Nieheims Parteien sehen sich vom eigenen Bürgermeister verunglimpft

Nieheim. Im Wahlkampf wird zugespitzt, bisweilen Themen auf Schlagworte reduziert. Das gehört heute zur Demokratie dazu, wenngleich besonders in der Lokalpolitik auf dem Lande eigentlich ein vernünftiger Umgang miteinander die Grundlage des politischen Wettstreits ist. In Nieheim aber sind die SPD und CDU mit den Meinungsäußerungen des wahlkämpfenden Bürgermeisters Johannes Schlütz so gar nicht einverstanden, weil – so ihr Vorwurf – er auf seiner Wahlkampfseite den Parteien indirekt unterstelle, statt städtischer Interessen ihre privaten Ziele oder die von Lobbyisten zu verfolgen. &bdquo;Skandalös“ nennt es CDU-Fraktionschef Elmar Kleine im Gespräch mit der &bdquo;Neuen Westfälischen“. Was ist passiert? Nieheims Bürgermeister Johannes Schlütz ist im Wahlkampfmodus. Sein Herausforderer Mathias Koch wurde – was hierzulande extrem selten ist – von CDU und SPD gemeinsam als &bdquo;parteiloser“ Gegenkandidat aufgestellt. Beide große Parteien sind mit der Arbeit des Amtsinhabers extrem unzufrieden – immer wieder gab es in der Vergangenheit leise und laute Konfrontationen. Nieheims Bürgermeister hält nur sich für &bdquo;wahrhaft unabhängig“ Nun hat Bürgermeister Johannes Schlütz auf seiner Wahlkampfseite buergermeister-in-nieheim.de sein Verständnis von &bdquo;wahrer Unabhängigkeit“ erläutert. Sie sei &bdquo;frei von Parteieinflüssen und mit voller Sachorientierung“. Nur so könne gemeinsam in eine erfolgreiche Zukunft geführt werden. Lesen Sie auch: Gegenwind für Nieheimer Bürgermeister in der Haushaltsdebatte Und dann folgt der Satz, der Christdemokraten und Sozialdemokraten in Nieheim in Rage bringt. &bdquo;Bei jeder Entscheidung steht das objektive Gesamtwohl der Stadt Nieheim im Vordergrund, und nicht etwa Parteiinteressen, und schon lange keine Eigeninteressen von Parteimitgliedern oder ihnen nahestehenden Lobbyistinnen und Lobbyisten.“ SPD sieht indirekte Unterstellungen und ärgert sich Die Parteien sehen darin einen indirekten Angriff auf ihre Arbeit und die mitschwingende Unterstellung, sie würden nicht das Wohl der Stadt, sondern Privatinteressen vertreten. SPD-Fraktionschef Wolfgang Kuckuk sah sich zu einer längeren Erklärung genötigt. &bdquo;Parteimitgliedern spricht er die ,volle Sachorientierung’ ab und reklamiert diese ausschließlich für sich“, meint Kuckuk, der so etwas in seiner jahrzehntelangen Ratszeit noch nicht erlebt hat. Dies erinnere stark an Behauptungen von Populisten, die sich gegen ,die da oben’ oder das sogenannte ,politische Establishment’ wenden &bdquo;So werden Vorurteile geschürt“, warnte das der SPD-Politiker ausdrücklich. Sein politisches Gegenüber, CDU-Fraktionschef Elmar Kleine, dankte Kuckuk für die deutlichen Worte und warnte ebenfalls vor dem populistischen Charakter der Äußerung. &bdquo;Diskreditierung und Herabwürdigung der Mitglieder des Stadtrates“ Kuckuk war aber noch längst nicht fertig mit seiner Wut-Rede. &bdquo;Wie kann ein hauptamtlich gut bezahlter Bürgermeister ehrenamtlich in kommunalen Gremien tätigen Mitgliedern von Parteien unterstellen, dass sie nicht die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten?“, fragte er in die Runde. Für ihn persönlich und seine Fraktion bedeute dies eine Diskreditierung und Herabwürdigung der Aktivitäten als Mitglieder des Rates der Stadt Nieheim. Eklat im Nieheimer Stadtrat: SPD verlässt die Sitzung &bdquo;Ich bin Mitglied der ältesten Partei Deutschlands und vertrete die Grundwerte Gerechtigkeit, Freiheit und Solidarität. Das sehe ich als meinen Auftrag. Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich auf der rechtlichen Grundlage der Gemeindeordnung die Interessen der Bevölkerung vertrete“, stellte Kuckuk für sich fest. Und er erinnerte daran, dass die Parteien gemäß Grundgesetz Verfassungsrang haben. &bdquo;Sie sind bedeutender Bestandteil der Demokratie. Ein Bürgermeister, der dies offensichtlich anders sieht, verspielt Vertrauen und Glaubwürdigkeit.“ Was hinter der Äußerung des Nieheimer Bürgermeisters steckt Johannes Schlütz selbst hat sich nach Angaben von Sitzungsteilnehmern trotz einer längeren Debatte zum Thema nicht inhaltlich geäußert. In seinem etwas längeren Beitrag auf seiner Wahlkampfseite ist der eigentliche Adressat zum Thema &bdquo;wahre und unechte Unabhängigkeit“ sein Herausforderer Mathias Koch, der ebenfalls als &bdquo;parteilos“ antritt, aber von Christ- und Sozialdemokraten unterstützt wird. Herausforderer für Nieheimer Bürgermeister: Kandidat hat &bdquo;frische Ideen“ und ein paar Geheimnisse Er unterstellt Mathias Koch deshalb, nicht wirklich unabhängig zu sein – ohne ihn explizit beim Namen zu nennen. &bdquo;Diese Abhängigkeiten schaffen ein Schuldverhältnis, das spätere Entscheidungen beeinträchtigen kann. Bei dieser ,unechten Unabhängigkeit’ ist auch das Wahlprogramm oftmals mit den unterstützenden Parteien abgestimmt – es gibt gegebenenfalls keine eigene und schon gar keine klare Linie.“ Bei ihm selbst gebe es diese Abhängigkeit nicht: Er führe einen eigenständigen Wahlkampf mit eigenem Wahlprogramm, losgelöst von Parteiinteressen oder Wählergemeinschaften. Die Finanzierung und Organisation erfolge ausschließlich aus eigenen Mitteln beziehungsweise mit der Unterstützung von Familie und Freunden. &bdquo;Nur diese Form garantiert eine völlig sachorientierte Entscheidungsfreiheit im Amt“, so Schlütz.

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