Tödliche Unfälle im Kreis Höxter: Erste Hilfe für die Seele

Warburg/Neuenheerse. Es sind die Bilder, die keiner sehen möchte, die manche aber sehen müssen. Ob nun bewusst im Einsatz an der Unfallstelle als Haupt- und Ehrenamtlicher oder aber unvorbereitet als Zeuge und Ersthelfer: Unfälle mit schwer verletzten oder gar getöteten Menschen, von denen es in den vergangenen Wochen im Kreis Höxter ungewöhnlich viele gab. Wenn es darum geht, diese Bilder zu verarbeiten, dann kommen sie ins Spiel: die Notfallseelsorger. Zwei, die diese so wichtige Aufgabe im Kreis übernehmen, sind Pfarrer Johannes Insel aus Warburg und Pater Thomas Wunram aus Neuenheerse, selbst Feuerwehrmann. Sie waren unter anderem auch in Höxter dabei, als vor kurzem eine Radfahrerin an einer Kreuzung von einem Lastwagen überfahren wurde und starb. Ein für Ersthelfer und Unfallzeugen mitunter traumatisches Ereignis, weshalb ihnen im Anschluss Gesprächsmöglichkeiten angeboten wurden: &bdquo;Es ist wichtig, dass die Ersthelfer wahrgenommen werden", sagt Wunram. "Das sind normale Reaktionen auf ein völlig unnormales Ereignis" &bdquo;Einsatzkräfte sind vorbereitet und funktionieren am Einsatzort, könne sich auf die Kameraden verlassen. Ersthelfer geraten völlig unvorbereitet hinein und stehen ganz allein da." Deshalb müsse man mit beiden Gruppen ganz unterschiedlich sprechen. Klar ist für beide, dass die Psyche in diesen Extremsituationen Schutzmauern hochfahre. Aber: &bdquo;Die Menschen sind gesund, auch wenn es sie in solchen Situationen quasi aus den Socken reißt, sie schlecht schlafen können, Schweißausbrüche haben, den Ort des Ereignisses meiden. Das sind normale Reaktionen auf ein völlig unnormales Ereignis. Allein dies anzusprechen, das entlastet sie schon." Lesen Sie auch: Tödliche Unfälle im Kreis Höxter: Belastungsprobe für die Helfer Das Critical Inzidenz Stress Management nennt Pater Thomas Wunram die Möglichkeit der Gesprächsführung: &bdquo;Einsatzkräfte haben oftmals nur ein begrenztes Bild von dem Geschehen am Unfallort. Es bleiben viele dunkle Flecken. Deshalb gehen wir in den Gruppengesprächen zurück auf den Einsatz, jeder erzählt seine Sicht. So wird das Bild für alle komplett." Neben der Frage: Was hat sich verändert? werde zudem Positives gesucht: &bdquo;Und da findet sich immer etwas." Dem stimmt sein Kollege Johannes Insel zu: &bdquo;Wir haben so viel Dinge im Herzen gespeichert." Ressourcen, die man mit Hinhören, Zuhören und dem Zulassen von Trauer wecken könne. Und mit viel Sensibilität in der Begegnung. Der Mann, der beim Überbringen einer Todesnachricht schon einmal angegriffen wurde, nennt es &bdquo;liebevoll und mit voller Zuwendung Herz, Ohr und alle Sinne für den anderen öffnen." &bdquo;Sie sind dageblieben, sie haben gehandelt" Ersthelfer oder Unfallzeugen führe man im Gegensatz zu Einsatzkräften im Gespräch nicht zurück an das Ereignis selbst, sondern gleich zum Aspekt der Veränderung. Denn: Oftmals verbinde der Zeuge oder Helfer das Gesehene mit persönlichen Erlebnissen oder eigenen Todesfällen im Umfeld, so Insel. Wunram ergänzt: &bdquo;In der Gruppe spüren sie dann: Es geht nicht nur mir so. Ich drehe nicht durch. Die Reaktion ist völlig normal." Und wenn er ihnen sage: &bdquo;Ihr habt gut und richtig gehandelt", dann sei das keine Augenwischerei, sondern ein Fakt: &bdquo;Sie sind dageblieben, sie haben gehandelt." Auch ein Notarzt könne in solchen Situationen in die Gruppe gerufen werden: Und dessen Expertise: &bdquo;Die Person wäre nicht zu retten gewesen" oder &bdquo;Sie haben erreicht, dass wir rechtzeitig helfen konnten" bringe zusätzlich Entlastung. Pater Thomas hat mit seinen Kollegen zudem einige Tipps für den Umgang mit der Veränderung parat: &bdquo;Lass es zu, entspann Dich, nimm eine Auszeit, wenn es zu schlimm wird." Für Johannes Insel sind Rituale wichtig: &bdquo;Eine Kerze, ein Bild, eine Erinnerung an das Gute." Normalerweise lasse die Reaktion nach etwa einer Woche nach. Dauert sie über Wochen, dann sind die Notfallseelsorger mit der Traumaambulanz in Marsberg gut vernetzt, um die Hilfe auszuweiten: &bdquo;Dort bekommen wir für den Menschen sofort einen Termin. Eine großartige Einrichtung", sagt der Pater.

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