Fast wie eine heimliche Affäre: So erlebt die Steinheimer Prinzessin Karneval

Steinheim/Schieder-Schwalenberg. Das Angebot kommt Ende Januar, während einer konspirativen Besprechung im Keller. Nur vier Personen sitzen am Tisch: der frisch gekürte Karnevalsprinz Karsten Husemann, seine Frau Petra, Wilma Thorenmeier und ihr Mann Thomas. Es geht um dies und das – und dann: &bdquo;Willst Du meine Prinzessin werden?“ Die Frage unter acht Augen und Ohren überrumpelt die Gastronomin aus Ruensiek, obwohl sie durch und durch Jeckin ist. Nach kurzer Bedenkzeit stimmt sie tags darauf zu. Was seither passiert ist? Ein Blick hinter die Kulissen. Die Stimme ist heiser, als Prinzessin &bdquo;Prinzessin Wilma von herzlich-kreativer Finesse“, wie sie nun offiziell heißt, die Reporterin auf &bdquo;Schloss Ruensiek“ empfängt, um die ersten vier tollen Tage ihrer Regentschaft Revue passieren zu lassen. Sie trägt einen grünen Hoodie, gerade hat sie für einen Bus voller Touristen Grünkohl gekocht. Wilma Thorenmeier ist im wahren Leben Chefin des Landgasthofs &bdquo;Alter Krug“, und der Alltag hat sie schon am Aschermittwoch wieder eingeholt. Aber ihre Augen leuchten, wenn sie von den Wochen der absoluten Geheimhaltung und den vier tollen Tagen des vergangenen Wochenendes erzählt. Die närrischen Tage Steinheim sind von ausgelassenem Feiern geprägt – aber wenn man genauer hinschaut, auch von einer meisterlichen Organisation, Stringenz und riesigem ehrenamtlichen Engagement. Und so reicht kein einfaches &bdquo;Ja“ auf die Prinzessinnen-Frage. Die Auserwählte muss unterschreiben unter &bdquo;ich mache es“, ihr Ehemann Thommy unter &bdquo;ich erlaube es“. Fortan ist Stillschweigen angesagt. Denn das großes Geheimnis, der Name der Steinheimer Karnevalsprinzessin, wird erst beim Galaabend am 18. Februar bekannt gegeben. Sie sei, gesteht Wilma Thorenmeier, ja eher ein Kind des Straßenkarnevals. Kein Wunder, samstags- und sonntagsabends hat sie ja auch in ihrem Restaurant alle Hände voll zu tun. Beim Rosenmontagsumzug ist sie seit 1995 mit ihrem &bdquo;Drücker Spaßteam“ dabei. Mit Mottowagen und kreativen Kostümen, wie sich das gehört. 35 Teilnehmer, Männer, Frauen und Kinder, waren es diesmal, mit einem Peter-Lustig-Wagen und verkleidet als Löwenzahn. Wilma dagegen trug ein rotes Ballkleid und ein silbernes Krönchen auf dem Kopf. Sie ging nicht zu Fuß, sie huldigte dem Volk mit Prinz Karsten zusammen vom großen Prinzenwagen aus, warf Rosen und Bonbons herab: &bdquo;Es war unglaublich, von da oben sah ich so viele Köpfe, Kostüme und tolle Wagen.“ 20.000 Besucher werden am Ende gezählt. &bdquo;Wilma, Wilma“, habe es von überall her gerufen. Puh. Sie streicht sich über die Arme, spricht von Gänsehaut und Pippi in den Augen. Die Gastronomin ist bekannt, nicht nur in Lippe, auch jenseits der Grenze, die ja schließlich nur ein paar Meter entfernt ist: &bdquo;Ich glaube, ich kenne jeden in Steinheim“, lacht sie, und ihre beiden Grübchen verleihen ihr diesen schelmischen Gesichtsausdruck. Ihr haben die Steinheimer Karnevalisten ihren &bdquo;Ausländerstatus“ sicherlich gerne durchgehen lassen. Zumal sie alle Kriterien einer Prinzessin erfüllt: An der Seite des Prinzen zu glänzen, feierlustig und kein Karnevalsneuling zu sein. Niemand darf Verdacht schöpfen Über ein Kostüm musste sie sich diesmal keine Gedanken machen, wohl aber über ein festliches Kleid, tägliche Friseur- und Kosmetiktermine, die Garderobe für den Prinzessinnenempfang am Sonntagmorgen im Rathaus, über Schuhe und Mantel für gutes und schlechtes Wetter: Im Badezimmer habe sie die Kleiderpakete gestapelt, für jeden Fall eins. Und während sie Wochen vorher zwar selbst klammheimlich das rote Prinzessinnenkleid auswählte, mussten die Termine, die eng getaktet waren, andere für sie vereinbaren – schließlich durfte niemand Verdacht schöpfen. Das Geheimnis zu wahren, sei ein Spießrutenlauf gewesen. Der Prinz und sie hätten sich zu Besprechungen in verhüllten Räumen getroffen, er habe sein Auto hunderte Meter entfernt geparkt und sie habe immer aufpassen müssen, dass sie sich nicht verplappere. Fast wie bei einer heimlichen Affäre. Erst wenige Tage vorher weihte sie ihren Vater ein. Er sei zu Tränen gerührt gewesen. Mutter Renate wusste schon länger Bescheid, ein paar Verbündete brauchte es schließlich. Denn auch die Mitarbeiterinnen wurden am vergangenen Samstag total überrascht. Sie kamen ganz regulär zur Arbeit in den Gasthof, nicht wissend, dass die (Küchen-)Chefin diesmal nicht die Kochlöffel schwingen würde, sondern einige Kilometer entfernt das Zepter. Wilma lacht laut: &bdquo;Wir haben Fake-Tische gemacht, die Gäste alle erfunden, damit keine Reservierungen möglich waren. Nur an einem Tisch saßen echte Gäste.“ Die schönsten 55 Meter Karneval Dann platzte Samstagabend die Bombe: Nachdem Prinzessin Wilma mit einem schwarzen, abgedunkelten Fahrzeug abgeholt und zum Prinzen gebracht worden war, wo man zuvor ihr Kleid, das wochenlang in einem abgeschlossenen Raum hing, unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen abgegeben hatte, wurde sie abgeschirmt in einen Nebenraum der Festhalle geleitet, wo sie wartete, bis alle 555 Gäste an ihren Tischen saßen. Und dann: &bdquo;Die schönsten 55 Meter im Karneval“, nennt sie den Einzug in die Halle unter dem Jubel und den Überraschungsrufen der Gäste. Prinzessin Wilma schwärmt und schwärmt, der Adrenalinschub, mit dem sie alle die Verpflichtungen, alle Feierei bei zwei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht gemeistert hat, scheint noch nicht verflogen. Wenn es in den nächsten Tagen ruhiger wird, wird sie alle die Glückwunschkarten und Geschenke auspacken – ihr Wohnzimmer ist das reinste Blumenmeer. Und sie muss das Wochenende Revue passieren lassen: &bdquo;Ich hatte ja gar keine Zeit, das alles zu registrieren.“ Sommerresidenz am Doktorsee In drei Wochen ist Urlaub – dann fährt sie mit Mann Thommy in ihre Sommerresidenz am Doktorsee. Und während sie von der Terrasse ihres Tiny Houses auf die Seefläche schauen wird, wird sie vielleicht träumen: Von der Zeit, in der sie für vier Tage alles hinschmiss, um Prinzessin zu werden. Man teou!

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