Kitas im Kreis Höxter fühlen sich im Stich gelassen

Warburg/Kreis Höxter. &bdquo;Wir wollen bewusst nicht streiken“, erklärt Birgit Henze und setzt sich die rosarote Brille auf. Wir wählen den digitalen Weg, um zu protestieren“, sagt die Leiterin des Familienzentrums St. Vincentius in Scherfede. Ein stiller Protest, der sich an die NRW-Familienministerin richtet. Wenn Josefine Paul (Grüne) derzeit in ihre Medienkanäle schaut, hat sie wahrscheinlich wenig Freude. Mit ihrer Aktion wollen die Mitarbeitenden der katholischen Kitas in OWL deutlich machen, dass sie sich endlich eine angemessene Reaktion aus Düsseldorf auf ihre Brandbriefe wünschen. Die Fachkräfte und Leitungen in den Kitas sind empört: Auf heftigen Unmut war zuletzt ein Brief von der Ministerin gestoßen. Sie hatte ihnen und den Eltern zum neuen Kindergartenjahr öffentlich per Mail ein &bdquo;bereicherndes Kita-Jahr“ gewünscht. &bdquo;Angesichts der prekären Lage in vielen Kitas ein Hohn“, meinen Henze und Theresa Braun, Kita-Leiterin in Rimbeck. Es müsse sich dringend etwas ändern, machen sie auf unzureichende und mangelhafte Bedingungen aufmerksam und halten sich mit harscher Kritik nicht zurück. Das Schreiben der Ministerin empfanden sie als einen Schlag ins Gesicht. &bdquo;Qualität und Realität“: 159 Kitas in OWL hatten den Brief, den Henze und Braun mit der Hövelhofer Kita-Leiterin Brigitte Hamschmidt formuliert hatten, unterschrieben. Zum Start ins neue Kita-Jahr hatte sich die Ministerin dankbar gezeigt, dass die pädagogischen Fachkräfte den Kindern einen Ort zum Gestalten und Entwickeln ermöglichten, hatte von Chancengerechtigkeit und guten qualitativen Bildungsstandards gesprochen. Der Kita-Alltag stelle sich aber völlig anders dar, sagt Henze. &bdquo;Zirkusvorstellung mit Überraschungseffekt“ Die knappe Personalausstattung provoziere herbe Einschnitte beim Betreuungsangebot. Unter anderem durch den Fachkräftemangel und die Folgen der Pandemie könne der drastisch zugenommene pädagogische Mehraufwand nicht mehr bewältigt werden. Sobald eine Fachkraft, sei es aufgrund von Urlaub, Krankheit oder Fortbildung, ausfalle, bestehe die Gefahr einer personellen Unterbesetzung. Dann müssten Angebote und Betreuungszeiten reduziert werden, werden Braun und Henze in ihrem Antwortschreiben an die Ministerin konkret. In vielen Einrichtungen müssten sogar Betreuungsplätze begrenzt werden. Für die Erziehungsberechtigten, die Kolleginnen und Kollegen werde so jeder Tag zu einer &bdquo;Zirkusvorstellung mit Überraschungseffekt“. Nur eine Betreuung, keine individuelle Förderung Gestiegene Personal- und Betriebskosten nicht ausreichend gedeckt, dazu die Personaldecke am unteren Minimum: Die Ministerin wecke bei den Eltern Erwartungen, &bdquo;die in den Kitas flächendeckend nicht erfüllt werden können“. Aktuell finde in vielen Einrichtungen nur eine Betreuung und keine individuelle Förderung statt. Da wächst in den Kitas der Frust. Und auch der Unmut bei den Erziehungsberechtigten. Konkret gebe es hochstiftweit in allen katholischen Kitas Stufenpläne, &bdquo;die regeln, dass Kinder nicht mehr an allen Tagen in die Kitas kommen können“, sagt Henze. Dabei arbeiten die Erzieherinnen und Erzieher am Limit. Der drastisch zugenommene pädagogische Mehraufwand könne nicht mehr bewältigt werden, mahnt das Schreiben aus den Einrichtungen der Katholischen Kitas Hochstift und Minden-Ravensberg-Lippe mangelnde Unterstützung an. &bdquo;Wie stellen Sie sich die Zukunft der Kitas vor?“, geht die Frage direkt an Ministerin Paul, die bisher unbeantwortet blieb. Zuwendungen für Regelbetrieb nicht auskömmlich Zwar gab es zur Kitafinanzierung jetzt eine erste Reaktion aus Düsseldorf. Doch das reicht den Erzieherinnen nicht aus. Ihnen fehle schlichtweg noch der klare Blick, ob die angekündigten Millionen ein Tropfen auf den heißen Stein oder wirklich Grundlage für eine strukturelle Hilfe seien, heißt es seitens der Kita Hochstift. Ob die in dieser Woche angekündigte finanzielle Hilfe überhaupt zum Tragen komme, sei ebenso fraglich. &bdquo;Immerhin muss der Landtag dies erst beschließen“, sagt Henze und sorgt sich auch darum, ob es überhaupt ausreicht. Leitungen und Mitarbeitende möchten, dass ihre Arbeit grundlegend und gesetzlich verankert gesichert wird. Die vom Land gewährten Zuwendungen für einen Regelbetrieb seien nicht mehr auskömmlich. &bdquo;Schon vor Corona nicht“, bekräftigt Henze. Geld fehle auch für notwendige Sanierungen und den Platzausbau. In Scherfede sollte ein Raumangebot für eine fünfte Gruppe geschaffen werden. Angesichts der angespannten Situation ist das Bauprojekt &bdquo;erst einmal gestrichen“. Kommen auf die Stadt hohe Mehrkosten zu? In dieser Situation überrascht eine Nachricht aus dem Warburger Rathaus nicht. Sowohl die Katholische Kita Hochstift gGmbH als auch der Evangelische Kirchenkreis Paderborn denke ernsthaft über die Aufgabe der Trägerschaften nach, teilt die Verwaltung mit. Sofern nicht kurzfristig Entlastungen für das laufende Kita-Jahr erfolgten. Daher müsse beim Aufstellen des neuen Haushalts darüber beraten werden. Den gesamten Trägeranteil von 10,3 Prozent zu übernehmen, würde für die Stadt jährlich Mehrkosten in Höhe von mehr als 300.000 Euro bedeuten. Doch stehe in erster Line das Land für die Finanzierung der Kitas in der Verantwortung. Die Landesregierung hatte aktuell angekündigt, den Ansatz der im Rahmen des Kinderbildungsgesetz (Kibiz) ausgezahlten Pauschalen auf rund zehn Prozent zu erhöhen. Ab dem Kindergartenjahr 2024/25. Damit erhielten die kommunalen und freien Träger ab dem Sommer fast zehn Prozent mehr Mittel für die Kindpauschalen. Ob das unter dem Strich ausreiche, fürchtet Henze und glaubt, &bdquo;dass nicht so viele Mittel genehmigt werden, wie von der Ministerin angekündigt“. Die Träger fordern ein Sofortprogramm. Denn erfolge unter anderem die Refinanzierung der tariflichen Lohnerhöhungen bis zu 18 Monate später, bemerkt Henze. &bdquo;Für die Träger eine wahnsinnige Auslage, die nicht gedeckt ist.“ Man frage sich, ob die Ministerin den Ernst der Lage wirklich erkannt habe. "Überfordert und ausgelaugt“ Die Fachkräfte &bdquo;fühlen sich oftmals überfordert und ausgelaugt“, sagt Henze. &bdquo;Wir machen alles möglich, um den Alltag für Kinder und Eltern so normal wie möglich zu gestalten, so dass Engpässe kaum auffallen und sich Eltern nicht sorgen müssen“. Immer wieder das Beste aus der Situation zu machen, trotz der widrigen Umstände, die Kraft raubten. &bdquo;Solange uns die Kräfte nicht verlassen, kämpfen wir weiter“, richtet sie den Blick wieder nach Düsseldorf.

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