueltaten, insbesondere auch über den „Todesblock 11“. Besonders erschütternd seien die Räume mit den ausgestellten Habseligkeiten der Opfer, wie Schuhe, Koffer und Kleidungsstücke gewesen, heißt es in einer Mitteilung. Besonders erdrückend: Ein Raum, der die unzähligen abgeschnittenen Haarschöpfe der Häftlinge zeigt.

Kranzniederlegung zum Gedenken

Im Anschluss besichtigte die Gruppe den Vernichtungskomplex im rund zwei Kilometer entfernten Auschwitz-Birkenau. Hier legten die Schülerinnen und Schüler am Mahnmal einen Kranz im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nieder. Es ist der Ort, an dem Jüdinnen und Juden aus ganz Europa, in Zügen eingepfercht, an der Rampe zur Selektion ankamen.

Kranzniederlegung am Mahnmal: Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und gegen das Vergessen wurde am großen Mahnmal ein Kranz niedergelegt. - © Stadt Warburg
Kranzniederlegung am Mahnmal: Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und gegen das Vergessen wurde am großen Mahnmal ein Kranz niedergelegt. | © Stadt Warburg

Selektion bedeutete, dass wenige Sekunden über Tod oder Verbleiben im Lager entschieden. 80 bis 90 Prozent der Ankömmlinge wurden direkt in die Gaskammern verbracht. Dies waren vor allem Frauen, Kinder, Alte und arbeitsunfähige Männer.

Denn die arbeitsfähigen Männer wurden eingesetzt, den perfiden Vernichtungsplan in die Tat umzusetzen. Bei Krankheit oder Verlust der Arbeitsfähigkeit waren auch diese Häftlinge dem Tod geweiht. Insgesamt wurden in Auschwitz mehr als eine Million Menschen ermordet.

Abschluss-Workshop zur Reflexion

In einem abschließenden 90-minütigen Workshop reflektierten die Schülerinnen und Schüler in Gruppen anhand von Zeitzeugenberichten das Erlebte. Dabei stand im Mittelpunkt, welche Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden können, um in Gegenwart und Zukunft Frieden, Toleranz, Gerechtigkeit und Minderheitenschutz zu bewahren und wie man sich für diese Werte einsetzen kann.

„Die Eindrücke des Besuchs im Konzentrationslager Auschwitz waren für die Schülerinnen und Schüler sehr nachhaltig. Sie haben mit großem Interesse, hoher Betroffenheit und würdigem Verhalten die Gedenkstätte besucht und die Geschehnisse im Dritten Reich auch in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft in der heutigen Zeit eingeordnet“, hält Bürgermeister Tobias Scherf, der die Gruppe begleitet hatte, fest.

Ein anonymer Brief

Am folgenden Tag hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, das Erlebte mit etwas Abstand erneut zu betrachten und für sich zu verarbeiten: In fiktiven anonymen Briefen, die sie entweder an sich selbst oder an Freunde oder Verwandte schrieben, setzten sie sich mit der Frage auseinander, ob ihre Vorstellung vor Beginn der Reise sich mit dem tatsächlich Erlebten deckten, oder ob Erwartung und Realität auseinanderklafften.

„Das Tagebuch der Anne Frank“

Während einer „Stolperstein-Tour“ mit Besuch des jüdischen Friedhofs hatten sich die Teilnehmenden vorab bereits intensiv mit den Schicksalen der Warburger Jüdinnen und Juden auseinandergesetzt. Alle Teilnehmenden werden im Dezember im Kino den Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ anschauen. Gemeinsam mit Daniel Heinz von der „Bildungsstätte Anne Frank“ werden sie Eindrücke und Erlebnisse reflektieren, diskutieren und einordnen.