Große Ratlosigkeit im Nieheimer Rat zur Verabschiedung des Haushalts

Nieheim. Wie prekär die finanzielle Lage Nieheims ist, wissen die Parteien im Stadtrat. Nur mit Bilanztricks auf Kosten der Zukunft und der Hoffnung, dass keine größeren Zwischenfälle mehr eintreten, kann sich die Kleinstadt noch vor der Haushaltssicherung retten. Und so ist in den Haushaltsreden vor allem von den großen Sorgen um die Zukunft die Rede. Im Mittelpunkt der Kritik steht wieder Bürgermeister Johannes Schlütz, dem Träumereien (CDU), falsche Schwerpunktsetzungen (FDP) und ein Zickzackkurs nach Tagesverfassung (SPD) vorgeworfen werden. Da gab es manch deutliches Wort. Aber nur eine Partei zog aus den Vorwürfen auch Konsequenzen. Zwei Millionen Euro geplantes Defizit, die aus der Allgemeinen Rücklage entnommen werden müssen, die auch bald aufgebraucht sein dürfte: Viel gestalten können die Parteien in Nieheim schon lange nicht mehr. Dabei wurden in jüngerer Vergangenheit in den Gremien viele Projekte wie Stadthallensanierung, Pumptrack, Spielplatzaufwertung und mehr intensiv diskutiert, umgesetzt ist aber bisher das allerwenigste. Und dass es besser wird, glaubt kaum einer. &bdquo;Mit dem Reißen der fünfprozentigen Hürde beim Eigenkapitalverbrauch stehen wir nun an einen Punkt, den die CDU-Fraktion unbedingt immer vermeiden wollte. Unser aller Ziel muss es nun sein, im nächsten Jahr nicht in die Haushaltssicherung zu rutschen, damit wir unsere Eigenständigkeit behalten und nicht fremdbestimmt werden“, schwor CDU-Fraktionschef Elmar Kleine seine Ratskollegen auf schwierige Zeiten ein. &bdquo;Kein Spielraum für Experimente“ Und SPD-Chef Wolfgang Kuckuk ergänzte: &bdquo;Ziel muss es sein, den Haushalt ausgeglichen zu gestalten. Die Gesamtlage der Stadt bietet keinen Spielraum für Experimente.“ FDP-Ratsfrau Gerda Scheips bekannte: &bdquo;Meine Ratlosigkeit bezüglich der Finanzlage der Stadt steigert sich von Jahr zu Jahr.“ In Elmar Kleines Kritik an der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen, die exorbitant steigenden Umlagen für Kreis, Jugendamt und Nahverkehr stimmten die anderen Fraktionschefs ausführlich ein. Besonders die hohen Kosten für leere Busse stießen bitter auf: &bdquo;Wir brauchen Lösungen, die kostengünstiger, flexibler und individueller sind. Und wir brauchen sie jetzt!“, so Kleine. Wenig Hoffnung Das wünscht sich auch UWG-Fraktionschef Herbert Müller, hat aber wenig Hoffnung: &bdquo;Leider hat die Stadt Nieheim beim NPH kein Stimmrecht, und der Vorstand des NPH ist uneinsichtig und wird die Leerfahrten nicht einschränken und schon gar nicht einstellen.“ Natürlich versuchten die Fraktionen auch, etwas Positives zu finden. Gelobt wurde, dass Steuern und Gebühren so gut wie nicht ansteigen und die mittelständige Wirtschaft trotz Pandemie und Krieg ordentlich Gewerbesteuern zahlt. Die geplanten Investitionen in Feuerwehr und Radwege, aber auch in städtische Photovoltaikprojekte, wobei sich Grünen-Sprecherin Uta Lücking da mehr Anstrengung wünschte. Ablehnung und Zustimmung Und so stimmten CDU, Grüne, UWG und FDP dem Etat-Plan zu, auch wenn Unions-Chef Elmar Kleine bekannte, wie schwer ihm dies fällt. Aus Verantwortung der Stadt gegenüber. Mit dem gleichen Argument lehnte die SPD den Haushalt ab, insbesondere die Liquiditätsstrategie. &bdquo;Temporäre Verbesserungen will der Bürgermeister zukünftig für spontane Investitionen ausgeben. Das entspricht unserer Meinung nach aber nicht den Haushaltsgrundsätzen. So kann eine Stadt keine Haushaltpolitik gestalten“, so Kuckuk. Auszüge aus den Reden CDU: &bdquo;Utopisch und unrealistisch“ "Es bedarf also – und das ist die Kernbotschaft in Richtung Bund und Land – einer gesicherten Finanzausstattung der Kommunen, und ich ergänze gerade solcher strukturschwachen Kommunen wie Nieheim. Wir brauchen nicht immer neue ,Buchungshilfen’ um Mehraufwendungen auszugliedern, sondern reale Mehrzuweisungen. Solche Buchungstricks reduzieren zwar das schlechte Ergebnis, führen aber nicht zu mehr Liquidität. Und da hilft auch nicht der Traum, von der ,Energiestadt Nieheim’, der jedes Jahr aufs Neue vom Bürgermeister geträumt wird. Sechsstellige Einnahmen aus Beteiligungen an erneuerbaren Energien halte ich für utopisch und für die nächsten – die entscheidenden Jahre – für unrealistisch. Denn wo soll das Kapital für die Beteiligung denn herkommen, wenn wir nicht über einen prall gefüllten Sparstrumpf verfügen? Solche Beteiligungen sind doch nur mit der Inanspruchnahme von Krediten finanzierbar. Und irgendwann sind dann die Möglichkeiten der Kreditbeschaffung auch ausgereizt", erklärt CDU-Chef Elmar Kleine. SPD: &bdquo;Nieheim ist kein Geschäft“ "Die Stadt Nieheim ist kein Geschäft und betreibt keine Geschäftsmodelle. Nieheim ist die Heimat von Bürgerinnen und Bürgern, die eine nachvollziehbare, realistische Haushaltsplanung erwarten, die am Alltag orientiert ist und nicht an Wunschvorstellungen. Die Bewältigung des Alltags ist uns wichtiger als unrealistische Vorstellungen zur Zukunft. Es konnte zuletzt der Eindruck entstehen, dass bei manchen Entscheidungen vor allen Dingen das Interesse von Investoren im Vordergrund stand. Vor seiner Wahl hatte Herr Schlütz ja davon gesprochen, ,Wirtschaft zur Chefsache’ zu machen. Chefsache muss aber die Stadtentwicklung für alle sein. Die zu häufig wunschorientierte Politik der Ankündigungen muss endlich durch eine realitätsorientierte Politik der konkreten Umsetzung ersetzt werden", begründet SPD-Ratsherr Wolfgang Kuckuk die Etat-Ablehnung. UWG: &bdquo;Viele Projekte verschoben“ "Was uns von der UWG Nieheim sehr viel Sorgen bereitet, sind die vielen Projekte, die wir vor uns herschieben und nicht abgeschlossen sind. Das sind Unterhaltungsmaßnahmen für Gebäude, Baumaßnahmen der Feuerwehr-Gerätehäuser, sehr viele Straßenbaumaßnahmen und die Ausstattung der Spielplätze mit neuen Spielgeräten. Das sind laut Ermächtigungsübertragung für die Stadt 2,4 Millionen Euro und für den Betrieb eine Million Euro, die unsere Liquidität positiv erscheinen lässt. (. . .) In der Zukunft werden die kleinen Städte nicht besser vom Bund und Land mit Finanzmitteln ausgestattet, deshalb müssen wir hier vor Ort schauen, wie wir unseren Haushalt finanzieren. Wir müssen die Lebensqualität versuchen, aufrecht zu erhalten, damit unsere Familien sich hier wohlfühlen“, betont UWG-Fraktionschef Herbert Müller. Grüne: &bdquo;Schulkonsens aufgegeben“ "Die Aufnahmezahlen unserer Realschule für das kommende Schuljahr zeigen jedoch auch, dass der demografische Wandel seinen Tiefstand noch nicht erreicht hat. Mit zwei Eingangsklassen spüren wir auch, dass der Schulkonsens im Kreis Höxter offensichtlich aufgegeben wurde. Wie kann es sein, dass eine Ersatzschule in der Nachbarstadt unwidersprochen und ohne Abstimmung mit den Verantwortlichen eine weitere Klasse genau im Bereich der Realschule einrichtet? Natürlich hat das Auswirkungen auf alle weiterführenden Schulen im Kreisgebiet und damit auch auf unsere Peter-Hille-Realschule. Mehr Kinder in den Kitas – das bedeutet auch einen höheren Bedarf an Erzieher und Erzieherinnen. Dies ist eine doppelte Herausforderung", meint Grünen-Sprecherin Uta Lücking. FDP: &bdquo;Pragmatismus vor Ideologie“ "Gerade bei den Erneuerbaren verstärkt sich bei mir der Eindruck: Ideologie geht vor Pragmatismus. Ganz besonders hier in Nieheim kommt mir die Folgenabschätzung einfach zu kurz. Ich weiß, unser Bürgermeister bekommt glänzende Augen, wenn er Windkraft, Agri PV, Wasserstoff und so weiter hört. Ich bin nicht gegen Wind und Sonne, aber hier gilt ganz besonders Pragmatismus vor Ideologie. (. . .) Zuerst einmal muss doch das Verfahren weiter fortgeschritten sein, um überhaupt zu sehen, wo Anlagen realisiert werden. Auch wenn (. . .) sie in Nieheim gern verwirklichen würden, was eben geht. Es bringt auch nichts, wenn sie immer wieder versuchen, den Rat zu überzeugen, dass durch Windkraft der Haushalt saniert (. . .) werden kann“, sagt FDP-Ratsfrau Gerda Scheips.

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