Nach heftigem Wahlkampf: Wie eine Stadt im Kreis Höxter versucht, ihr Trauma zu bewältigen

Nieheim. Nieheim hat ihn noch immer nicht bewältigt, den Wahlkampf, der bisweilen sehr persönlich und mit fragwürdigen Aktionen geführt wurde. Er hat die Stadt zerrissen, was sich auch an den Ergebnissen deutlich sichtbar ist. Die Wunden, so scheint es, sind noch immer nicht verheilt. Denn wie sehr die Stadt darunter gelitten hat und noch immer leidet, machte Nieheims Bürgermeister Johannes Schlütz – im Sommer selbst engagierter Wahlkämpfer – jüngst in seiner Antrittsrede im Stadtrat deutlich. Zugleich zeichnete er einen Weg vor, wie er sich Nieheims künftige Richtung vorstellt, und warnte eindringlich vor extremistischen Tendenzen. Bevor der alte und neue Bürgermeister, dem im September 53,15 Prozent der Bürger ihr Vertrauen schenkten, zum Rundumschlag ausholte, ergriff der Altersvorsitzende des Rates, Wolfgang Kuckuk, das Wort. Fairer Umgang in Nieheim angemahnt Nieheim müsse lebenswert erhalten und weiterentwickelt werden, was viel Engagement, Geduld und Ausdauer erfordern werde. &bdquo;Wir werden nicht immer einer Meinung sein. Aber dann, wenn wir die Diskussion sachorientiert in Interesse der Stadt führen, werden wir zu guten Ergebnissen kommen“, erklärte Kuckuk. Der SPD-Politiker mahnte zugleich, mit der Stadtverwaltung partnerschaftlich und fair umzugehen. &bdquo;Ein klärendes Gespräch ist aber sinnvoller als voreilige Kritik daran, dass man wieder irgendetwas nicht schnell genug erledigt wurde.“ Das hörte der Verwaltungschef Johannes Schlütz sicherlich gern, immerhin musste er sich in der vergangenen Ratsperiode einige Kritik anhören. Er selbst blickte in seinen Worten an den Rat zunächst auf den vergangenen Sommer zurück. Analyse: Knappes Wahlergebnis in Nieheim zerreißt die Stadt &bdquo;Die vergangenen Monate waren intensiv. Das haben wir alle mitbekommen. Der Wahlkampf hier in Nieheim wahr wohl der lebhafteste im ganzen Kreis Höxter. Und rückblickend darf man sich auch die Frage stellen, ob das alles in der geschehenen Form notwendig gewesen ist.“ Nieheims Bürgermeister: &bdquo;Bürger wünschen keinen Streit“ Schlütz beantwortete die Frage gleich selbst: &bdquo;Unsere Bürgerinnen und Bürger wünschen sich keine Streitigkeiten. Sie wünschen sich Sachlichkeit, Anstand und konstruktive Zusammenarbeit. Wir alle, ob Verwaltung oder Politik, tragen Verantwortung dafür, dass das öffentliche Ansehen unserer Stadt dabei niemals beschädigt wird.“ Ein Appell, den wohl jeder im Stadtrat sofort unterschrieben hätte. Schlütz kritisierte sodann die Vermischung eines öffentlichen Amtes mit Wahlkampfauftritten, ohne dabei konkrete Namen zu nennen. Wer aus einem öffentlichen Amt heraus agiere, sollte dabei besonders sensibel sein. &bdquo;Wenn sich von vorn herein abzeichnet, dass die persönlichen Positionen im Wahlkampf mit den Inhalten des Amtes oder der eigenen Partei kollidieren könnten, dann ist der frühzeitige Rücktritt aus diesem Amt der saubere und richtige Weg.“ Erst dann solle man in den Wahlkampf eintreten. Alles andere würden die Menschen nicht verstehen. Zugleich dürften Käsemarkt und Technologietage als Nieheims Aushängeschilder niemals Teil der politischen Auseinandersetzung werden. Am Ende schade das immer der ganzen Stadt Nieheim. Auch Unternehmen und Vereine gehören aus seiner Sicht nicht in den politischen Schlagabtausch. &bdquo;Das Rückgrat unserer Gemeinschaft muss geschützt werden. Und diese beiden Teilnehmer sind keine Werkzeuge für den Wahlkampf“, so Schlütz. Kritik am Wahlkampf in den Sozialen Medien Er kritisierte zugleich, dass sich der Wahlkampf immer mehr in die Sozialen Medien verlagere, in denen es kaum noch um Inhalte gehe. &bdquo;In den sozialen Medien zählen schrille Bilder viel mehr als Worte und Momente mehr als Inhalte.“ Es sei gefährlich, wenn der Nutzer nicht mehr wisse, wofür der Absender eigentlich steht. Das könne schnell zum Spiel mit dem Feuer werden, und das habe Nieheim erlebt. In den kommenden fünf Jahren müsse wieder stärker über Inhalte gesprochen werden, auch um der AfD Paroli bieten zu können. &bdquo;Nur durch klare, für alle nachvollziehbare Positionen kann man Extremisten entschieden entgegentreten. Wer nichts sagt, wer sich versteckt oder einfach immer nur dagegen ist, überlässt diesen Kräften kampflos das Feld und begibt sich mit einer Gegen-Alles-Position letztendlich auf die unterste Ebene mit diesen.“ Nieheim brauche den öffentlichen Diskurs. &bdquo;Sonst öffnen wir extremen Kräften auch hier Tür und Tor. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, genau das in den kommenden fünf Jahren mit aller Kraft zu verhindern.“ Eine reine Dagegen-Haltung sei keine Politik, sondern destruktiv. Das schaffe keine Lösungen und helfe Nieheim nicht weiter. &bdquo;Wenn man gegen einen Vorschlag ist, ist das vollkommen in Ordnung. Da muss aber auch deutlich gesagt werden, wie man es besser macht.“ Das passiere ganz oft nicht. Mehrheitsverhältnisse im Nieheimer Stadtrat werden immer schwieriger Wer keine bessere Lösung anbiete, solle als guter Demokrat dann über seinen Schatten springen und dem Vorschlag, der auf dem Tisch liege, zustimmen. &bdquo;Das zeugt dann auch von echter und wahrer Größe.“ Ein Hinweis darauf, dass die Mehrheitsverhältnisse im Nieheimer Stadtrat nach der Wahl noch schwieriger geworden sind. Die CDU hat jetzt noch neun Stimmen, die SPD sieben, die UWG fünf, die FDP zwei und die Grünen eine. Eine Mehrheit, die den parteilosen Bürgermeister per se unterstützt, gibt es nicht. Nieheim habe in den vergangenen fünf Jahren viel erreicht. &bdquo;Ich wünsche mir, dass wir diesen Weg fortsetzen, mit Respekt, mit Haltung und mit dem gemeinsamen Ziel, unser schönes Nieheim und die neun Ortschaften weiter voranzubringen. Lassen sie uns in den kommenden fünf Jahren über Inhalte sprechen, über Lösungen und weniger über Personen oder irgendwelche Formalitäten.“ Stellvertreter für Bürgermeister: Heftiger Nackenschlag für Nieheims CDU bei Wahl im Stadtrat Große Defizite im Haushalt belasten Nieheims Handlungspielraum Die Herausforderungen seien groß, die Haushaltssituation bleibe über Jahr weiter angespannt. Nieheim plane aktuell mit jährlichen Defiziten von drei Millionen Euro, mit deutlich steigender Tendenz. Er machte klar, dass er Nieheims Spielräume durch eine &bdquo; aktive, mutige, aber klug gescheuerte“ Kreditfinanzierung bewahren wolle. Gleichzeitig gelte es, teuren Ballast abzuwerfen. Konkret nannte er einmal mehr den Verkauf der alten Grundschule an einen Investor. Gleiches gelte für den Bereich Tourismus. &bdquo;Wir müssen noch mehr als bisher bereit sein, hier endlich alte Zöpfe abzuschneiden und ganz viel Geld zu sparen.“ Auf die Zukunft des Käsemuseums, dass in städtischer Hand ist, ging er allerdings nicht konkret ein. Finanzielle Schieflage: Nieheim lebt auf Pump und ist nur durch Millionenkredite zahlungsfähig &bdquo;Vor uns liegen fünf anspruchsvolle Jahre. Aber ich bin überzeugt, wir haben die Kraft, die Erfahrung und den Zusammenhalt, um diese Herausforderung zu meistern. Wenn wir weiterhin mit Sachverstand, Vernunft, Mut und gegenseitigem Respekt handeln.“

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